Das bisherige Regiewerk von Baz Luhrmann lässt sich gerade einmal an einer Hand abzählen und trotzdem öffnen sich alles Augen und Ohren, sobald das Name des australischen Regisseurs fällt – und zwar wörtlich. Wer sich auf einen Baz Luhrmann-Film einlässt, den erwartet ein filmischer Erguss der überbordenden Eindrücke. Seine Bilder durchbrechen die Grenzen der Kinoleinwände und auch die akustische Gestaltung kann kaum als konventionell beschrieben werden. Erst einmal entfesselt, ist die audiovisuelle Wucht weder zu stoppen noch zu bändigen. Stattdessen sind wir beim Sehen seiner Filme komplett Baz Luhrmanns Inszenierung ausgeliefert. Anlässlich seines Geburtstags, versuchen wir sein bisheriges Schaffen in Worte zu fassen.
Der Vorhang fällt
1992 kündigt sich ein unscheinbarer Film von einem bis dato unbekannten Regisseur in der Filmwelt an. Strictly Ballroom ist der Titel des Debüts von Baz Luhrmann, das im Voraus bestenfalls als netter Tanzfilm belächelt wird. Doch kaum erscheint das musikalische Ereignis auf der Leinwand, verstummen die kritischen Stimmen und Begeisterung macht sich breit. Eine mitreißende Kameraarbeit rast in gut eineinhalb Stunden durch reichlich ausgestattete Szenarien und darüber hinaus rebelliert Baz Luhrmann, der zuvor selbst als Theater- und Musicalregisseur tätig war, gegen sämtliche Konventionen des Genres, indem er eben diese zur Schau stellt und mit Schwung in Szene setzt. Es verbleibt folglich kaum Zeit, darüber nachzudenken, was dem Klischee entspricht und welches Element kitschig ist. Strictly Ballroom demonstriert Begeisterung für Tanz und Gesang und liefert somit zwei prägende Komponenten für das spätere Schaffen des Regisseurs.
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Obwohl sein nächster Film weder Musicalfilm noch Tanzevent wurde, entwickelt sich Baz Luhrmann mit seiner Arbeit zu William Shakespeares Romeo + Julia faszinierend weiter. Dabei stellt sich die Frage, warum der Regisseur seine ganze Energie in eine Aufbereitung des literarischen Werks von William Shakespeare investiert – immerhin wurde das Drama schon unzählige Male für die Leinwand adaptiert. Doch was das australische Talent im Anschluss zelebriert, ist nicht nur ein postmodernes Feuerwerk an Eindrücken, Gefühlen und Farben, sondern das beste Zeugnis dafür, dass Risikobereitschaft und künstlerischer Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Baz Luhrman befördert den Shakespear’schen Urtext in neue Dimensionen, verankert ihn inmitten der Popkultur der 1990er Jahre und lässt die größte Liebesgeschichte aller Zeiten bildgewaltig neu aufleben.
The show must go on
2001 erreicht Baz Luhrmann den spektakulären Gipfel seiner bisherigen Karriere und schließt die sogenannte Red Curtain-Trilogie mit dem fulminanten Filmmusical Moulin Rouge ab. Blitzende Lichter, schnelle Schnittfolgen und farbenreiche Bilder vereinen sich mit einem Soundtrack, der reich an Referenzen und Neuinterpretationen bekannter Rock- und Popsongs ist. Das Ergebnis lässt sich mit keiner Konvention vereinbaren und Baz Luhrmann balanciert wie kein zweiter auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und dem absoluten Overkill. Aus wilden Bilderreigen und feinfühligen Momenten entsteht ein poetischer und magischer Sog aus Eindrücken, die nur schwer zu beschreiben sind. Wenn nach einer ästhetischen Achterbahnfahrt auf einmal mit Mittelteil fesselnde Ruhe einkehrt und sich Santine (Nicole Kidman) und Christian (Ewan McGregor) ihre Liebe gestehen, dann vereinen sich im Lied Elephant Love Medley nicht nur etliche Love-Songs, sondern auch die gesamte Essenz von Baz Luhrmanns bisheriger Filmographie: Eine nie gesehene Zusammenstellung opulenter Bilder und fantasievoller Szenarien mit Musik, Gesang und Tanz.
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Nach diesem Rausch der Sinne, sieht der bis dato zuletzt veröffentlichte Film des begnadeten Filmemachers fast harmlos aus. Mit Australia erzählt Baz Luhrman einen Auszug aus der Geschichte von Down Under und malt mit gewählten Bildern einen modernen Epos auf die Leinwand, wie er im Kinogeschehen des 21. Jahrhundert nur noch selten zu sehen ist. Der Genrewechsel schließt allerdings auch die Abkehr von Tanz und Musik mit ein. Trotzdem lässt sich auch in Australia die Handschrift des Ausnahmeregisseurs deutlich erkennen: Handlungsmotive wie die Liebe und Freiheit oder der Hang zu erlesenen Aufnahmen zeichnet sowohl Australia las auch seine früheren Werke aus. Selbst wenn das großangelegte Melodram dem Druck vieler Erwartungen nicht standhalten konnte, erschuf Baz Luhrmann großes Gefühlskino par excellence nach alter Tradition.
Come what may
Aufgrund des katastrophalen Schiffsbruchs, den Oliver Stone mit seinem Historienschinken Alexander erlitten hat, konnte Baz Luhrman ein ähnliches Projekt mit Leonardo DiCaprio in der Rolle des großen Eroberers nicht verwirklichen. Dennoch steht ein weiterer Film mit dem Romeo-Mime in den Startlöchern: Der große Gatsby. Schon der erste Trailer der F. Scott Fitzgerald -Adaption stand ganz im Zeichen von imposanten Aufnahmen und wir dürfen gespannt sein, in welche Richtung sich Baz Luhrmann weiterentwickelt – vor allem da er dieses Mal auch mit der dritten Dimension arbeitet.
Auf ein gutes Schaffen und neue Grenzerfahrungen im Kino: Herzlichen Glückwunsch zum 50. Geburstag!
Welcher von Baz Luhrmans Filmen hat euch am meisten beeindruckt?