Blindspot - Die Mystery-Serie im Pilot-Check

19.07.2016 - 20:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Kein Gedächtnis, keine Identität, aber immerhin gut tätowiertNBC
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Nackt, tätowiert und orientierungslos taucht Jaimie Alexander in einer Tasche auf dem Times Square auf. Ist das nur ganz viel heiße Luft oder vielleicht sogar ziemlich raffinierter Mystery-Stoff?

Der Pilot-Check zu Blindspot wurde bereits zum Serienstart in den USA am 21.09.2015 beim Sender NBC geschrieben. Nun ist die Dramaserie mit Jaimie Alexander auch in Deutschland zu sehen. Die 1. Staffel läuft ab heute auf Sat.1 Emotions. Mittlerweile wurde die Serie um eine 2. Staffel verlängert.

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Die Mystery-Serie Blindspot beginnt auf dem New Yorker Times Square, den wir so menschenleer zuletzt in I Am Legend oder bei Grand Theft Auto IV in den frühen Morgenstunden gesehen haben. Dort wird eine geheimnisvolle Jane Doe mit ausradiertem Gehirn und vollgekritzeltem Körper gefunden, nackt, in einer Sporttasche. Weil das FBI - natürliche Neugierde - so schnell wie möglich ergründen möchte, wie das passiert sein kann, wird erstmal der komplette Überwachungsapparat dieses Zivilisationsbündels im Herzen von New York bemüht.

In den Labors des FBI muss sich die identitätslose Jane Doe direkt einem Ganzkörper-Scan unterziehen, damit sie sich nicht jedes Mal ausziehen muss, wenn jemand einen Blick auf die bedeutsamen Tattoos werfen möchte. Tattoos erzählen ja bestenfalls eine Geschichte, alles andere ist leerer Modeschmuck, nur halt für ewig. Wie nackt ist nun ein Mensch, dessen Körper aussieht wie die Titelseite der Süddeutschen? Vor allem, wenn jede der Tätowierungen scheinbar einen wertvollen Hinweis auf einen Fall von nationaler Tragweite feilbietet?

Jane Doe (Jaimie Alexander) selbst erzählt nicht viel und schon gar nichts über sich, weil sie sich an nichts erinnert. Ihr Gehirn ist mit einem Wirkstoff getränkt, der normalerweise nur bestimmte Erinnerungen auslöscht, bei Jane Doe allerdings eine vollständige Amnesie ausgelöst hat. Im Morgan Freeman-Stil erklärt der FBI-Neurologe die Ausmaße der zerebralen Konfusion: „Sie weiß, was Musik ist, kennt aber die Beatles nicht.“ Und nicht nur erinnert sich das Mädchen mit den Kritzel-Tattoos nicht an die Welt, auch die Welt scheint sie vergessen zu haben. Kaum ein Fitzelchen DNA ist von ihrer Identität übrig, niemand kennt sie.

Blindspot in Bildern


Kompliziert wird es, nachdem eines der Tattoos den Namen des FBI-Agenten Kurt Weller (angenehm zerknirscht: Sullivan Stapleton) abbildet. Kurt Weller macht sich, obgleich offensichtlich befangen, zum leitenden Ermittler im Tattoo-Girl-Fall. Noch bevor es aber spannend wird, nimmt sich der Pilot Zeit, über das Schicksal der Jane Doe nachzugrübeln, tut dies vor allem über den sensiblen Neurologen und über Jaimie Alexander selbst, die die wütende Verwirrtheit einer Gedächtnislosen gut einfängt. Den etwas platten Jason Bourne/Peter Parker-Effekt erlebt sie allerdings auch. Jane Doe entdeckt nach und nach ungeahnte Kräfte - Kampfkunst und Chinesisch zum Beispiel. Schon bald führt ein Tattoo aus chinesischen Schriftzeichen, die tatsächlich etwas bedeuteten, nämlich das Datum des gegenwärtigen Tages und den Aufenthaltsort einer asiatischen Terrorzelle, zum ersten brenzligen Einsatz. Da wird Jane Doe zu sowas wie einer personifizierten Terror-Warnung, die das FBI gerne annimmt, allen voran der misstrauische, aber aufrichtig wirkende Kurt Weller.

Serien, deren Plot-Kern oft eigentlich nur ein großes Plot-Hole ist (FlashForward, Under the Dome) oder der Euphemismus des Geheimnisvollen, halten ja meist nicht länger als eine Staffel ihre anfängliche Qualität. Das liegt daran, dass sie die Spannung um das Geheimnis aufrechterhalten müssen, weil halt nur davon die Spannung und der Reiz der Serie ausgehen. Gleichzeitig muss aber, zur allgemeinen Befriedung des Zuschauers, mit jeder Episode das Geheimnis um ein Stück entblättert werden – was dann meist als Belohnung dafür geschieht, den belanglosen Kram, der dazwischen von uninteressanten Charakteren bestritten wird, überstanden zu haben. Die Ausstrahlungsrechte in Deutschland hat jetzt die ProSiebenSat.1 Media AG ergattert, die seit fast einem Jahrzehnt auf der Suche nach einem geeigneten Lost-Nachfolger für ihren ehemaligen Mystery-Monday ist, der unter anderem an prätentiösen Serien wie FlashForward scheiterte.

Diesem Häppchen-Rhythmus wird sich auch Blindspot wahrscheinlich nicht entziehen können. Die Entschleierung des Jane Doe-Geheimnisses vollzieht sich mit der schrittweisen Entschlüsselung der Tattoo-Hinweise, die wahrscheinlich stets einen Crime-of-the-Week ergeben. Wir können nur mutmaßen, ob der Nebel um Jane Doe sich in dem Moment lichten wird, wenn jedes Tattoo, das unter ihrer Haut liegt, seinen Hinweis preisgegeben hat. Aber das sind ja ohnehin ziemlich viele.

Was erwartet uns in den nächsten Episoden von Blindspot also? Sehr wahrscheinlich eine flotte Mischung aus einigermaßen origineller Mystery und halbgarer Action; Humor und Ironie irgendwie gar nicht. Es wird eigentlich überhaupt nicht gelächelt, alles todernst. Die Darsteller sind dabei immerhin unaufdringlich und glaubwürdig. Bleibt der Reiz des Unbekannten und des Verborgenen. Diese Karte muss eine Mystery-Serie cleverer, effektiver ausspielen. Und leider nimmt sich Blindspot hier selbst ein wenig den Wind aus den Segeln. Ohne Flashbacks läuft in der Darstellung von Amnesie-Charakteren wohl gar nichts, schon verstanden, aber ein bisschen mehr als Schwarzweiß für den ästhetischen Vergangenheitsindikator hätte der Regisseur Mark Pellington sich dann doch einfallen lassen können. Derart uninspirierte Rückblenden lassen den Piloten dann doch allzu geschwätzig wirken. Und schließlich büßt ein Geheimnis sein Wesen ein, wenn es (zu früh) verraten wird.

Wie habt ihr den Piloten von Blindspot empfunden? Werdet ihr der Serie eine Chance geben?

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