Braucht die Welt einen 3D-Oscar?

05.02.2011 - 07:30 Uhr
Braucht die Welt einen 3D-Oscar?
AMPAS/Moviepilot
Braucht die Welt einen 3D-Oscar?
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Es ist eine Frage, die wir uns nicht stellen wollen. Aber trotz aller Scheuklappen und Widerwillen müssen wir uns eingestehen, dass die 3D-Technologie gekommen ist, um zu bleiben. Müssen wir uns also in Zukunft auch auf einen 3D-Oscar einstellen?

Die Stereoskopie – umgangssprachlich schlicht 3D genannt – befindet sich in aller Munde und zieht gleichzeitig die Frustration und das Gespött – wenn nicht sogar die Wut – der Kinogänger auf sich. Die 3D-Filme, die bislang aus Hollywood exportiert wurden, schafften es nur in den seltensten Fällen durch Tiefgang und cleveren Einsatz der 3D-Technik zu überzeugen, glänzten stattdessen mit Preisaufschlägen, Kopfschmerzen, plastischer Eindimensionalität und Brillenkoller. Tatsächlich können technisch bemerkenswerte 3D-Filme an einer Hand abgezählt werden: Avatar – Aufbruch nach Pandora, Resident Evil: Afterlife und mit einem zugedrückten Auge – weil konvertiert – Die Chroniken von Narnia 3: Die Reise auf der Morgenröte. Eine Ausnahme bilden Animationsfilme, die immer über ein natives 3D verfügen, was aber – wie wir nur zu gut aus eigener Erfahrung wissen – kein Garant für gute oder durchdachte Tiefeneffekte darstellt. Nur wenige Filme, wie Coraline oder Drachenzähmen leicht gemacht, blieben positiv in Erinnerung.

Will the Oscar go to… 3D?
Die Frage ist legitim, schließlich werden ähnliche Bereiche wie Kamera oder VFX mit einem Oscar gewürdigt. Also warum nicht auch die Kunst der dritten Dimension, deren Know-How immerhin eine Brücke zwischen Kameramann und Digital Artist schlägt? Die Geschichte zeigt, dass bereits früher die Flexibilität der Academy vom technischen Fortschritt gefordert wurde. Mit dem Aufkommen des Farbfilms musste sich auch der Oscar plötzlich mit dem kompletten Farbspektrum auseinandersetzen, was dazu führte, dass ab 1939 Schwarzweiß- und Farbfilme getrennt nominiert und ausgezeichnet wurden. Diese Praxis hielt sich 28 Jahre, erst 1967 wurden die beiden Kamerakategorien wieder von einer einzigen Statuette repräsentiert. Seit dieser historischen Zusammenführung gewann nur noch ein einziger Schwarzweißfilm den Oscar für die beste Kamera – Schindlers Liste.

Was lernen wir daraus? 3D wird den klassischen Film längerfristig verdrängen bis neun von zehn Filme nur noch mit doppelten Kameralinsen hergestellt werden und selbst Filmemacher wie Jim Jarmusch dazu gedrängt werden, die Tiefe des Raumes zu nutzen. Während einer Übergangszeit werden beide Filmgattungen parallel existieren, was aber nur zur Überbrückung dient bis der traditionelle 2D-Film nur noch einer vernachlässigbaren Randgruppe angehört… NEIN!

Ich hoffe wir sind uns einig, dass es soweit nie kommen wird. Zumindest nicht bevor die Stereoskopie aus den Kinderschuhen entwachsen ist und sich von einschränkenden Brillen oder exorbitanten Aufpreisen verabschiedet hat. Aber vor allen Dingen nicht bevor die Qualität der Filme und der Einsatz der Technik einen Quantensprung erlebt hat. Weder Qualität noch Quantität der aktuellen 3D-Filme rechtfertigen eine eigene Oscar-Kategorie. Doch zumindest letzteres wird sich in sehr naher Zukunft ändern. 2008 wurden in Deutschland gerade mal drei 3D-Filme in einer kaum höheren Zahl von 3D-Sälen gezeigt. 2009 – im Jahr des großen Avatar – schnellte das Angebot auf elf Filme und James Cameron sorgte dafür, dass eine regelrechte Goldgräberstimmung ausbrach. Alle großen Studios und Kinoketten begannen mit der Umrüstung und mittlerweile erreichte der dadurch ausgelöste Zugzwang auch die kleineren Zweige. 2010 kamen schließlich 25 3D-Filme in die deutschen Kinos und für 2011 sind bereits jetzt – im Februar! – über 30 Kinostarts angekündigt.

Nicht ob, sondern wann
Der Wandel findet an allen Fronten statt und auch die altehrwürdigen Filmgremien dieser Welt können sich diesem nicht mehr entziehen. Bereits 2009 eröffnete mit Oben ein 3D-Film die Festival Cannes – immerhin das größte und renommierteste Filmfestival Europas. Die Berlinale beugt sich ebenfalls langsam und hat dieses Jahr erstmals drei 3D-Film im Programm. Angesicht eines solchen Drucks, wird sich auch die Academy früher oder später damit beschäftigen müssen. Aber solange Hollywood weiterhin ohne Rücksicht auf qualitative Verluste jeden Saft aus der 3D-Zitrone presst, wäre ein Oscar vergebliche Liebesmüh. Sollte wirklich ein Film erscheinen, der unsere festgefahrenen Vorstellungen und Sehgewohnheiten umkrempelt und die Technik auf ein völlig neues Niveau hievt – mit inhaltlichem Mehrwert, fern von irgendwelchen Jahrmarktspirenzien – bliebe immer noch der Academy Scientific and Technical Award. Aber, um einen solchen Film zu erschaffen, wäre ein Visionär von Nöten, der den 3D-Karren, den die Studios im Goldrausch ums schnelle Geld in den Dreck fuhren, wieder ausgräbt – am besten vom Schlage eines Stanley Kubrick oder Alfred Hitchcock. Wie, diese stehen nicht mehr zur Verfügung, nur Robert Zemeckis oder James Cameron? Die Sache mit dem 3D-Oscar hat sich wohl gerade von alleine erledigt…

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