Cannes 2009: Michael Haneke und das deutsche Wesen

22.05.2009 - 08:55 Uhr
Das weisse Band
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Mit seinem neuen Film Das weisse Band erntet der Österreicher Beifall in Cannes und zeigt, dass deutsche Geschichte egal aus welcher Zeit überaus spannend und interessant in Szene gesetzt werden kann.

In Cannes regiert derzeit das Böse, sei es in Gestalt von Nazi-Schergen in Inglourious Basterds oder von Vampiren in Durst, als Schock-Phantasien im Werk von Lars von Trier, sei es im Gefängnis (Ein Prophet) oder auf der Straße (Kinatay). Das Böse mit all seinen Auswirkungen, das sich in Gewalt und Brutalität seinen Weg bannt, hat auf dem Filmfestival Hochkonjunktur. Der Österreicher Michael Haneke macht da keine Ausnahme.

Er hat seinen neuen Film Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte vorgestellt. Erzählt wird von einem kleinen gesellschaftlichem Mikrokosmos, einem Dorf im protestantischen Norden Deutschlands. Die Geschichte spielt um 1913/1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Erzählt wird von einem Dorflehrer, der den Schul- und Kirchenchor leitet, von seinen kindlichen und jugendlichen Sänger und deren Familien, von Gutsherr, Pfarrer, Gutsverwalter, Hebamme, Arzt, Bauern – ein Querschnitt eben. Seltsame Unfälle passieren und nehmen nach und nach den Charakter ritueller Bestrafungen an. Wer steckt dahinter? Zwar sind die Kritiker überaus angetan von dem Film in Schwarz-Weiß, seiner Kamera- und Schauspielführung, aber ganz überzeugt hat der Film nicht.

Besonders positiv wird die Geschichte aufgenommen, die vom protestantischen Terror erzählt, wie Rüdiger Suchsland auf telepolis schreibt. “Mit hoher historischer Genauigkeit hat Haneke einen Film über die autoritäre Gesellschaft gemacht. Es ist eine Welt, wie sie – für die Stadt und für andere Klassen – Schnitzler, Thomas Mann, Bernhard von Brentano und viele andere beschrieben haben, nur noch etwas strenger und repressiver, denn die Verhältnisse sind halt weniger gebildet.” Auch Anke Westphal in der Berliner Zeitung sah einen sehr ernsthaften Versuch, etwas über das deutsche Wesen zu erzählen und das in einer angemessen klaren Form. “Michael Haneke entwirft weniger das Bild einer Gemeinschaft als das eines geschlossenen autoritären Systems, das auf der Grundlage permanenter Strafandrohung beruht. [Der Regisseur] macht quälend deutlich, wohin eine solche Erziehung führt, wenn sie nicht von Liebe getragen ist und auch nicht auf Herzensbildung aus ist – sie führt zu Böswilligkeit, Neid, Stumpfsinn und Apathie. Sie bereitet den Faschismus vor.” Michael Sennhauser ist sich auf seinem Blog noch nicht ganz klar darüber, ob das nun ein beeindruckend kontrollierter Film ist, oder ein ganz grosses Meisterwerk.

Dagegen hätten andere Kritiker mehr erwartet. Tobias Kniebe in der Süddeutschen Zeitung ist der Geschichte gern gefolgt und “hofft die ganze Zeit, die vielen bösen Miniaturen mögen sich zu einem zwingenden Thema verdichten. Aber das passiert nie, und am Ende fallen die Einzelteile, die auch in der Tonalität wild zwischen Vorkriegspathos, Bierbichler-Grummelei und Rückfällen ins Psychodrama der Gegenwart schwanken, recht folgenlos auseinander.” Das liegt an der Art der Inszeniert, denn das Allerwenigste wird hier ausagiert – um so mehr angedeutet, als Symptom beschrieben, entdeckt Dominik Kamalzadeh im Standard. “Michael Haneke inszeniert mit einer gravitätischen Strenge, er findet Bilder, in denen Figuren wie hinter Glas agieren, oft in gespenstischer Stille. Stilistisch schließt der Film an eine Tradition von Literaturverfilmung an (das Buch ist jedoch von Michael Haneke selbst), als gelte es, diese Form nochmals zu radikalisieren. Das wirkt bei aller Präzision und Raffinesse oft auch ein wenig museal.”

Der Film Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte kommt am 12. November 2009 in unsere Kinos. Dann könnt Ihr Euch selbst ein Bild machen.

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