Fünf Minuten von Daredevil: Born Again schwebe ich im siebenten Himmel. Fünf Minuten Glückseligkeit sind mir als Fan von Netflix' Daredevil-Serie vergönnt. Dann schlägt der Teufel härter zu als je zuvor und ich stürze zusammen mit Matt Murdock in einen emotionalen Abgrund. (Achtung, es folgen Spoiler zu Folge 1).
Daredevil: Born Again nimmt mir das, was ich am meisten an der Netflix-Serie liebte
Endlich zurück in New York, in Hell's Kitchen. Es mögen sechs Jahre seit dem Ende der dritten Staffel Daredevil vergangen sein, aber wenn Matt Murdock (Charlie Cox), Foggy Nelson (Elden Henson) und Karen Page (Deborah Ann Woll) ihre kleine Kanzlei verlassen, um im nächtlichen Neonlicht ihrer Stammbar Josie's einen Besuch abzustatten, ist eigentlich alles beim Alten. Und das fühlt sich gut an.
Daredevil: Born Again braucht nur wenige Minuten, um mich daran zu erinnern, warum ich die Netflix-Serie Daredevil so geliebt habe. Dass die Serie düster, bodenständig und schonungslosen Kämpfen daherkommt, mag ein großer Faktor sein. An allererster Stelle standen für mich allerdings immer die Figurenbeziehungen, insbesondere die Freundschaft von Foggy und Matt. Diese Beziehung endet in Born Again mit einem gezielten Schuss. Denn die Kugel von Bullseye (Wilson Bethel) durchschlägt nicht nur Foggys Brust, sondern auch meine.
Das Ende von Fanliebling Franklin Nelson inszeniert die Daredevil-Rückkehr mit einer virtuosen Plansequenz. Nach Fluren, Treppenhäusern und Gefängnissen darf Matt sich in Born Again nun bis auf ein Häuserdach vorkämpfen. Der Wechsel zwischen dem Straßenblick, wo Foggy langsam ausblutet, und dem Dächerduell, wo Daredevil und Bullseye aufeinander eindreschen, flutet mich mit Adrenalin. Noch eindringlicher hämmert jedoch der Herzrhythmus, der als grausamer Soundtrack über allem liegt ... und schließlich aufhört. Foggy ist tot. Ich könnte nicht mehr am Boden zerstört sein, wenn ich neben seinem Mörder auf die Straße gekracht wäre.
Foggy und Matt waren immer das Herz der Daredevil-Serie, und jetzt?
Ich hatte vor dem Start von Daredevil: Born Again bereits Fantheorien gelesen, die Foggys Tod vorhersagten, und versuchte, mich mental auf diese Möglichkeit vorzubereiten. Ich habe die erste Folge inzwischen mehrfach geschaut, um so irgendwie den Serienschock zu verarbeiten. Einfacher wird es dadurch allerdings nicht. Und das ist gut. Schlimmer wäre nur gewesen, wenn Matt die Trauerkarte zu Foggys Beerdigung ein Jahr später schon in den Müll geworfen hätte.
Es hat einen Grund, warum Folge 10 von Staffel 1 ("Nelson v. Murdock") meine Daredevil-Lieblingsepisode markiert. Darin findet Foggy heraus, dass sein blinder Kumpel und Kanzleipartner in Wahrheit Daredevil ist. In der emotionalen Folge droht die Freundschaft zu zerbrechen, weil die Lügen der Gegenwart die herzerwärmenden Flashback-Anfänge der "Avocados at Law" übermannen. Letztendlich bleibt der unerschütterlich gutherzige Foggy, den Elden Henson mit hinreißender Nicecore-Energie spielt, natürlich an Matts Seite.
Dass Matt nicht die Finger von seinem Alter Ego Daredevil lassen kann und Foggy legale Wege der Selbstjustiz vorzieht, bleibt ein ständiger Streitpunkt zwischen den zwei Anwaltspartnern. Nur weil das ihr Verhältnis verkompliziert, ist die Freundschaft dadurch aber nicht weniger innig. Selbst wenn Matt Murdock immer wieder mit der Gefahr seiner zweiten Identität für seine Vertrauten hadert (z.B. die ganze dritte Staffel lang), erden seine menschlichen Beziehungen Daredevil – als Superhelden und als Serie. Denn ohne den emotionalen Unterbau würde jeder noch so spektakuläre Kampf schnell wieder verhallen.
Foggys Tod in Daredevil: Born Again verhallt nicht so schnell. Nicht, wenn Matt und Karen gerade noch liebevoll über die belauschten Flirtversuche ihres Freundes gelästert haben. Nicht, wenn Daredevil Foggys Mörder Ben Pointdexter anschließend vom Dach schubst und damit seine ultimative Regel bricht, nie zu töten. Denn obwohl Bullseye überlebt, konnte Matt das nicht kommen sehen. Foggy geht somit als Person, aber bleibt als spürbare Leerstelle – hoffentlich auch über Staffel 1 der neuen Serie hinaus. Oder wie schon MCU-Nachbar WandaVision bei Disney+ es so schön auf den Punkt brachte: "Was ist Trauer, wenn nicht Liebe, die überdauert?"
Daredevil: Born Again weiß, wo die Schläge am meisten wehtun
Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich krampfhaft Ausflüchte suche, wie Foggy doch noch von den Toten auferstehen kann. Schließlich hat die Figur in den Comics einmal ihren Tod vorgetäuscht . Immerhin hat Regisseur Justin Benson mir persönlich im Interview eine "überraschende" zweite Staffel versprochen. Und Marvel-TV-Chef Brad Winderbaum teast sogar schon Elden Hensons Rückkehr in kommenden Folgen. Aber all das lässt sich mit Wunschdenken und Flashbacks leichter erklären als durch eine Täuschung von Matts Supergehör, wenn der Herzschlag seines Freundes endet und eine Beerdigung stattgefunden hat.
Daredevil: Born Again und Foggys Tod im Podcast-Review
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Ich muss mich also mit dem Gedanken arrangieren, dass Foggy wirklich tot ist. So weh das auch tut, zeigt es mir trotz allem, dass die neue Serie Daredevil: Born Again die Substanz ihres Helden verstanden hat. Wenn Charlie Cox seine Fans damit beruhigt, dass die Rückkehr bei Disney+ "genauso stark und düster" wie zuvor daherkommt, dann gehören dazu äußere genauso wie innere Verletzungen.
Zum Glück bleibt Daredevil in Born Again eine charaktergetriebene Serie. Selbst wenn die Charaktere, die die Erzählung emotional vorwärts peitschen, das aus dem Grab heraus tun. Foggy wird mir in Zukunft schrecklich fehlen. Dass Karen als Freundin weiterhin lebt (und nicht ewig in San Francisco bleiben wird), ist zumindest ein kleiner Trost für die Rückkehr dieses wichtigen Serien-Standbeins.
Ein gebrochenes Herz ist mir allemal lieber als die Alternative: Dass Daredevil bei seiner Serien-Rückkehr unfähig gewesen wäre, mich wieder zu packen. Der innere Aufruhr, den die ersten 15 Minuten in mir auslösen, versprechen aber alles andere als Teilnahmslosigkeit. Und ich bin bereit, meine Trauerarbeit in den nächsten Wochen an Matts Seite in Angriff zu nehmen.