Die Flucht vor der Realität hat sich der dreifach oscarprämierte Regisseur Steven Spielberg als Thema seines neuen Films Ready Player One gewählt und dabei den Nerv der Zeit getroffen. Nahezu täglich flüchten Menschen vor ihrer eigenen Realität. Ob durch Kopfhörer, um den Lärm auf dem täglichen Weg zur Arbeit in der U-Bahn auszuschalten, durch Streaming-Dienste wie Netflix, mit denen sie entweder ins Berlin von 2035 oder 1956 flüchten, oder eben durch die neu aufstrebende VR-Technik, mit der sie direkt in virtuelle Welten eintauchen.
Genau hier setzt Steven Spielberg mit seinem neusten Science-Fiction-Film Ready Player One ein, der damit den gleichnamigen Debütroman von Ernest Cline verfilmt. Im Jahr 2045 ist die Erde nämlich nicht mehr das, was sie einmal war, sondern eine heruntergekommene Welt, in der die Mehrheit der Menschen in Slums lebt. Deshalb flüchten sie tagtäglich in die von James Halliday (Mark Rylance) erschaffene virtuelle Welt namens OASIS. Dort gehen die Menschen zur Schule, arbeiten und, was am wichtigsten ist, können sein, wer oder was sie wollen. Mit Ready Player One kehrt Steven Spielberg zurück zu seinen Wurzeln und genau deshalb ist der abenteuerliche Ritt auf der Nostalgie-Welle der interessanteste Film des Regisseurs seit langem.
Mit Ready Player One kehrt Spielberg zum Abenteuer-Genre zurück
Nicht nur die Flucht vor der Realität, sondern auch die Flucht in eine andere Zeit liegt im Trend. Vor allem die Nostalgie-Welle der 80er und 90er Jahre gewann durch Filme und Serien wie Es, Stranger Things und Everything Sucks! immer mehr Aufwind. Das wird in Ready Player One ebenso zum zentralen Thema, denn Halliday kreierte seine OASIS und packte sie voll mit Easter Eggs aus Filmen, Büchern und Videospielen aus vergangenen Zeiten. So fährt Wades Avatar Parzival in einem DeLorean vorbei an King Kong, taucht zwischendurch in die Welt von Stanley Kubricks Shining ein und gewinnt seinen letzten Schlüssel durch eine Partie des Atari-Spiels Adventure.
Doch nicht nur Wade (Tye Sheridan) reist durch die OASIS zurück in die Vergangenheit, auch Steven Spielberg erinnert sich durch Ready Player One an seine Filme aus den 80er Jahren, die ihn so populär gemacht haben. Mit Filmen wie Die Goonies, E.T. - Der Außerirdische und nicht zuletzt Jäger des verlorenen Schatzes begann er damals eine neue Ära des Abenteuerfilms. Nachdem er sich in den letzten Jahren vor allem oscaraffinen Werke nach wahren Begebenheiten wie die Die Verlegerin, Bridge of Spies und Lincoln gewidmet hat, kommt bei Ready Player One Spielbergs eigener Nerd erneut zum Vorschein. Schließlich ist Spielberg selbst ein leidenschaftlicher Videospieler, war er doch schon immer von Arcade-Games wie Space Invaders und Missile Command fasziniert und sammelte sogar Arcade-Automaten in seinem Büro (via Slash Film ).
Wahrscheinlich hat mich Ready Player One deshalb so begeistert. Als Fan von Spielbergs Filmen aus den 80er und 90er Jahren - mit Hook, E.T., Jurassic Park und der Indiana Jones-Reihe bin ich aufgewachsen. Mit den Filmen, die er in den letzten Jahren drehte, konnte er mich nicht wirklich abholen. Ready Player One hingegen schafft es, meine Faszination für Spielbergs Filme wiederzuentdecken und weckt in mir die Lust, mir seine alten Abenteuerfilme erneut anzuschauen.
Die Nähe zur Realität und die Botschaft machen Ready Player One besonders
Achtung, es folgen Spoiler zu Ready Player One: Gleichzeitig ist Ready Player One, sowohl der 2011 erschienene Roman als auch die filmische Adaption, so spannend, da er sehr nah an unserer heutigen Realität ist. Die VR-Technik erlebt mittlerweile immer mehr Aufschwung und erleichtert ihren Benutzern die Flucht aus der Realität. Auch die OASIS ist in Ready Player One nichts anderes als das. Die Menschheit will sich nicht mehr in ihrer Wirklichkeit aufhalten und flüchtet in eine andere, bessere Welt. Protagonist Wade hat seine Eltern verloren und nutzt die OASIS, um nicht allein zu sein. Samantha (Olivia Cooke) fühlt sich wegen einem Geburtsmal nicht wohl in ihrer Haut und nutzt die virtuelle Welt, um anders auszusehen. Halliday wiederum half seine Schöpfung, Selbstvertrauen zu erlangen.
Genau diesen Zwiespalt erforscht Ready Player One. Wade weiß zu schätzen, was ihm die OASIS geboten hat. In der virtuellen Welt fand er in Aech, Sho und Daito nicht nur wahre Freunde, sondern in Art3mis auch seine erste große Liebe. Zeitgleich ist ihm aber auch bewusst, was für Gefahren eine solche Flucht vor der Realität mit sich bringen kann. Durch Schöpfer Halliday hat Wade während seiner Suche nach dessen verstecktem Easter Egg die eigentliche Botschaft des verstorbenen Entwicklers herausgefunden, die uns Cline und Spielberg mit ihren Werken offenbaren wollen: Der Eskapismus in eine virtuelle Realität kann die wahre Nähe zu unseren Mitmenschen nicht ersetzen. Ready Player One ist daher eher eine Warnung, die Verbindung zu echten Menschen nicht zu verlieren.
Nachdem Wade also das Easter Egg von Halliday gefunden hat, ist es genau diese Message, die er in seiner ersten Amtshandlung über die OASIS umsetzt. Zwei Tage in der Woche wird die OASIS geschlossen, damit sich die Menschen wieder in der echten Welt aufhalten und sich auf die wahre Realität konzentrieren können.
Wie habt ihr Ready Player One im Kino erlebt?