Deadpool und sein Einfluss auf kommende Blockbuster

06.03.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Deadpool, ein gewalt(tät)iger Erfolg
20th Century Fox
Deadpool, ein gewalt(tät)iger Erfolg
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Deadpool dürfte in Kürze der umsatzstärkste R-Rated-Film der Kinogeschichte sein. Unstrittig ist, dass dieser Erfolg mit der hohen Altersfreigabe zusammenhängt. Fraglich hingegen, ob andere Produktionen mitziehen werden.

Man kann an Deadpool sicherlich einiges uninteressant finden (den Film selbst zum Beispiel), aber an seinem Erfolg scheint ein Vorbeikommen nicht möglich. Knapp 630 Millionen Dollar hat die vor gerade einmal drei Wochen gestartete Comicverfilmung bereits eingespielt, davon die Hälfte in den USA. Bemerkenswert ist das aus einer Vielzahl an Gründen. Deadpool gilt nicht als Super-, sondern Antiheld, der trotz seiner Popularität unter Comicfans eine beim breiten Publikum bisher deutlich weniger bekannte Figur war als andere Marvel-Charaktere. Der Film ist keine Produktion der offenbar automatisch erfolgreichen Marvel Studios (vertrieben wird er stattdessen von 20th Century Fox), und sein Budget von schätzungsweise 58 Millionen Dollar beträgt nur gut ein Fünftel dessen, was sich Disney zuletzt etwa The Avengers 2: Age of Ultron kosten ließ.

Den wesentlichsten Unterschied zu anderen Comicverfilmungen bildet allerdings die Entscheidung der Produzenten, Deadpool mit einem kommerziell weniger lukrativen R-Rating ins Kino zu bringen. Die höhere Altersfreigabe schließt – jedenfalls theoretisch – einen beträchtlichen Teil des (vornehmlich jungen Ziel-)Publikums aus und macht Einspielergebnisse, wie sie Filme mit einer PG-13-Freigabe in Milliardenhöhe erzielen, erst einmal sehr unwahrscheinlich. Jugendlichen unter 17 Jahren ist es demnach nicht gestattet, Rated-R-Filme ohne Begleitung einer erwachsenen Person zu sehen (R steht dabei für restricted, also eingeschränkt), und eine in den USA sehr bekannte Infografik der MPAA , dem Altersfreigaben festsetzenden Verband der amerikanischen Filmlobby, empfiehlt Eltern ausdrücklich, sich über das entsprechende Unterhaltungsangebot zu informieren.

Sehen Abspannsitzenbleiber in Blockbustern eher selten: Den R-Rating-Hinweis der MPAA.

Wie sehr der finanzielle Erfolg eines Films von dieser kleinen Differenz abhängig sein kann, zeigt der Blick auf die (nicht-inflationsbereinigte) Liste der erfolgreichsten Filme  an den amerikanischen Kinokassen. Erst an 28. Stelle steht dort mit Die Passion Christi eine Rated-R-Produktion, die trotz profitabler Ergebnisse immer noch 550 Millionen Dollar Einspiel vom Spitzenreiter Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht trennen (Tendenz steigend). In der Top 100 der international erfolgreichsten Filme  findet sich mit Matrix Reloaded – recht abgeschlagen auf Platz 70 – sogar nur ein einziger Blockbuster, bei dem das R-Rating einen weltweiten Hit nicht zu vereiteln wusste. Erstaunlich ist lediglich, dass die ranghöchsten Titel allesamt eine PG-13- und nicht etwa G- oder PG-Freigabe haben, die hierzulande vergleichbar mit den Einstufungen "ohne Altersbeschränkung" und "frei ab 6" wären.

Die Einspielergebnisse eines Rated-R-Blockbusters wie Deadpool sind also ebenso wenig selbstverständlich wie der Entschluss, ihn überhaupt mit einer eingeschränkten Freigabe zu veröffentlichen. Und das scheinen die Kinozuschauer an diesem Film besonders zu schätzen. Sein "politisch unkorrekter" Protagonist ist ein Gegenentwurf zu moralischen oder Moralität verhandelnden Superhelden, aber zugleich auch ein unmissverständliches Rädchen im Marvel-Getriebe, mit dessen publikumswirksamen Cross-Over-Strukturen er problemlos vereinbar wäre (ihren ersten Kinoauftritt hatte die von Ryan Reynolds gespielte Figur schließlich in X-Men Origins: Wolverine). Anders als bisherige Rated-R-Kinoadaptionen bekannter Marvel-Protagonisten – die sich auf die profitable, aber nicht übermäßig erfolgreiche Blade-Trilogie und drei gefloppte Verfilmungen des Punishers beschränken – sind Deadpool und Marvel-Franchises miteinander kompatibel.

Ryan Reynolds in Deadpool

Paradoxerweise schlägt der Film somit Kapital aus einer Distanz zu jenem Superhelden-Mainstream, dem er selbst angehört: Seine Verkaufsargumente sind eine in sonstigen (200 und mehr Millionen Dollar teuren) Comic-Blockbustern undenkbare Brutalität sowie die in den USA automatisch höhere Freigaben provozierende Vulgärsprache. Während Tony Stark oder Captain America sich verbale Entgleisungen folglich nicht erlauben dürfen (zwei "Fucks" auf der Tonspur genügen für das R-Rating, so absurd einem das auch vorkommen mag), ist es Deadpool gestattet, nach Herzenslust zu fluchen. Und wo in den klinischen Zerstörungsorgien von Thor oder Hulk keinesfalls die von ihnen produzierte Gewalt konkret sichtbar gemacht werden darf, bekämpft Deadpool seine Gegner im Selbstbespaßungsmodus mit lustvoll ausgestellten (wenn auch dezidiert comichaften) Härten.

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