Der beste Katastrophenfilm des Jahres: The Lost Bus mit Matthew McConaughey ist eine Wucht

01.10.2025 - 21:04 UhrVor 5 Stunden aktualisiert
The Lost Bus
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Mit dem Katastrophenfilm The Lost Bus erzählt Regisseur Paul Greengrass die Geschichte des verheerendsten Waldbrands in den USA – und bringt Matthew McConaughey vor die Kamera zurück.

In den 2010er Jahren war er kaum von der großen Leinwand wegzudenken: Matthew McConaughey spielte in Mega-Blockbustern und Oscar-Filmen mit und wurde dank True Detective kurzzeitig sogar zum König des Prestige-Fernsehens ernannt. Genauso schnell, wie sie gekommen war, endete die McConaissance wieder. The Gentlemen kam 2019 vorerst als letzter Film des Hollywood-Stars ins Kino.

Umso gespannter blickte die Filmwelt seinem Comeback-Film entgegen. Wenngleich McConaughey in den vergangenen Jahren diverse Sprechrollen und Cameos absolviert hat, stellt The Lost Bus seine erste Hauptrolle seit sechs Jahren dar. Der auf wahren Begebenheiten basierende Katastrophenfilm erzählt jedoch eine weitere Comeback-Geschichte, nämlich die von Regisseur Paul Greengrass.

The Lost Bus ist der beste Paul Greengrass-Film seit Jahren

Greengrass feierte Anfang der 2000er Jahre mit dem halbdokumentarischen Drama Bloody Sunday seinen Durchbruch und machte sich später durch die Bourne-Filme einen Namen. Verwackelte Kameras sind sein Markenzeichen. Vor allem aber ist Greengrass jemand, der uns binnen weniger Sekunden mitten in eine Situation hineinkatapultiert und dadurch für extrem eindringliche wie unmittelbare Filmerfahrungen sorgt.

Für einen Filmemacher, der mit seinem Schaffen eine der prägendsten Veränderungen von Bildsprache im Kino maßgeblich beeinflusst hat, wurde es zuletzt überraschend ruhig um Greengrass. Jason Bourne blieb hinter den Erwartungen zurück, 22. Juli geriet trotz kontroversem Thema in Vergessenheit und Neues aus der Welt verschwand schneller im Netflix-Nirvana, als Tom Hanks die Nachrichten vorlesen konnte.

The Lost Bus erweist sich dafür als umso eindrucksvolleres Lebenszeichen. Lange wirkte Greengrass nicht mehr so bei der Sache wie bei der Verfilmung des Sachbuchs Paradise: One Town’s Struggle to Survive an American Wildfire von Lizzie Johnson, das sich mit dem Camp Fire beschäftigt. Es handelt sich um den verheerendsten Waldbrand in der Geschichte der USA. 85 Menschen starben, 62.000 Hektar Land wurden zerstört.

Menschen und Land sind auch das, was Greengrass am meisten interessiert. Gleich zu Beginn führt er uns durch die Hügel und Täler, die sich in der Nähe der Kleinstadt Paradise befinden. Noch ahnt hier niemand, dass in wenigen Stunden der Himmel komplett von schwarzen Rauchwolken verdunkelt sein wird, doch ein Wind pfeift bereits mit bedrohlichem Heulen an Strommasten vorbei – fast wie in einem Horrorfilm.

Greengrass versetzt uns in die Perspektive der Naturgewalt, die das Feuer mit rasender Geschwindigkeit von einem Hektar zum nächsten trägt. Erinnerungen an Der weiße Hai und Tanz der Teufel werden wach, wo uns eine entfesselte Kamera zu Kompliz:innen des drohenden Unheils macht. Schnell wird klar, dass sich diese Bewegung nicht bändigen lässt – ganz im Gegensatz zu dem Schulbus, den Matthew McConaughey steuert.

Matthew McConaughey muss eine Schulklasse retten

In The Lost Bus verkörpert er den Busfahrer Kevin McKay, dessen Familie zerbricht. Seine Mutter Sherry (Kay McConaughey) ist an Krebs erkrankt, mit seinem Sohn Shaun (Levi McConaughey) hat er sich zerstritten, obwohl er eigentlich nur will, dass dieser seine Fehler nicht wiederholt – allen voran den Schulabbruch. Denn den macht Kevin dafür verantwortlich, dass er es nicht mehr als zum Busfahrer gebracht hat.

Greengrass und Co-Autor Brad Ingelsby (Mare of Easttown) skizzieren mit präzisen Gesten eine US-amerikanische Randexistenz, bevor McConaugheys Figur zum Zentrum des Überlebenskampfes wird: Kevin ist der einzige Fahrer, der noch in Reichweite ist, um die 22-köpfige Klasse der Grundschullehrerin Mary Ludwig (America Ferrera) zu evakuieren. Das hier ist aber keine einfache Heldengeschichte.

Den leeren Pathos anderer Katastrophenfilme im Blockbuster-Gewand sucht man in The Lost Bus vergebens. Greengrass bleibt seinen Wurzeln treu und greift intensiv auf Handkameraaufnahmen mit dokumentarischem Charakter zurück, die schon seine starke 9/11-Auseinandersetzung Flug 93 in ein nervenaufreibendes Kammerspiel verwandelt haben. Das lässt auch The Lost Bus sehr authentisch wirken.

Gleichzeitig zieht es Greengrass von den Kontrollräumen und Außenstellen der Feuerwehr, wo er aufmerksam die Arbeit der Professionals beobachtet, in das tosende Inferno. Hier, in diesem apokalyptischen Bilderreigen aus allen erdenklichen Braun- und Orangetönen, werden die Richtlinien und Protokolle auf den Prüfstand gestellt. Für alles gibt es einen Notfallplan, doch was passiert, wenn der nicht mehr funktioniert?

Mit Kevin und Mary treffen zwei verschiedene Mentalitäten zwischen Bauchgefühl und Analyse im Überlebenskampf aufeinander, die sich vor den ängstlichen Blicken der Kinder verkanten. Beide Erwachsene wissen, dass sie "das Erwachsene" tun müssen und auf keinen Fall die Panik übernehmen lassen dürfen. Ihr härtester Gegner ist die Ausweglosigkeit, die Greengrass mit maximalem Effekt in Szene setzt.

The Lost Bus entführt ins Herz eines tosenden Infernos

Mitunter vergisst man, dass dieser Film am helllichten Tag spielt, so tief irren wir mit den Figuren durch das klaustrophobische Flammenlabyrinth, in dem es überall lodert und knackt. Befestigte Straßen lösen sich vor unseren Augen auf, während sich der Bus seinen Weg durch vage Silhouetten am Ende der Welt bahnt. Dichter Rauch, tosender Wind und Schweißperlen auf der Stirn – Greengrass macht alles erfahrbar.

Und dann sind sie endgültig verschwunden, die letzten Sonnenstrahlen. Die Hoffnung erstickt. The Lost Bus führt uns glaubhaft bis an den niederschmetternden Punkt, den in dieser Intensität nur die besten Katastrophenfilme erreichen: Der Moment, wenn die Figuren sich eingestehen müssen, dass sie am Ende ihrer Kräfte angekommen sind, ob sie nun alle Regeln befolgt haben oder nicht. Das Feuer ist zu mächtig.

The Lost Bus macht den Konflikt zwischen Aufgeben und Weiterkämpfen so greifbar wie das Steuer, das Kevin mehrmals energisch herumreißt – im Glauben, dass ihm die Werkzeuge, die er zur Verfügung hat, noch ein paar mehr Meter schenken. Er ist ein Arbeiter, der wagemutig improvisiert und trotzdem versucht, Vertrauen zu schaffen, obwohl die Situation von Sekunde zu Sekunde aussichtsloser wird.

Nach dieser gründlichen, geradezu zermürbenden Vorarbeit, lässt Greengrass im Finale doch noch ein Stück Pathos zu – aber eben keinen leeren, sondern einen Pathos, der mit solcher Wucht daherkommt, dass er sich wie ein überlebensgroßer Befreiungsschlag anfühlt, den (sich) nur das Kino leisten kann. Umso mehr schmerzt es, dass The Lost Bus hierzulande direkt ins Streaming und nicht auf die große Leinwand kommt.

The Lost Bus erscheint am 3. Oktober 2025 bei Apple TV+ im Streaming-Abo.

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