Ein Blick auf das Poster des anstehenden Sat1 TV-Events reicht für ein qualvolles, nahezu verzweifeltes inneres Warum. Ein Western aus Deutschland und dann auch noch im TV-Format? Will Sat1 seine Zuschauer quälen und einmal mehr beweisen, wie dämlich sich unsere Nation dabei anstellt, Genrefilme zu drehen? Nicht ganz.
Der deutsche Westernheld ist eine Frau
Bevor wir uns darüber echauffieren, wie unheimlich peinlich es doch sei, einen deutschen Fernsehfilm über den amerikanischen wilden Westen des 19. Jahrhunderts zu drehen, lohnt es sich das Kleingedruckte, in diesem Fall die Inhaltsangabe zu lesen. Die nämlich offenbart, dass es sich bei In einem wilden Land nicht nur um eine deutsche, sondern auch um eine wahre Geschichte handelt, nämlich um jene preußischer Emigranten in Nordamerika. Von den Texanern beschissen, sehen sich die Deutschen hier zähnefletschenden und Tomahawk-schwingenden Indianern gegenüber, die keinen Bock auf noch mehr Bleichgesichter in ihrem Territorium haben. Weil sich das für einen breitenwirksamen Film aber so gehört, gibt es dazu natürlich noch die eine oder andere Liebesgeschichte und weil sich das wiederum für den Western so gehört, muss dabei ein weibliches Bleichgesicht von einer Rothaut gekidnappt werden. Auf einer Westernskala von Brokeback Mountain bis The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz befindet sich In einem fernen Land definitiv in der Nähe des erstgenannten Extrems. Wie wir es vom familienfreundlichen Privatsender Sat1 gewöhnt sind, ist auch dieser Film eher was für Muttis Herz als für Vatis Testosteron.
Aber nicht nur sentimentale Duselmusik, die großzügig aus den Blockbustern der letzten zehn Jahre zusammengeklaut ist, nimmt die weibliche Zielgruppe ins Visier, sondern auch die Tatsache, dass es sich bei der Hauptfigur Mila (Emilia Schüle) um eine Frau handelt. Vielleicht ist das der Deutschen ganz eigener Western-Stil, dem dann auch Thomas Arslans Gold zuzuordnen wäre, auch wenn der Berliner Schule Regisseur bestimmt nicht erfreut sein wird, sich eine Schublade mit In einem wilden Land zu teilen. Die Gemeinsamkeiten sind zugegebener Maßen sehr begrenzt! Wahrscheinlicher ist daher, dass die Handlung nicht typisch deutsch, sondern typisch amerikanisch ist. Tatsächlich entspricht In einem wilden Land zu großen Teilen dem ältesten US-amerikanischen Prosagenre: der Captivity-Narrative. Die traditionellen Erzählungen über das Schicksal indianischer Gefangenschaft stammen in der Regel von Frauen (die bekannteste ist Mary Rowlandson) und oft spielt die christliche Religion und das Festhalten an jener eine dominante Rolle für den Überlebenskampf. So ließe sich auch die höchst merkwürdige Funktion des Gebets in In einem wilden Land erklären.