Die Passion ist die albtraumhafte Zukunft von Trash-TV – und wir sind schuld daran

14.04.2022 - 17:31 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
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Die Passion vereinte Deutschland fassungslos vor dem Fernseher. Doch RTLs showgewordener Albtraum sollte nie ernstgenommen werden – und ist damit die nächste Entwicklungsstufe von Trash-TV.

Ostern ist eine Zeit der Besinnung. Besinnung auf plüschige Osterhasen und dringend notwendige Tage, an denen man ausnahmsweise mal nicht arbeiten muss. Aber auch auf einen stark blutenden Mann mit Dornenkrone, der am Kreuz für all unsere Sünden gestorben sein soll: Jesus Christus. Gottes Sohn und unfreiwilliger Protagonist der schlimmsten Fernseh-Show seit Menschengedenken.

Am 13. April 2022 strahlte RTL mit Die Passion ein Event aus, in dem Jesus erneut stirbt und wiederaufersteht. Der Messias (Alexander Klaws) sang, weinte und "schauspielerte" sich mit Currywurst in der Hand durch die wohlbekannte Leidensgeschichte. Nur eben nicht in einem kleinen Ort bei Jerusalem, sondern in der Essener Innenstadt. Umringt von biblischen Figuren, die sich aus den bizarrsten Gesichtern der deutschen Fernsehlandschaft zusammensetzten – und Katy Karrenbauer.

Hinter dieser einmalig absurden RTL-Show könnte allerdings ein größerer Plan stecken.

Trotz vernichtender Reaktionen bei Twitter: Die Passion ist für RTL ein voller Erfolg

Auf der einen Seite scheinen sich Internet und Zuschauende im Generellen einig: RTLs Versuch, den Leidensweg von Jesus in ein Musical aus Cringe-Overkill und Tokio Hotel-Coversongs zu verwandeln, ist eine nie dagewesene Fremdscham-Katastrophe.

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Auf der anderen Seite vermeldet der Sender am Tag danach stolz: 2,91 Millionen Menschen haben das Spektakel live vor dem Bildschirm verfolgt. Laut RTL wurde am 14. April lediglich die Tagesschau von mehr Menschen gesehen. Ein voller Erfolg also. Was beweist: Um mit einem Großevent wie diesem Geld zu verdienen, geht es RTL vor allem um hohe Einschaltquoten und jede Menge Aufmerksamkeit, die sich in Werbeeinnahmen umlegen lässt. Und dabei ist total egal, ob Twitter und das deutsche Feuilleton die Sendung in der Luft zerreißen.

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Die Passion ist kein Trash-TV, sondern Troll-TV

Die Zukunft des Fernsehens und der ganz großen Primetime-Shows ist also nicht, noch mehr menschenfeindliche Formate wie das Dschungelcamp zu entwickeln und darauf zu hoffen, dass immer neue, immer gleich aussehende Reality-TV-Kandidat:innen den Sender weiter am Leben halten. Trash-TV läuft sich seit Jahren tot, egal wie verzweifelt es den Zuschauenden zuzwinkert und sagt: "Guckt mal, wir wissen auch, wie scheiße das gerade ist!"

Nein, die nächste Entwicklungsstufe des Formats, das genussvoll auseinandergenommen werden kann, ist Troll-TV. Sendungen, die einen dazu herausfordern, sie zu hassen. Weil sie genau davon profitieren. Wie zum Beispiel die Neuerzählung von der Kreuzigung Jesu, bei der ausrangierte DSDS-Teilnehmende und Soap-Darsteller:innen sich durch über zwei Stunden wohlkuratiertes Meme-Material trällern, während das Internet einen kollektiven Nervenzusammenbruch erleidet.

Die Passion war übrigens so ein großer Erfolg, dass sie uns auch 2023 heimsuchen soll, wie RTL verkündete. Auch wenn fraglich ist, wer dann auf der Bühne stehen soll. Schließlich wurden alle deutschen TV-Promis mit unterdurchschnittlichem Maß an Selbstachtung schon in diesem Jahr verbraten. Wer die Schuld daran trägt ist offensichtlich: Jede Person, die eingeschaltet hat. Wir.

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