Die Rückkehr der erwachsenen Kinozuschauer

18.04.2011 - 08:50 Uhr
Robert De Niro und Bradley Cooper in Ohne Limit
Relativity Media
Robert De Niro und Bradley Cooper in Ohne Limit
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Der Untergang des Hollywood-Kinos wird gern und häufig prognostiziert. Doch einen Lichtblick am Horizont gibt es trotzdem: Es gibt sie wieder, die Filme, die bevorzugt Erwachsene ins Kino locken und damit erfolgreich sind.

Vor ein paar Wochen saß ich in einer regulären Abendvorstellung von The King’s Speech – Die Rede des Königs und konnte ein Phänomen miterleben, dass einige unter euch vielleicht verwundern, andere mit der Schulter zucken lässt. Der Saal war fast vollständig mit Zuschauern besetzt, die die 40, ja sogar die 50 längst überschritten haben. Ich kam mir wie damals bei einem Joe Cocker-Konzert so vor, als sei ich die Jüngste und irgendwie am falschen Ort gelandet. Der Oscar-Abräumer made in Britain ist aber nur ein Element eines Trends, der wieder etwas Optimismus ins trübe, von Sequels und Comicverfilmungen erstickte Tagesgeschäft bringt. Es ist die seit ein paar Monaten andauernde Erfolgsgeschichte von Filmen, die sich endlich wieder an Erwachsene wenden.

Zielgruppe: 14-25
Die tragische Legende, die um das New Hollywood-Kino der späten 60er und 70er gesponnen wurde, folgt einem klassischen Muster: Die Revolution frisst ihre Kinder. Die jungen Regisseure, Drehbuchautoren und Produzenten erneuerten eine dahin siechende Filmindustrie, die in den Händen eines kollabierenden Studiosystems lag, gaben gleichzeitig, neben all den revolutionären und modernen Filmen, eben jenem System eine Adrenalinspritze mitten ins Herz, von der es noch heute zehrt: den Blockbuster, Inbegriff der Formelhaftigkeit. Der weiße Hai ist ein Klassiker der Filmgeschichte. Er besiegelte jedoch zusammen mit Krieg der Sterne den Beginn der Ära der Sommersaison mitsamt ihrer gigantischen Marketingkampagnen, landesweiten Starttermine, dem Merchandising, der geringer werdenden Risikobereitschaft und – am gravierendsten – einer neuen Zielgruppe, die vorwiegend aus männlichen Jugendlichen bestand.

Diese Zielgruppe bestimmt noch heute, wie die Mainstream-Filme aus den USA auszusehen haben. Oder sagen wir: Die Studiobosse maßschneidern ihre Filme so wie sie denken, dass diese Zielgruppe sie sehen möchte. Deswegen sehen wir diesen Sommer unzählige Comicverfilmungen, Sequels und Remakes. Natürlich ist der Problemkomplex Hollywood momentan nahezu unüberschaubar. Wir befinden uns in einer Umbruchphase, die das ganze Konzept des “ins Kino gehen” in Frage stellt. Die amerikanischen Studios wissen noch immer nicht, wie sie mit Filmpiraterie, Video on Demand und Heimkinos umgehen sollen und setzen deshalb auf altbewährte Strategien. Was einen bekannten Namen hat und schon einmal erfolgreich war, kann dies wieder und wieder und wieder sein. Am besten in 3D.

Und es ward ein Flop
Wie ein lesenswerter Artikel von The Playlist herausstellt, zeigt die Methode der Studios längst Abnutzungserscheinungen. Das noch relativ junge Blockbusterjahr 2011 begann mit The Green Hornet, führte kürzlich über World Invasion: Battle Los Angeles und Sucker Punch. Sie alle waren auf die Zielgruppe der 14 bis 25 Jahre alten männlichen Bevölkerungsteile zugeschnitten und sie alle haben in den USA die kritische 100 Millionen Dollar-Marke nicht erreicht. Stattdessen heißen die Erfolgsgeschichten der amerikanischen Box Office derzeit Der Mandant, Ohne Limit und Der Plan. Sie gehören zu einer Spezies, der das baldige Aussterben oft genug vorhergesagt wurde, nämlich den Filmen mit mittelgroßen Budgets und einer Zielgruppenvorstellung, die sich dessen bewusst ist, dass Menschen jenseits der 25 tatsächlich existieren und sogar Kinotickets lösen.

Die genannten drei sind nur die aktuelle Speerspitze eines ganzen Trends. Ein Blick auf die Oscar-Filme der letzten Saison offenbart haufenweise Filme dieser Spezies, die weltweit hunderte Millionen Dollar umgesetzt haben und das, in dem sie ihre Zuschauer zur Abwechslung mal nicht wie sabbernde Opfer einer Lobotomie behandeln. Sie tragen Namen wie Black Swan, True Grit, The Town – Stadt ohne Gnade, The Social Network, The Fighter und eben The King’s Speech. In gewisser Weise bestätigen sie, was das Goldene Serienzeitalter in den USA bereits angedeutet hat. Es gibt da draußen Zuschauer für semi-anspruchsvolle Filme, für Unterhaltung, die noch kein Arthouse ist, aber trotzdem nicht dumm. Sie sind bereit, tatsächlich Eintritt zu zahlen.

Angefangen bei dem Superhelden- und Sequelüberschuss des kommenden Sommers, wird sich zeigen, ob Hollywood sein angepeiltes Publikum in den nächsten Jahren wieder erweitern muss. Momentan liegt diese ominöse Zielgruppe zumeist im toten Winkel der Studiobosse. Doch vielleicht läuft der Fingerzeig in die richtige Richtung gerade in einem Kino in eurer Nähe.

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