Erwartungen eines Fanboys an ... Community

24.07.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
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Auf der San Diego Comic Con traten die neuen Showrunner von Community zum ersten Mal vor die Fans und wurden mit großer Skepsis empfangen. Was bedeutet es für die Serie, dass die kommende vierte Staffel ohne den Erfinder Dan Harmon produziert wird?

Es ist zwar schon wieder seit einer guten Woche vorbei, doch in einer Kolumne, die das Wort „Fanboy“ im Titel trägt, kann ich das wohl wichtigste Fan-Event der Welt nicht vollständig ignorieren: Die San Diego Comic-Con bot auch in diesem Jahr wieder jede Menge Neuigkeiten und Gesprächsstoff für Fans aus aller Welt. Heute soll es jedoch nicht um einen der vielen kommenden Blockbuster gehen, die auf der Convention vorgestellt wurden, sondern um die unsichere Zukunft der Serie Community, deren neue Showrunner David Guarascio und Moses Port beim Comic Con-Panel zur Serie zum ersten Mal auf die Fans trafen.

Die 2009 gestartete Sitcom wurde zwar nie zum Mainstream-Erfolg, konnte sich mit ihren aufwändigen Genre-Parodien, cleveren Filmreferenzen und für eine Sitcom äußerst komplexen Charakteren und Beziehungen jedoch über drei Staffeln eine eingeschworene Fangemeinde aufbauen, deren Enthusiasmus für die Serie in der derzeitigen TV-Landschaft nahezu einzigartig ist. Die Fans stellen die besten Running Gags und nerdigsten Referenzen der Serie in tumblr-Blogs und Youtube-Videos zusammen, schreiben Fan Fiction zur Serie in der Serie Inspector Spacetime und dekonstruieren und analysieren jede neue Folge bis ins Detail. Auch, als der Sender NBC die Serie während der dritten Staffel auf unbestimmte Zeit pausierte und Gerüchte um eine drohende Absetzung laut wurden, riss die Begeisterung der Fans nicht ab. Online (#sixseasonsandamovie) und offline (in Form von Flashmobs etc.) appellierten sie an NBC (und machten die Serie neuen Zuschauern schmackhaft). Mit Erfolg: Die Einschaltquoten stiegen nach der Zwangspause – zwar nicht in Mainstream-Hit-Höhen, aber doch genug, damit NBC der Serie eine weitere Chance gab, indem sie eine, wenn auch verkürzte, vierte Staffel mit 13 neuen Folgen bestellten.

Kurz darauf gab NBC allerdings bekannt, dass die vierte Staffel ohne den Erfinder und bisherigen Showrunner Dan Harmon produziert werden wird. Die, gelinde gesagt, skeptische Reaktion der Fans muss auch für NBC vorauszusehen gewesen sein – ist der Rauswurf von Harmon also ein Signal des Senders, in Zukunft eine weniger Fanboy-, dafür aber Mainstream-freundliche Version von Community produzieren zu wollen?

One by one they all just fade away – Was den Fans sorgen macht
Schauen wir uns das Community-Panel der diesjährigen Comic-Con an, können wir mit den neuen Showrunnern David Guarascio und Moses Port fast ein wenig Mitleid bekommen: Während die Auftritte (und gefühlt jeder Satz) der Besetzung und der altgedienten Autoren Megan Ganz und Andy Bobrow mit frenetischem Applaus und Jubel quittiert werden, ist schon beim äußerst verhaltenen Pflicht-Beifall zur Begrüßung von Harmons Nachfolgern klar, dass die Fans sie als Fremdkörper wahrnehmen, als Eindringlinge in den Community-Kosmos. Die Fans lieben nicht nur Community, sie lieben auch, das wird bei den wenigen Nennungen seines Namens überdeutlich, Dan Harmon.

Dass ein Showrunner in diesem Maße Objekt des Fan-Enthusiasmus ist (oder überhaupt so „sichtbar“ ist, solchen Wiedererkennungswert hat), ist selten und hat zum einen natürlich damit zu tun, dass Harmon – über Twitter, sein Blog und seine mittlerweile auch als Podcast verfügbare Live-Show Harmontown – stets aktiv den Kontakt zu den Fans suchte. Zum anderen wissen die Fans aber eben auch, wie wichtig Harmon für den Kreativprozess der Serie war. Obwohl er nicht wie beispielsweise Louis C.K. bei Louie oder Lena Dunham bei Girls jede einzelne Folge seiner Serie selbst schrieb, war Community in gewissem Sinne doch immer eine Autorenserie. Keiner der anderen Autoren machte je einen Hehl daraus, dass das oberste Ziel stets die möglichst genaue Umsetzung von Harmons Vision war. Harmon allein entschied, in welche Richtung sich die Story und die Charaktere entwickeln sollten, jede Folge wurde einer von ihm entwickelten Kreisstruktur folgend konstruiert und er behielt sich vor, auch zu Drehbüchern der anderen Autoren die finale Fassung zu schreiben – selbst an der Komposition der Musik zur Serie war er beteiligt.

Community war für Harmon ein äußerst persönliches, teils autobiographisches Projekt – im ersten Harmontown-Podcast sagt sein Bühnenpartner Jeff Davis, jeder Charakter sei „eine Version von Harmon“ – und gerade dadurch, dass er bei der Umsetzung seiner Vision keine Kompromisse eingehen wollte, erhielt die Serie ihre Komplexität, ihren emotionalen Tiefgang und ihren oft erstaunlich düsteren Subtext. In den verhaltenen Reaktionen der Fans auf der Comic Con äußert sich nun also ihr berechtigter Zweifel daran, dass die neuen Showrunner, die bisher lediglich durch vergessenswerte Sitcoms wie Aliens in America und den unerträglichen US-Piloten der britischen Serie The IT Crowd aufgefallen sind, die Serie auf ähnlichem Niveau (oder auch nur mit derselben Leidenschaft) fortsetzen können.

Der beste Cast im Fernsehen – Warum Fans die Hoffnung dennoch nicht aufgeben wollen
Verständlicherweise hatten die neuen Showrunner auf der Comic Con – Wochen vor dem Produktionsbeginn der neuen Staffel – noch nichts greifbares vorzuweisen, um den Fans diese Bedenken zu nehmen. Doch neben den zu erwartenden Floskeln – „Wir selbst sind die größten Fans“, „Wir wollen, dass die Serie genauso eigenwillig bleibt, wie sie ist.“ – haben sie tatsächlich ein paar gute Argumente dafür, ihnen eine Chance zu geben: Zwar macht Port es sich mit der Aussage, die beiden könnten Community selbst dann nicht zerstören, wenn sie es wollten, da sie mit dem alten Team und vielen der alten Autoren zusammenarbeiten werden, etwas zu leicht (und redet damit implizit auch Harmons Rolle klein), doch etwas wahres ist durchaus dran: Auch weiterhin wird der Community-Autorenstab einige hervorragende Talente umfassen – auf das Konto der bei der Comic Con anwesenden Megan Ganz und Andy Bobrow allein gehen unter anderem die beiden großartigen Mockumentary-Folgen der Serie (Ganz) sowie die PBS-Parodie „Pillows and Blankets“ (Bobrow) – und sie schreiben für, wie Port anmerkt, „die beste Besetzung im Fernsehen“. Tatsächlich müsste man in der derzeitigen Serienlandschaft wohl lange nach einem ähnlich talentierten und gut eingespielten Cast suchen (und würde, zumindest im Comedy-Bereich höchstens bei Parks and Recreation fündig). Eine Besetzung, in der Chevy Chase der am ehesten verzichtbare Part ist, muss schon etwas besonderes sein und ist eigentlich allein Grund genug, die Serie weiterzuverfolgen.

Zugabe ohne Konsequenzen – Was Fans zu erwarten haben
Ich habe also keinen Zweifel daran, dass Community auch ohne Dan Harmon eine unterhaltsame Serie bleiben kann. Nicht einmal Dan Harmon hat Zweifel daran. Richtig ist aber, wie Harmon anmerkt, auch, dass die neuen Showrunner nicht seine Version von Community machen können und ich halte es für ziemlich sicher, dass genau das die Idee hinter der Entscheidung von NBC, Harmon nicht als Showrunner zu übernehmen, war. Die vierte Staffel ist weniger ein Vertrauensbeweis des Senders in die Serie als ein letzter Versuch, aus dem nerdigen Fanboy-Liebling einen veritablen Mainstream-Erfolg zu machen und zumindest für mich wird, selbst im Falle einer sehenswerten vierten Staffel, wohl das Gefühl bleiben, dass uns dafür eine interessantere Version von Community entgeht.

Das vielleicht größte Problem für die neuen Showrunner ist daher zugleich vielleicht der beste Trost für die alten Fans der Serie: Das bestmögliche Ende der Geschichte hat Harmon bereits erzählt. Im Finale der dritten Staffel wurde die Serie zunächst düsterer als je zuvor, bevor sie uns auf einer so sentimentalen wie optimistischen Note entließ. Die Schlussmontage zum Titelsong der Serie war nicht nur, auch und besonders im Sinne von Harmons Kreismodell, ein idealer Schlusspunkt für die Geschichte rund um die „Greendale Seven“; die Folge war mit ihrem zentralen Gedanken, dass die Protagonisten in einander bereits alles gefunden haben, was sie suchten, und es daher nebensächlich ist, was sie in Zukunft erwartet, auch (mehr oder weniger) zufällig der beste Kommentar, den Harmon zu seinem Rauswurf hätte geben können.

Ironischerweise war die drohende Absetzung also rückblickend vielleicht der größte Glücksfall für Community. Was immer uns in der nächsten Staffel erwartet: Die ersten drei Staffeln von Community bilden eine Einheit und stehen für sich als runde, abgeschlossene Geschichte. Das ist mehr, als wir von so mancher einst vielversprechenden, vom Erfolg vielleicht etwas zu sehr verwöhnten Serie behaupten kann (ja, ich schaue Richtung How I Met Your Mother) und daran kann auch die (wahrscheinlich finale) vierte Staffel nichts ändern. Und vielleicht erwartet uns mit der animierten Serie Rick & Morty ja bereits der nächste Dan Harmon-Geniestreich.

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