F1 mit Brad Pitt gelingt das, woran Netflix seit 8 Jahren scheitert

04.07.2025 - 14:39 UhrVor 8 Stunden aktualisiert
F1: Der Film
Warner Bros./Apple TV+
F1: Der Film
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Der Kino-Blockbuster ist das Herzstück Hollywoods. Der bisher beste Vertreter dieser Gattung stammt dieses Jahr allerdings von keinem traditionellen Studio, sondern einem Streaming-Dienst.

Nach zweieinhalb Stunden betörender Motorengeräusche fliegt Brad Pitt über den Asphalt. Lichter verschwimmen im Rausch der Geschwindigkeit und Funkdurchsagen verwandeln sich in das dumpfe Echo einer Welt, die er längst hinter sich zurückgelassen hat. Nicht nur Pitts Formel-1-Fahrer Sonny Hayes hebt in diesem Moment ab. Auch der Film um ihn herum bricht aus der Fahrbahn aus und verlässt die Stratosphäre.

F1: Der Film ist der Sommer-Blockbuster des Jahres. Ein Leinwandevent, das sich kein Filmfan entgehen lassen darf. Hollywood zeigt sich von seiner besten Seite mit einem stargespickten Action-Epos, das noch präziser zusammengesetzt ist als die Rennautos im Film. Umso mehr überrascht es, dass kein traditionelles Studio hinter dem Kracher steckt. Es handelt sich um eine Originalproduktion aus dem Hause Apple TV+.

Ausgerechnet ein Streaming-Dienst hat den perfekten Sommer-Blockbuster im Kino geschaffen

Ein Streaming-Dienst bringt den Blockbuster des Sommers ins Kino – das ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Einerseits wird das Selbstverständnis der Traumfabrik infrage gestellt, wenn die beste Ausformulierung von dem, was Blockbuster-Kino sein kann, aus einer von einem Tech-Giganten finanzierten Schmiede kommt. Andererseits sagt Apple TV+ damit der Streaming-Konkurrenz den Kampf an, allen voran Netflix.

Bei diesem Kampf geht es nicht um die meisten Abos und gestreamten Stunden. Es geht nicht um das Engagement von Stars und Budgets im dreistelligen Millionenbereich. Was Apple TV+ mit F1 geschaffen hat, ist viel wertvoller: Ein Film, der sein eigenes Momentum entwickelt und sich auf dem besten Weg befindet, einen popkulturellen Fußabdruck zu hinterlassen. Mit anderen Worten: Ein Film, der bleibt.

Netflix versucht seit Jahren, einen solchen Blockbuster auf die Beine zu stellen, der sich im Gedächtnis der Leute festsetzt, und wählt dafür verschiedene Taktiken. Gefragte Talente werden mit kreativen Freiheiten und nahezu unbegrenzten Ressourcen gelockt. Der erste Testlauf ging Weihnachten 2017 über die Bühne: Netflix investiert 90 Millionen US-Dollar in das Fantasy-Spektakel Bright mit Will Smith in der Hauptrolle.

Heute würde es vermutlich niemanden mehr überraschen, wenn Smith in einem Netflix-Blockbuster auftaucht. Vor acht Jahren erschütterte diese Ansage die Branche: Eines der populärsten Leinwandgesichter dreht einen exklusiven Streaming-Film. Alles an Bright war ein Novum und eine Kampfansage. Wer schaut sich Blockbuster im Kino an, wenn man sie auch ganz bequem zu Hause von der Couch aus sehen kann?

Netflix schmeißt Millionen an die Wand und hat immer noch keinen robusten Blockbuster veröffentlicht

Die ersten Streaming-Zahlen gaben Netflix recht: Elf Millionen Menschen streamten Bright in den ersten drei Tagen. An den Kinokassen wäre das ein absoluter Erfolg gewesen, hätten diese elf Millionen Menschen für den damals durchschnittlichen Kinopreis von knapp neun US-Dollar ein Ticket gelöst. Die Wahrheit ist aber eher: Bright war erfolgreich, weil er neu und bequem verfügbar war. Heute ist der Film in Vergessenheit geraten.

Kein Einzelfall: Die überwiegende Mehrheit aller Netflix-Blockbuster schielte darauf, eine Filmreihe, wenn nicht sogar ein ganzes Film- und Serienuniversum zu starten. Trotz großer Namen haben es die 200-Millionen-Dollar-Kaliber Red Notice (mit wie Dwayne Johnson, Gal Gadot und Ryan Reynolds) und The Gray Man (mit Ryan Gosling, Ana de Armas und Chris Evans) nie zu einer offiziellen Fortsetzung gebracht.

6 Underground, Back in Action und The Electric State – die Liste ist endlos. Der größte Verlierer in dieser Runde dürfte Zack Snyder sein, der bleibende Blockbuster wie Man of Steel ins Kino gebracht hat, aber weder seinen Zombie-Kosmos (Army of the Dead) noch sein eigenes Star Wars (Rebel Moon) bei Netflix ordentlich ausbauen konnte. Keiner der Filme ist abgehoben wie Sonny Hayes auf der Rennstrecke und F1 im Kino.

Auch Apple TV+ hat im Filmbereich einige dieser kostspieligen Titel angesammelt, die sich schon jetzt so anfühlen, als hätten sie nie existiert. Eine Agenten-Komödie mit Henry Cavill und Guy Ritchies persönlicher Indiana Jones? Sowohl Argylle als auch Fountain of Youth kreisen hinsichtlich ihrer Produktionskosten um die 200-Millionen-Dollar-Marke, blieben in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch weitgehend unsichtbar.

Apple TV+ versteht das Kino als Verbündeten und hat sich an einen Blockbuster wie F1 herangetastet

Dennoch hat Apple TV+ in der Vergangenheit einen entscheidenden Schritt hinsichtlich der Positionierung seiner Blockbuster getan, gegen den sich Netflix bis dato vehement sträubt: eine Kinoauswertung. Für Netflix kommt höchstens ein limitierter Kinostart infrage, um seine Prestigefilme für die Award-Saison zu qualifizieren. Apple TV+ nähert sich dagegen in Zusammenarbeit mit Traditionsstudios flächendeckenden Starts an.

Paramount brachte Martin Scorseses Killers of the Flower Moon ins Kino, Sony Ridley Scotts Napoleon. Beide Filme sind – im klassischen Hollywood-Denken – weit hinter den finanziellen Erwartungen geblieben. Bei Apple TV+ gelten (bislang) andere Regeln für Erfolg. Vor allem wollte der Streamer ausprobieren, ob er einen Film mit Superlativen in puncto Lauflänge und Produktionsumfang zum Event-Blockbuster aufbauen kann.

Geklappt hat es nur bedingt. Killers of the Flower Moon fand seinen Platz in der Nische bei Filmfans. Napoleon schrammte an den ikonischen Bildern von Scotts Gladiator vorbei und konnte selbst als Director's Cut kein zweiter Königreich der Himmel werden. Dafür markiert nun der von Warner Bros. vertriebene F1 den ersten waschechten Blockbuster-Erfolg für Apple TV+ – und das nicht nur aufgrund des starken Startwochenendes.

Mit einem weltweiten Einspielergebnis von 144 Millionen US-Dollar zum Debüt hat F1 alle Prognosen übertroffen. Warum der Film für den Streamer wirklich kostbar ist, liegt jedoch an der Art und Weise, wie über ihn geredet wird. Also genau das, was sich eigentlich nicht in Zahlen messen lassen kann – und trotzdem genauestens kalkuliert wurde. Der Film trifft einen Nerv. Apple TV+ hat seine Hausaufgaben gründlicher gemacht als Netflix und die meisten Studios.

Um den perfekten Sommer-Blockbuster zu drehen, hat Apple TV+ Top Gun: Maverick genau studiert

F1 wurde offenkundig nach dem Vorbild von Top Gun: Maverick modelliert, der sich vor drei Jahren in einen Leinwandüberflieger verwandelte und das Publikum mit einer nostalgischen Legacy-Geschichte sowie bahnbrechender Action beglückte. Auch Netflix füttert seinen Algorithmus mit unseren Sehgewohnheiten und weiß, welche Filme beim Publikum beliebt sind, vergisst in der Regel aber danach zu fragen, warum.

Ein Netflix-Blockbuster kommt auf dem Papier mit allen wichtigen Schlüsselwörtern daher und entpuppt sich im Stream als austauschbare Angelegenheit, die wie ein schwaches Echo einer markanten Vorlage klingt und ohne jegliche Überzeugung nachgestellt wurde. F1 schreibt die Überzeugung an die Filmerfahrung dafür umso größer und kennt sich mit jedem einzelnen Bauteil seines Getriebes genau aus.

Besonders faszinierend ist, dass sowohl F1 als auch den Netflix-Blockbustern eine gewisse Formelhaftigkeit vorgeworfen werden kann. F1 floriert allerdings in seinen Konventionen, weil sie mit exzellentem Handwerk umgesetzt werden, was bei Netflix keine Rolle spielt. Apple TV+ hat seinen Sommer-Blockbuster so gut getestet wie APXGP seine Rennautos auf der Piste, damit die Bilder der größten Leinwand standhalten.

Hier existiert ein Bewusstsein für Claudia Mirandas adrenalingeladene Aufnahmen, Hans Zimmers treibenden Score und Brad Pitts unwiderstehliches Star-Charisma, was man von den Netflix-Blockbustern mit Will Smith, Dwayne Johnson und Ryan Gosling nicht behaupten kann. Der Streamer optimiert lediglich auf Second-Screen-Berieselung, sodass es schwerfällt, nicht einfach vor dem Content-Begriff einzuknicken.

Apple TV+ holt sich dagegen das Maverick-Team, zu dem weiterhin Regisseur Joseph Kosinski, Drehbuchautor Ehren Kruger und Produzent Jerry Bruckheimer gehören, um einen robusten, zeitlosen Sommer-Blockbuster zu formen, dessen filmischen G-Kräften man sich unmöglich entziehen kann. Die furiose Action ist das Standout-Element von F1, die kompetente Umsetzung der Formelhaftigkeit die Geheimwaffe.

Absurd – denn eigentlich sollte genau das selbstverständlich sein.

F1: Der Film läuft seit dem 26. Juni 2025 in den deutschen Kinos.

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