Fear The Walking Dead wagt mit Folge 3 der 4. Staffel den Reboot

01.05.2018 - 09:30 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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Fear The Walking Dead verliert in dieser Woche eine wichtige Figur. Damit liegt die Episode im Trend, denn die Serie verliert gerade alles, was sie einmal ausmachte.

Der größte Trumpf des Zombiegenres war stets seine Unberechenbarkeit. Mit dem Wegfall jeglicher Sicherheiten und Strukturen des modernen Lebens wie in Fear the Walking Dead rückt das gefährliche Grenzland wieder in die Wohnzimmer der Figuren und Zuschauer. Niemand in den Erzählungen des Genres ist sicher, prinzipiell kann man jederzeit sterben. Die eigene Sterblichkeit verkörpert durch fleischfressende, niemals endende Horden an Zombies. So soll es sein, so wünschen es sich Fans des kompromisslosen Ansatzes, in der Hoffnung, eine Art Realismus in dem übernatürlichen Setting zu verorten. Interessante Ansätze spielen mit der Unberechenbarkeit jedoch weiter. Besonders der Großmeister George A. Romero wusste stets sein Genre durch kluge oder manchmal auch weniger kluge Veränderungen zu erneuern und ihm neues Leben einzuhauchen.

Frisches Blut, neues Leben und viele Veränderungen – das war wohl auch der Ansatz für die neue Staffel von Fear the Walking Dead, die unter der Schirmherrschaft von Scott M. Gimple und zwei neuen Showrunnern geradezu vor unseren Augen mutierte. Ein Zeitsprung, neue Figuren, neue Bösewichte, ein toter Hauptcharakter, zwei verschwundene Nebenfiguren, und mit Madison fehlt in dem Crossover-Teil der Erzählung sogar die Hauptfigur der gesamten Serie. Wahrscheinlich ist sie sogar bereits tot. Es ist also nicht falsch, von einem kompletten Reboot der Serie zu sprechen. In Interviews spornt Gimple – durch vermeintlich niedrige Zuschauerquoten motiviert – zum Beispiel bereits zum Einschalten an. Schließlich bräuchte man die vorangegangen drei Staffeln nicht gesehen zu haben, um die neuen Folgen genießen zu können. Man sollte ihm glauben. Denn in gerade einmal drei Episoden gelang es den Visionären, auf Biegen und Brechen eine neue Serie zu konzipieren, die mit dem zuletzt doch erfolgreichen Fear The Walking Dead nicht mehr viel gemein hat.

Game of Thrones als Vorbild

Drei Jahre lang mussten Fans der Buchvorlage schweigen. Im dritten Teil von Das Lied von Eis und Feuer, der Vorlage von Game of Thrones, sterben völlig überraschend mehrere Hauptfiguren in der Mitte ihrer Geschichte. Autor George R.R. Martin stellte die Erwartungen seiner Leser völlig auf den Kopf, die fortan das Geheimnis um diese Tode für Fans der Fernsehadaption bewahren wollten. In Foren bildete sich eine richtige Spoiler-Polizei, die nähere Informationen zur Roten Hochzeit schnell löschte. Auch die Fernsehzuschauer sollten selbst die Unberechenbarkeit dieser Erzählung erleben dürfen und lernen, dass bei dieser Geschichte einiges anders ist.

RIP Nick

Im Zombienarrativ ist dies aber Gang und Gäbe. Auch Zombiefilme folgen gewissen Regeln, doch es fehlt sicherlich nicht an überraschenden Momenten und blutigen Wendungen. Die Fear the Walking Dead-Mutterserie The Walking Dead bricht mit diesen Traditionen. Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Glenn) sind sämtliche Tode, angefangen von Gale über Andrea bis Carl, schnell konstruierte Anpassungen an äußere Umstände. Sie sind weder von langer Hand geplant, noch versuchen sie uns in subversiven Momenten die Gefahr dieser Welt tatsächlich näherzubringen. Etliche Figuren in The Walking Dead tragen dazu so genannte Plot Armor. Das Voranschreiten der Handlung erlaubt es ihnen quasi nicht zu sterben, sie werden noch gebraucht.

Das schadet der Serie enorm. Die Einschaltquoten der Mutterserie sinken nicht nur wegen des bösen Cliffhangers am Ende der 6. Staffel, auch die Tode selbst waren zu diesem Zeitpunkt nicht effektiv genug, um die Zuschauer auf den Kampf gegen Negan einzuschwören. Es hätte Daryl sein müssen, das pochende Herz der Serie. Wo die Serie sonst mutwillig lang gehegte Handlungsstränge der Comic-Vorlage plattwalzt, pflegte sie Zurückhaltung. Hier wäre eine Abweichung geradezu überlebensnotwendig gewesen. Aber Fehlanzeige. Fans von Robert Kirkmans Ideen können somit gar nicht als Spoiler-Polizei agieren: Entweder untergraben die Autoren epische Comic-Momente oder sie kreieren eigene Plot-Twists für den kurzweiligen Schock der Zuschauer, ohne die langfristige Planung auf dem Schirm zu haben.

Irrationale Abweichungen als Norm

Abweichungen vom Comic oder dem eigentlichen Plan entwachsen in den Walking Dead-Serien daher immer nur aus Produktionsproblemen, nie authentisch aus der Geschichte. Nick (Frank Dillane) wird seit Anbeginn von Fear the Walking Dead in seinem Umgang mit den Untoten anders gezeichnet als jede Figur, die bisher im Walking Dead-Universum aufgetreten ist. Auch andere schmieren sich Zombiegedärme auf die Kleider, um in der Horde Schutz zu suchen. Aber Nick ging in diesen Momenten auf. Der Ex-Junkie und Ausgestoßene schien sich gerade dort wohl zu fühlen, wo er seiner Identität entfloh, in der Masse unterging und nicht abschätzig beurteilt wurde. Seine eigenen Versuche, vorsichtig soziale Kontakte zu knüpfen, wurden konsequent von seiner Mutter unterbrochen. Madison ging sogar so weit, dass sie Nicks besten Freund im letzten Staffelfinale tötete. Und dennoch opferte sich Nick am Ende überzeugt von der Sache für seine Familie. Wäre das nicht ein gutes Ende für die Figur gewesen? AMCs PR-Team ist seit dem Tod der Figur in heller Aufregung. Etliche Artikel erschienen in mehreren Publikationen. Sie versichern uns, dass es Frank Dillanes Entscheidung war, aus der Serie auszuscheiden. Wenn man wirklich, wie zu lesen ist, bereits vor dem Ende der letzten Staffel von Nicks baldigem Tod wusste, wieso folgt dann hier ein relativ unbedeutender Tod nach dem eigentlichen Höhepunkt der Figur? Wenn man mit der 4. Staffel neue Wege gehen will, wieso arbeitet man zunächst mühselig die Altlasten ab?

Ein konstruierter Crash für eine Episode, die nur einem Ziel dient: Nicks belanglosem Tod

Der völlig überraschende Wait-What?-Tod von Cliff Curtis zu Beginn der letzten Staffel konnte erst durch eine ganze Staffel Arbeit glimpflich aufgelöst werden. (Curtis schied aus, weil er in einem von James Camerons zwölf Avatar-Sequels gecastet wurde.) Und auch Nicks Abgang kann womöglich rückwirkend besser aussehen. Nick ist tot, aber dank der unterschiedlichen Zeitebenen in der Erzählung bleibt er uns in der Before-Storyline für eine ungewisse Zeit erhalten. Ebenso wie Madison, die entweder tot ist oder zumindest für tot gehalten wird. Denn wieso sonst sollte Nick beim Anblick des Vulture-Gangmitglieds so aggressiv reagieren und ihn nicht einmal nach Madisons Aufenthaltsort fragen? Dazu wird Madison in den zwei Folgen bisher im besten Licht dargestellt, was gar nicht zur ruchlosen Anführerin der letzten Staffeln passt. Baut man hier ebenfalls ein Ende ohne Ecken und Kanten zum Midseason-Finale auf? Fortan müsste Fear The Walking Dead nicht nur auf zwei seiner am besten gezeichneten Figuren verzichten, auch die sehr komplizierte Mutter-Sohn-Dynamik würde aus der Serie verschwinden, die im Staffelfinale durch Troys Tod doch nochmal aufgeladen wurde.

Fear The Reboot

Dann würden uns nur noch Alicia und Strand als Originalfiguren übrig bleiben. Die neue Führung zeigt ihre Macht: Fear The Walking wagt den kompletten Reboot. Schade. Spielereien wie die entsättigten Farben mit akzentuierten Klecksern, Morgans abgehalftertes, philosophisches Schwanken oder auch die Frage nach dem Verbleiben der Hauptfigur in einer anderen Zeitebene – all das hätte es nicht gebraucht. Die Ansätze waren alle da. Nicks Vorliebe für die Zombies, Madisons aggressive Kompromisslosigkeit und Fragen nach der Neuordnung des Lebens formten eine spannende Serie über drei Staffeln hinweg. Das ist nun vorbei. Stattdessen stützen die Showrunner sich nach dem Führungswechsel auf neue comichafte Figuren und eine visuelle Angleichung an das Original. Damit hätte ich nicht gerechnet. Immerhin das muss ich den Machern lassen.

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