Heute vor 45 Jahren wurde François Ozon in Paris geboren. Als Filmemacher etablierte er sich gut 30 Jahre später mit seinem ersten Langfilm Sitcom. Heute ist sein Name keiner, der in vielen Bestenlisten auftaucht. Seine Filmographie weist auch keine besonders gefeierten Erfolge auf, zumindest mit Blick auf die Kinokassen, und dennoch ist François Ozon einer dieser Regisseure, die wir in unserer geliebten Welt des Kinos nicht missen möchten.
Bereits während seines Regie-Studiums an der La fémis, an der auch Alain Resnais seinen Abschluss gemacht hat, zeigte sich die Arbeitswut des jungen Regisseurs. Er lieferte mehrere Kurzfilme pro Jahr ab, bis er schließlich 1998 mit Sitcom beachtliche Erfolge erzielen konnte. Der in Cannes gezeigte und positiv empfangene Film lenkte auch aus internationaler Sicht die Aufmerksamkeit auf den jungen Filmemacher. Das bewegte ihn allerdings nicht dazu, sich auf die faule Haut zu legen. Seit seinem Debüt beglückt François Ozon Fans beinahe in Woody Allen -Manier fast jährlich mit einem neuen Spielfilm. Er selbst bezeichnet das als “cineastische Bulimie”, der unstillbare Hunger zu drehen. Wenn ein aktueller Film von Ozon in den Kinos anläuft, ist er meist schon dabei, den nächsten zu drehen. Einschließlich Sitcom hat der Franzose seit 1998 ganz 13 Langfilme auf seinem Konto, die zwar nie für viel Aufsehen in der Welt der Awards sorgten, aber Filmfreunden stets ein Genuss waren.
Tabus sind da, um gebrochen zu werden
Sicherlich hat seine Themenauswahl sehr viel damit zu tun, dass das breite Publikum keinen Zugang zu den Werken von François Ozon findet. Auf fast schon sadistische Art und Weise liebt er es, seine Zuschauer zu frustrieren – Ozon erschafft gerne eine trügerische Idylle, nur um sie zunächst langsam von Innen und letzten Endes mit voller Gewalt zu zerstören. Das ist nicht nur bloßes Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums, sondern die Demaskierung eben jenes. Vielleicht ist es die Subversion, dieses gnadenlose Spiegelvorhalten, das sich wie ein roter Faden durch seine Filmographie zieht und ihm den großen kommerziellen Erfolg verwehrt; seine Gelassenheit, Tabubrechende Motive zu inszenieren, trägt aber sicherlich einen ebenfalls nicht geringen Teil dazu bei. Als wäre es das Normalste der Welt, bedient sich Ozon von Inzest bis Sadomachismus mit einer erschreckenden Leichtigkeit bei schwierigen Themen, um mit ihnen gekonnt soziale Strukturen zu verspotten.
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François Ozon ist weder daran interessiert, seinem Zuschauer idealtypische Figuren vorzusetzen, noch ihn mit einem wohligen Gefühl aus dem Kino gehen zu lassen. Die Marschrichtung seiner Werke gab er gleich zu Beginn mit Sitcom an: Die Harmonie einer ganz normalen, friedlichen Familie fängt an zu bröckeln, als der Vater eine Ratte als neues Familienmitglied vorstellt und der Sohn sich als schwul outet. Homosexualität ist ohnehin ein weiteres wichtiges Thema des Regisseurs, der bekanntlich ebenfalls schwul ist.
Wenn Ozon sich auf das Thema Liebe fokussiert, wie zum Beispiel in 5×2 – Fünf mal Zwei, tut er das mit solch einer Klarheit, die viele wohl als Pessmismus bezeichnen würden. Er macht keinen Hehl daraus, wie die Liebesgeschichte der beiden Protagonisten enden wird, stattdessen nimmt er das Ende vorweg und erzählt die innige Beziehung der beiden rückwärts, um erst gar keine Hoffnungen zu schüren, dass die Geschichte ein Happy End nehmen könnte. In seinem neusten Werk In Ihrem Haus geht es um einen Lehrer, der sich um einen talentierten Autor aus seiner Klasse kümmert und ihm dabei hilft, Geschichten zu schreiben. Was wie ein rührendes Mentor-Schüler-Märchen klingt, und auch so beginnt, entpuppt sich als wahrer Psychoterror für alle Beteiligten, der die Konturen zwischen Realität und paranoiden Wahnvorstellungen verwischt.
In François Ozon steckt sicherlich ein kleiner Sadist, der weder für seine eigenen Figuren, noch für das Publikum Mitleid aufbringt. Letzteres wird sich desöfteren auf die ein oder andere Weise in seinen Filmen wieder erkennen. Niemals aber auf eine positive.
Wir können nur hoffen, dass François Ozon uns mit der selben Arbeitsmoral für weitere 45 Jahre erhalten bleibt.