Ich, Der Tod kennt keine Wiederkehr & eine Katze

10.06.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Der Tod kennt keine Wiederkehr
United Artists
Der Tod kennt keine Wiederkehr
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Der Privatdetektiv Philip Marlowe ist wie Sherlock Holmes, James Bond oder Jack Ryan, eine Romanfigur, die Hollywood einfach nicht loslässt. Mein Herz für Klassiker geht an einen der besten Marlowe-Film: Der Tod kennt keine Wiederkehr.

Die Figur Philip Marlowe wurde 1939 von Autor Raymond Chandler erschaffen und inspirierte seitdem zahlreiche Filme und Fernsehsendungen. Die Liste von ruhmreichen Namen, die bereits in die Rolle geschlüpft sind, ist lang: Robert Mitchum, James Caan, Robert Montgomery und ehm, Jason O’Mara. Tote schlafen fest mit Humphrey Bogart hätte auch ein Herz für Klassiker verdient. Allerdings habe ich mein Herz bereits Der Tod kennt keine Wiederkehr von Robert Altman versprochen. In dieser freien Adaption von Chandlers Werk wird Marlowe von Elliott Gould gespielt. Wie viele jüngere Menschen kannte ich Gould vorher nur als Jack Geller in Friends, aber hier liefert er eine brillante schauspielerische Leistung ab.

Sein Philip Marlowe ist ein Mann, der in der Zeit verloren ist. Er lebt im Hollywood der 1970er Jahre, würde aber eher in die 1940er Jahre passen. Als einziger trägt er stets einen Anzug mit Krawatte. Wenn er nicht gerade eine Zigarette im Mund hat, ist er dabei, sich eine neue aus dem Paket zu besorgen. Er passt nicht richtig in seine Welt. Neben ihm lebt eine Gruppe von Hippies, die anscheinend 24 Stunden am Tag nackt auf der Terrasse tanzen, und seine geistreichen Kommentare treffen meist nur auf ein verwirrtes Stutzen. Dementsprechend sieht er pausenlos verwirrt aus, als wäre er fünf Minuten vorher erst aufgewacht. Er murmelt pausenlos vor sich hin, redet mit sich selbst, seiner Katze oder irgendwelchen Leuten. Er beendet Gespräche nicht, er geht einfach weg und redet weiter.

Warum ich Der Tod kennt keine Wiederkehr mein Herz schenke
Der berühmteste Teil von “The Long Goodbye”, wie Der Tod kennt keine Wiederkehr im Original heißt, ist die zehnminütige Anfangssequenz, in der Marlowe versucht, seine namenlose Katze zu füttern. Da er kein Katzenfutter im Haus hat und der Vierbeiner keine Ruhe gibt, fährt er um drei Uhr morgens in einen Laden. Auf dem Weg hören wir zum ersten Mal den Titelsong von John Williams, eine Melodie, die später fünf oder sechs Mal in verschiedenen Arrangements erneut aufgegriffen wird. Wie im klassischen Film Noir Laura besteht der Soundtrack aus einem einzigen Stück. Die einzige Futtermarke, die Marlowes Katze mag, ist ausverkauft. Er kauft eine andere und versucht, das Tier auszutricksen, indem er das Futter in eine leere Dose der richtigen Marke umfüllt. Sein Unternehmen ist jedoch erfolglos: Die Katze verlässt frustriert die Wohnung und kommt für den Rest des Films nicht mehr zurück.

Diese Szene bringt Marlowe auf den Punkt und zeigt, wieso er so faszinierend ist. Dem Zuschauer gelingt es nie, richtig klug aus der Figur zu werden. Er ist stets passiv und lässt sich von jedem widerstrebend herumkommandieren, sogar von seinen Haustieren. Trotzdem zeigt er stets Treue und hat Vertrauen in seine Freunde. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Ob er es mit gewalttätigen Gangstern oder mit der Polizei zu tun hat, er hat immer eine sarkastische Bemerkung parat. An seiner Intelligenz zweifelt niemand, aber seine Persönlichkeit ist voller Widersprüche und wir verstehen oft nicht, was seine Absichten sind. Will er mit Eileen (Nina van Pallandt) schlafen? Warum läuft er tagelang mit einem 5.000-Dollar-Schein durch die Gegend? Diese Figur beschäftigte mich tagelang, nachdem ich den Film zum ersten Mal sah. Immer wieder musste ich an ihn denken, seine Entscheidungen hinterfragen oder über eines seiner Bonmots schmunzeln. Wer genau ist Philip Marlowe eigentlich?

Warum auch andere Der Tod kennt keine Wiederkehr lieben werden
Wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, habe ich bisher so gut wie nichts zur eigentlichen Handlung gesagt. Der Grund hierfür ist, dass sie eigentlich irrelevant ist. Der Film erzählt eine Geschichte, weil er eine Geschichte erzählen muss. Diese ist immer noch sehr spannend erzählt und hat ihren Reiz. Gleichzeitig unheimlich kompliziert und sehr banal, verfolgen wir, wie Marlowe durch ein Intrigenspiel um große Summen Geld, Alkoholismus und Selbstmord stolpert.

Das Vergnügen liegt allerdings eher bei den Charakteren und der Atmosphäre. Elliott Goulds Charisma füllt die Leinwand oder den Fernsehschirm (oder heutzutage auch das Handy, aber davon würde ich abraten) mehr als aus. Der Unterhaltungswert ist durchgehend hoch und auch die kleinsten Nebenrollen hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Ein Highlight ist der Torwächter einer kleinen Siedlung in Malibu (Ken Sansom), der Passanten stets mit einer Parodie eines klassischen Hollywood-Stars grüsst. Die Film-Noir-Atmosphäre wird zudem makellos aufgebaut, ohne dass das Tempo leidet. Robert Altmans Kamera ist ständig in Bewegung und findet neue Rahmen. Trotzdem sieht jedes Frame des Films gut aus.

Warum Der Tod kennt keine Wiederkehr die Jahrzehnte überdauern wird
Ähnlich wie Chinatown von Roman Polanski, der ein Jahr später anlief, übernimmt Der Tod kennt keine Wiederkehr die besten Elemente des Film-Noir-Genres (charismatischer Hauptdarsteller, zwielichtige Atmosphäre, Spiel mit Licht und Schatten) und fügt eine körnige 1970er Jahre Ästhetik hinzu. Das Resultat ist ein Film, der – wie seine Hauptfigur – zeitlos ist. Seine Kulisse, das Hollywood der frühen 1970er, ist klar definiert und spezifisch, doch Philip Marlowe ist universal und trotzdem einzigartig. Seine Relevanz ist heute noch so hoch wie vor 40 Jahren.

Was haltet ihr von Der Tod kennt keine Wiederkehr aka The Long Goodbye?

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