Ich, Legende und Ridley Scotts „Style over Substance“

26.05.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Legende20th Century Fox
9
6
Heute schenke ich mein Herz für Klassiker dem wunderbaren Fantasy-Kultfilm Legende. Warum Ridley Scott bereits 1985 mit diesem Werk einer der frühesten "Style over Substance"-Filme gelang, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.

Mit Alien revolutionierte der Ridley Scott 1979 das Science-Fiction-Genre und mit Blade Runner vollbrachte er drei Jahre später dieses Kunststück gleich noch einmal – auch wenn Kritik und Publikum das erst Jahre später erkannten. Mit Legende wendete Scott vorerst der Sci-Fi den Rücken zu und widmete sich einem Genre, das in den achtziger Jahren ähnlich wie der Actionfilm seine große Blütephase erlebte. Allerdings spiegelte sich diese nur bedingt am finanziellen Erfolg bekannter Vertreter wider, gingen doch heute als Fantasy-Kutlfilme gefeierte Werke wie Krull, Der Tag des Falken oder Die Reise ins Labyrinth als phänomenale Kassenflops in die Kinogeschichte ein. So war es wenig verwunderlich, dass dieses Schicksal auch Scotts kostspieliges Fantasy-Spektakel ereilen sollte.

William Hjortsberg schrieb das Drehbuch zu Legende. Er erdachte eine einfache Story, die einen Verschnitt bekannter Fantasy-Elemente darstellt und insofern keine innovativen Überraschungen bereithält. Dafür ist seine Geschichte aber angenehm altmodisch und unkompliziert, was Ridley Scott die Gelegenheit gab, sich auf seine wirkliche Stärke zu fokussieren: die Bildgestaltung. Und da komme ich direkt zur eigentlichen Stärke von Legende. Denn Scott hat augenscheinlich erkannt, dass es auch in diesem Genre darum geht, die Fantasie in den Köpfen der Menschen so realistisch wie möglich auf die Leinwand zu bringen und mit einer Atmosphäre zu verbinden, die ein völliges Abtauchen in die erdachte Welt ermöglicht. Legende zeichnet sich durch eine phantastische Maske und eine opulente Ausstattung aus, die Hjortsbergs Gedankenwelt stimmig zum Leben erweckt. Diesbezüglich darf der wunderbare Masken- und Effektspezialist Rob Bottin, der auch Kultfilme wie The Thing, RoboCop und Total Recall dank seiner fantastischen Kreationen unvergesslich machte, hier nicht unerwähnt bleiben.

Legende


Ob die Geschichte von Anfang an eher zweitrangig sein sollte und Ridley Scott hier vor allem ein visuelles Spektakel inszenieren wollte, ist nicht ganz klar - vor allem, wenn man bedenkt, dass Scott seine ursprüngliche Vision nur zum Teil realisieren konnte und das Studio den Film damals in einer drastisch gekürzten Fassung in die Kinos brachte. Auch die nachträglich veröffentlichte und deutlich längere Director's Cut-Fassung kann die narrativen Schwächen des Films nicht ganz aus der Welt schaffen. Was ich dem obligatorischen Director's Cut von Scott, der gefühlt zu jedem zweiten seiner Filme eine längere, aber nicht immer bessere Version nachreicht, jedoch zu Gute halten muss, ist die Zugabe von weiteren wunderschön anzusehenden Szenen, die aus der ursprünglichen Kinoschnittfassung entfernt wurden. Die langen Kamerafahrten durch die von Pollen, Schneeflocken und Seifenblasen durchfluteten Wälder sind auch heute ein überbordendes Fest fürs Auge, dem ich mich einfach nicht entziehen kann. Auch der phänomenale Score von Jerry Goldsmith, an dessen Stelle seinerzeit der alternative Synthie-Soundtrack der Krautrock-Band Tangerine Dream zu hören war, kommt im Director's Cut glücklicherweise erneut zum Einsatz.

Mit einer durchdachteren Geschichte hätte aus Legende sicherlich einer der großen Vertreter des Fantasy-Genres werden können. So erinnert man sich hier weniger an die simple Story oder die holprige Performance des damals noch jungen Tom Cruise, sondern vielmehr an die technische Umsetzung. Die detailverliebten Sets, die tollen Kostüme, die gelungenen Effekte und das großartige Make-up-Design machen den Film auch heute noch überaus sehenswert – wobei der von The Rocky Horror Picture Show-Star Tim Curry ähnlich überzeichnet dargestellte Herr der Finsternis mit seinen aberwitzigen Monologen und den überdimensionierten Hörnern auch seinen Reiz hat. Da verzeihe ich es dem Film auch gerne, dass Scott es mit dem maßlosen Einsatz von Glitter und anderen Effekthaschereien sogar für achtziger Jahre-Verhältnisse ein „klein wenig“ übertrieben hat – was der Regisseur im Audiokommentar zum Director's Cut sogar eingestand.

Warum ich Legende mein Herz schenke

Kaum ein Regisseur „verstand“ das Prinzip „Style over Substance“ so früh wie Ridley Scott. Das ist gleichzeitig die größte Stärke und Schwäche von Legende, der sich – anders als ein Film wie Drive – eigentlich gar nicht für dieses Prinzip anbietet. Doch wenn Tom Cruise als Naturbursche Jack in einen lichtdurchfluteten Tümpel hüpft, um den Ring seiner Herzensdame zu bergen, und anschließend die von Zauberhand zugefrorene Decke durchbrechen muss, um an die Oberfläche zu gelangen, habe ich diese Kleinigkeit schon wieder vergessen und schwelge weiter in den wuchtigen Bilderträumen, die Scott uns da beschert hat.

Warum auch andere Legende lieben werden ...

... hängt natürlich ganz davon ab, ob ihr wie ich mit 80er-Fantasy-Streifen wie Die Braut des Prinzen, Taran und der Zauberkessel oder Willow aufgewachsen seid. Ein gewisses Faible für die Filme dieser Ära solltet ihr schon mit mitbringen, um ähnliche Bewunderung für die zauberhafte Welt von Legende zu empfinden. Wenn dieses allerdings vorhanden ist, werdet auch ihr euch den traumhaften Kulissen und der wunderbaren Filmmusik ganz sicherlich nicht entziehen können.

Warum Legende die Jahrzehnte überdauern wird

Seien wir ehrlich: Weder inhaltlich noch visuell wird Legende die Jahrzehnte überdauern. Wie manch anderem Fantasy- oder Actionstreifen aus den Achtzigern merkt man dem Film seine aus heutiger Sicht veraltete Art der Inszenierung deutlich an und das schwache Skript und die schauspielerischen „Leistungen“ steuern einiges zu diesem Eindruck bei. Dennoch machen eben genau diese „Schwächen“ eben jenen Reiz aus, der uns immer wieder zum Schwelgen in alten Zeiten verführt, ob wir diese nun miterlebt haben oder nicht. Ein Film wie Legende hat selbstverständlich nichts mit einem allgemein als Klassiker anerkannten Werk wie Blade Runner gemein, aber das hindert uns (zumindest meine Wenigkeit) nicht daran, immer wieder zu dieser filmischen Merkwürdigkeit zurückzukehren, um sich an den wunderschönen Bildern dieser kleinen Fantasy-Perle zu ergötzen. Legende mag trotz einiger guter Ansätze nicht gerade zu der Crème de la Crème des Fantasy-Genres gehören - als visuell berauschendes Fantasy-Märchen hat sich der Film aber dennoch seinen Platz in der Kinogeschichte verdient.

Wer mehr über den ereignisreichen Schaffensprozess von Legende erfahren möchte - darunter wie Ridley Scott den verheerenden Brand seines Sets in den Pinewood Studios a.k.a. 007-Bühne verarbeitete - sollte sich unbedingt das kurzweilige Making of zum Film ansehen:

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News