Haben alle brav wegen des aberwitzigen, deutschen Titels Pfahl in meinem Fleisch und der Anspielung auf Stanley Kubrick auf den Artikel geklickt? Gut, dann kann ich euch ja endlich von diesem Kleinod des Avantgarde-Kinos erzählen, dem nicht annähernd genug Beachtung geschenkt wird und welches heute mein Herz für Klassiker erhält. Der besser und weniger reißerisch mit Trauerzug der Rose(n) übersetzte Film von Video- und Performance-Künstler Toshio Matsumoto ist dessen erster Spielfilm und Ende der 60er Jahre in Tokyos Vergnügungsbezirk Shinjuku angesiedelt. Dort tummeln sich zu dieser Zeit alle möglichen Gestalten, die auf verschiedene Weise Stücke einer Gegenkultur sind, wie studentische Protestler, Drogenkonsumenten, Künstler sowie Schwule und Drag-Queens.
Eine dieser Gestalten ist Eddie, gespielt von Shinnosuke ‘Peter’ Ikehata, eine in der Bar Genet arbeitende Drag-Queen, die mit dem älteren Inhaber und Drogendealer Gonda involviert ist, was Reda, der eifersüchtigen “Mama” der Bar, ein Dorn im Auge ist. Die Geschichte um die Rivalität der beiden Queens und Eddies düstere Vergangenheit mündet in einem grausigen, vom Ödipus-Drama inspirierten Finale und wird immer wieder von Interview-Sequenzen mit den Schauspielern und anderen Persönlichkeiten des schillernden Viertels unterbrochen, die zu ihren Rollen, ihrer Sexualität und Drogengewohnheiten befragt werden.
Warum ich Pfahl in meinem Fleisch mein Herz schenke
Mir fällt kaum ein Film an, der das visuelle Medium Film so vollmundig ausschöpft wie dieses verschmähte Meisterwerk. Der Reichtum an Kreativität und Vision scheint in seiner Bildsprache keine Grenzen zu kennen. Wer sein Herz wie ich an Pfahl in meinem Fleisch verschenkt ist übrigens in guter Gesellschaft. Meister- und Konsensregisseur Stanley Kubrick schätzte Matsumotos Spielfilmdebüt so sehr, dass er ihn als Inspirationsquelle für seine Filmadaption von Uhrwerk Orange verwendete und gleich mehrere Elemente übernahm. Die berühmte Sexszene im Zeitraffer und verschiedene Jumpcuts sind beispielsweise nicht ganz allein auf Kubrick zurückzuführen. Auch das generelle Flair des Films, das irgendwo zwischen Dystopie und Utopie zu schwirren scheint, vermittelt ein ähnliches Gefühl.