Zuerst war es von meiner Seite ein rein soziologisches Interesse: Warum faszinieren derzeit derart viele Vampire die Kino- und Fernsehzuschauer? Was hat es mit dem Erfolg von Twilight & Co., von Vampire Diaries, Moonlight und True Blood auf sich? Also habe ich in die erste Staffel von True Blood reingeschaut und war überrascht, mehr als eine weitere cleane Teenie-Schmonzette zu sehen.
Was passiert in True Blood? – Die Voraussetzungen
Die Japaner sind schuld. Sie haben synthetisches Blut namens „Tru Blood“ entwickelt, so dass es Vampiren, die jahrhundertelang unter uns gelebt haben, nun möglich ist, ohne Menschenblut auszukommen und ein relativ normales Leben zu führen. Die Gesellschaft der Vampire geht in die Öffentlichkeit und will nun die gleichen Rechte wie die Menschen. Nicht alle Vampire sind davon begeistert; sie halten an der alten Gewohnheit des Blutsaugens fest. Auch unter den Menschen gibt es nicht nur Vampir-Anhänger, viele wollen die Vampire lieber tot als lebendig sehen. Unter dem Motto “Nur ein toter Vampir ist ein guter Vampir” gibt es zahlreiche Fanatiker und Radikalisten, die sich gegen die Gruppierung wenden.
Was passiert in True Blood? – Staffel 1
Die Serie spielt im beschaulichen Bon Temps, einer Kleinstadt im US-amerikanischen Bundesstaat Louisiana. Hauptfigur ist Kellnerin Sookie Stackhouse (Anna Paquin), die telepathische Fähigkeiten besitzt und die Gedanken Anderer, außer jene von Vampiren, lesen kann. Sie verliebt sich in den Vampir Bill Compton (Stephen Moyer) und ihre Beziehung wird von vielen – seitens der Vampire wie auch der Menschen – mit Argwohn begutachtet. Zusammengehalten wird die Geschichte durch diverse Morde, denen Frauen zum Opfer fallen, die mit Vampiren eine Beziehung eingegangen sind. Ansonsten gibt es viel Sex, Gewalt und Drogenkonsum, denn “V”, das Blut der Vampire, ist für Menschen zu einer beliebten Droge geworden.
Was passiert in True Blood? – Staffel 2
In der 2. Staffel von True Blood wird Bon Temps gleich von mehreren mysteriösen Wesen heimgesucht. So leben nicht nur Vampire unerkannt unter den Menschen, sondern auch Gestaltenwandler und ein griechisches Fabelwesen. Letzteres ist unsterblich und manipuliert die Bewohner zu Sex-Orgien. Es kann nur durch einen gekonnten Todesstoß gestopt werden. Sookie bekommt davon allerdings nicht viel mit, weil sie sich mit radikalen Vampirgegnern auseinandersetzen muss, die sich in der “Fellowship of the Sun” organisieren und den ultimativen Krieg gegen die Vampire eröffnen wollen.
Wenn der Schlaf der Vernunft die Ungeheuer gebiert
Vampire waren schon immer gut für eine Gesellschaftskritik, aber was True Blood des Senders HBO abliefert, ist für eine TV-Serie schon besonders sehenswert. Hier werden die verschiedensten Wesen und Lebensstile benutzt, um auf Rassismus, Sexismus und Ausgrenzung in der Gesellschaft zu verweisen. Keiner – weder Mensch oder Vampir noch Fabelwesen – ist da besser als der Andere. Toleranz ist nur von vernünftig denkenden Wesen zu erwarten und jede Spezies hat halt ihre Pappenheimer, bei denen der Schlaf der Vernunft die wahren Ungeheuer gebiert. Besonders mit der “Fellowship of the Sun” halten die Serienmacher den Finger in die Wunde einer Gesellschaft, in der der Hass auf Andere – egal welcher Couleur – fanatische Züge annimmt. Der aktuelle Zeitbezug ist enorm und macht eine der Qualitäten von True Blood aus.
Da gibt es den einfältigen Jason Stackhouse (Ryan Kwanten), dessen Dummheit mir als Zuschauer wahrlich wehtut und zu so manchem Mitleidsanflug führte. Kein Wunder, dass Fanatiker leichtes Spiel mit ihm haben. Reverend Steve Newlin und seine Frau Sarah locken mit schönen Worten Jugendliche zu Hass und Radikalismus. Eine Vampirkönigin dealt im großen Stil mit dem Blut der eigenen Spezies, eine andere Vampirin ist zum Medienstar aufgestiegen. Mit Terry Bellefleur wird ein Kriegs-Veteran präsentiert, der zu sozialen Beziehungen nicht mehr wirklich fähig ist. Ob schwul, afroamerikanisch, radikal oder liberal – jede Fasson findet hier ihren Typ. Gerade die vielen Nebenfiguren und Nebenstränge sind es, die True Blood zu einer wahren Fundgrube aktueller Bezüge werden lassen.
Intelligent und doppelbödig kommen die Geschichten von True Blood daher, ohne allzu platt und plakativ zu wirken. Vielleicht mag dem einen oder anderen der ganze Sex, das viele Kunstblut und die brachiale Gewalt zu offensichtlich dargestellt sein, aber das ist mir tausendmal lieber als die cleanen und zuckersüßen Versionen von Twilight und Vampire Diaries. Allein wenn das Ende einer jeden Folge wieder mit einem wahren Cliffhanger aufwartet, dann haben sie mich schon animiert, sofort die nächste Folge zu schauen.