Kritik und Publikum zerrissen Joker: Folie à Deux – aber für mich ist Todd Phillips der Regisseur des Jahres

30.12.2024 - 12:15 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
Joker: Folie à Deux
Warner Bros.
Joker: Folie à Deux
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Joker: Folie à Deux von Todd Phillips fiel dieses Jahr sowohl bei Publikum als auch Kritik durch. Bei mir stieß der Film auf große Begeisterung und ließ mich zum Fan des Hangover-Regisseurs werden.

Als 2019 Joker erschien, war mir der Hype nicht ganz geheuer. Ein Goldener Löwe-Gewinnerfilm von Hangover- und Starsky & Hutch-Regisseur Todd Phillips? Das wollte mir nicht so wirklich in den Kopf passen. Als ich den Streifen dann im Kino sah, fühlte ich mich in dieser Annahme bestätigt. Dann erschien dieses Jahr Joker 2: Folie à Deux und ich war schlichtweg begeistert.

Viele zerrissen ihn – mich überzeugte Joker 2 mit seiner Risikobereitschaft

Während Phillips erster Film mit enorm hohen Bewertungen aufwarten kann – beispielsweise eine 8 von 10 bei Moviepilot selbst – fiel Joker 2 gnadenlos durch. Eine 5,1 bei Moviepilot, nur 45 von 100 Punkten beim Kritikenportal Metacritic , nur 31 Prozent bei Rotten Tomatoes . Was das Publikum erwartete, waren Joker und Harley Quinn, die als irres Psycho-Pärchen Gotham terrorisieren – wie sie es der Welt, die sie ausgespuckt hat, mal so richtig zeigen. Weiter weg vom finalen Film könnte das nicht sein.

In einem Interview mit Variety  ließ Phillips dieses Jahr verlauten, dass es das Ziel der Fortsetzung gewesen sei, "dass er sich anfühlt, als sei er von Verrückten gemacht worden." Herausgekommen ist dabei ein herrlich unkonventioneller Film. Joker 2 ist zugleich Musical und Gerichtsdrama, eine Mediensatire wie ein Gefängnisfilm. Der Film ist im besten Sinne all over the place und schert sich wenig um die Erwartungen an ihn.

Lady Gaga spricht mir gegenüber Variety  aus der Seele:

Todd hat sich mit diesem Konzept und dem Drehbuch sehr weit aus dem Fenster gelehnt und der Fortsetzung von Joker diese Kühnheit und Komplexität verliehen. [...] Es ist ein Zeugnis für [Todd] als Regisseur, dass er lieber kreativ ist, als nur eine traditionelle Liebesgeschichte zu erzählen.

Ich kann mich in allen Punkten begeistert anschließen. Ich nehme Tausendmal lieber einen kühnen Regisseur als einen erwartbaren.

Danach entdeckte ich ganz neue Qualitäten in Todd Phillips anderen Filmen

Ausgestattet mit dieser neu entdeckten Begeisterung für das Schaffen von Todd Phillips schaute ich mir weitere Filme von ihm an. Bei diesen handelt es sich größtenteils um klamaukige Komödien. Dabei entdeckte ich immer wieder Dinge, die mich schon bei Joker 2 begeisterten. Dazu gehören Phillips Gespür für wunderschöne Bildkompositionen, ein superber Soundtrack, der in Sachen Song-Auswahl locker mit Tarantino mithalten kann, sowie stets dieser ganze spezielle Schuss Wahnsinn.

Sein Starsky & Hutch-Remake von 2004 mochte ich schon vor meiner neuen Phillips-Begeisterung. Diese ließ mich aber ganz neue Qualitäten des Films entdecken. So ist dieser unbestritten eine für die damalige Zeit typische Klamauk-Komödie mit Ben Stiller und Owen Wilson in Top-Form (Stillers "Do it" bringt mich bis heute zum Lachen). Daneben ist er aber auch Phillips' ureigene Liebeserklärung an das Fernsehen und Kino der 70er Jahre und ein früher Beweis dafür, was für eine Freude er daran hat, Erwartungen zu unterlaufen.

Anstatt eine akkurate Serienadaption abzuliefern, zeigt er uns in einer Sequenz lieber, wie die beiden Undercover-Cops einen schmierigen, von Will Ferrell gespielten Knacki bezirzen, um an wichtige Informationen heranzukommen. Aber Phillips wäre nicht Phillips, wenn er nicht auch das mitdenken würde. Ganz am Ende des Films sehen wir, wie das Original-Serienduo in einer Art Staffelstabübergabe dem Filmduo ihren legendären Ford Gran Torino übergibt. Ich liebe diesen skurrilen Meta-Humor.

Hangover 3 ist Todd Phillips’ geheimes Meisterwerk

Am bekanntesten ist Todd Phillips natürlich für seine drei Hangover-Filme, auch, wenn viele Fans der Reihe den dritten Teil nicht ausstehen können. Die Trilogie treibt das Spiel des Regisseurs mit Erwartungen absolut auf die Spitze. Der Spaß an der Überraschung wird hier endgültig zum Grundprinzip erklärt.

Ganz besondere Erwähnung hat sich aber Hangover 3 von 2013 verdient. Allein die Anfangssequenz mit einer enthaupteten Giraffe ist so absurd, komisch und verstörend, dass ich mich wirklich fragen musste, ob ich so etwas schon einmal in einem Blockbuster-Film gesehen habe.

Doch damit nicht genug. Eine Geiselübergabe in der Wüste atmet in solchem Maße Scorseses Meisterwerk Casino, dass man sich fast in einem echten Mafia-Film wähnt. Und als der lärmende Schlussakkord von Nine Inch Nails Hurt nach einer langen Nacht voller Gewalt einsetzt, während der Film uns gerade noch mit wunderschönen Wüstenaufnahmen verwöhnt hat, denkt man nur: Der Spaß ist vorbei, der Wahnsinn noch lange nicht. Und genau da steht auch Todd Phillips jetzt in seiner Karriere.

Seit knapp 30 Jahren ist Phillips jetzt schon dabei, "das Haus zu schlagen”, wie Robert Downey Jr. es mal gegenüber Variety  formulierte. Seit Hangover gehört er zu Hollywoods Top-Regisseur:innen. Den Spaß an der Provokation und Überraschung lässt er sich wie viele andere seines Kalibers aber nicht nehmen. Mit Joker 2 hat er das eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Diese Chuzpe macht ihn zu meinem Regisseur des Jahres!

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