Jahr: 2015
Genre: Pop, Artpop
Singles: Where are Ü Now, What Do You Mean, Sorry, Love Yourself, Company
Stellt euch vor: Kanada 2009. Es begann alles mit einem kleinen Lausbuben, der mit seiner Musik weltweite Erfolge feiern wollte, und der sich diesen Traum durch eingängige, schmachtende Pop-Ohrwürmer auch erkämpfte. Doch wie jeder Held hat auch er einen Widersacher: er wurde von Millionen geliebt und von vielen gehasst wurde - oder war es andersrum? Nun sind 6 Jahre vergangen und dem Buben ist ein dickerer Kehlkopf gewachsen, genauso wie das Verlangen, Stift und Papier in die Hand zu nehmen. Der Bub wart zum Manne gereift und landete einen Albumhit, der auch weit über seine Zielgruppe hinaus gut aufgenommen wurde. Kinder - Justin Bieber war dieser Bube das Album heißt "Purpose".
Und was für ein Popalbum es geworden ist. Vermutlich eines der besten seines Genres in diesem Jahrzehnt. Neben "Bangerz" von Miley Cyrus, "Prism" von Katy Perry, "Roman Reloaded" von Nicki Minaj und "Born This Way" von Lady Gaga, wobei letzteres schon fast zu gewagt für die Bezeichnung als Mainstreampop. Andererseits zeichnet sich doch Mainstream heutzutage durch den perfekten Mix mit Anti-Mainstream aus. "Purpose" repräsentiert alles, was diese Pop-Ära zu bieten hat und ausmacht, und das auf höchstem Niveau mit grandiosen Performances und Kompositionen. Das ist mehr als eine frische Brise, das ist purer, reiner Hipstersauerstoff, den man ruhig tief inhalieren darf. Es aufzuhalten hat keinen Sinn mehr - es ist überall ringsherum; warum also nicht seinen Spaß daran haben?
Mit dem Song "Boyfriend" hat der gute Bieber schon einen Schritt in die Richtung gemacht, in die er gehen wollte, dennoch steckte das monumentale Unterfangen, die perfekte Hipstermusik zu machen, noch in den Kinderschuhen. Im Februar 2015 tat er sich daher mit einem DER Überhipster der aktuellen Musikbranche zusammen, der ihm die Tricks zeigte, die einem in dieser Gruppe weiterbringen: Skrillex. Die gemeinsame Single von Bieber und dem Projekt Jack Ü (bestehend aus Skrillex und Diplo), "Where are Ü Now" war ein voller Erfolg. Der experimentelle, an Independentmusik erinnernde, elektronische, stets zwischen absoluter Monotonie und überschwänglicher Musikalität pendelnde Musik schmeichelte Biebers Stimme, Ausstrahlung und Text. Das war ein Herzschmerzlied, welches mit Schwärmerei wenig zu tun hatte - das war ein blanker Reifungsprozess, ein Sammelsurium aus Erinnerungen und Eindrücken, Metaphern und Poesie, direkt, wie auch verschaltet. Es war so bleich und trist wie Adeles "Hello", trotz eines Beats, welcher stellenweise dem von Psys "Hangover" ähnelte - nur um einige Spuren sanfter. Es war genial. Das Zeugnis einer Zeit, in der Gefühle und Schabernack, Tristheit und Spaß Hand in Hand gehen können, ohne sich zu stören. Wo generell ALLES Hand in Hand gehen kann. Auch ein Dubstep-DJ und eine Ein-Mann-Boygroup.
Alle 13 Songs auf "Purpose" halten dieses Niveau. Bieber spielt mit diversen Melodien, Rhythmen, textet, singt, schluchzt, lacht, hält die Dynamik aufrecht, um das Lied abrupt enden zu lassen, und etwas komplett Konträres zu starten. Da geht die gefühlvolle Akkustikballade gern mal in einen fast schon auf Viral getrimmten Beat über. Die Zeiten von "Baby" sind vorrüber. Selten versucht der Sänger, um den Finger zu wickeln. Teilweise wirkt es fast so, als würde er zu sich selbst singen. Obwohl er seine reinen Worte ganz klar an DICH richtet. Nehmen wir die Single "Sorry" her: ein nicht allzu harter, aber doch technoiger Clubbeat, voller Synthesizer, eine Frauenstimme, die ein kaum mehr aus dem Kopf zu verbannendes "Ooohohohoh oh, ooohohohoh oh" säuselt gefolgt von einem trompetenartigen Loop, nicht minder eingängig, wird mit Biebers fast schon apathischen Gesang, sowie einer fast schon trostlosen Klaviermelodie geschmackvoll kontrastiert - keine einzige Komponente beißt sich mit einer anderen. Es ist ein tanzbares, trauriges Lied. Und "I'll Show You" könnte einem Drake-Album entsprungen sein, so bleich klingt der Trapbeat, auf dem Bieber seine sanfte Stimme gleiten lässt, als ob sie vom Wind getragen wird. Stellenweise klingt "Purpose", als würde man diesen Moment unmittelbar nach dem Orgasmus erleben, wenn einem 17 Sekunden lang wahllose Gedanken durch den Kopf rauschen und man am schwer atmen ist - allerdings inmitten der Stadt aus Her, mit sozialen Netzwerken, moderner Musik und Smartphones rundherum.
Bieber setzt sich über die Grenzen von Genres, Strukturen, Gefühlen und Erwartungen hinaus und wird dadurch zur ultimativen Manifestation all dessen, was die heutige Jugend, die ü-, wie auch die u20er, die Hipsterbewegung, und jeden, der liebend gerne im Hier und Jetzt lebt und die Musik, die Popkultur und generell den Zeitgeist der 2k10er auszeichnet. Die Metamorphose wurde vollzogen. Das Ergebnis: mehr #swag denn je.
Tracklist:
1. Mark My Words
2. I'll Show You
3. What Do You Mean?
4. Sorry
5. Love Yourself
6. Company
7. No Pressure
8. No Sense
9. The Feeling
10. Life Is Worth Living
11. Where Are Ü Now?
12. Children
13. Purpose