Die Story ist schnell erzählt: Mad Max ist der Universal-Spender einer Terror-Gang, bestehend aus deformierten, kranken Wahnsinnigen und angeführt von einem ebenso kranken, ebenso wahnsinnigen Warlord, der sich nicht nur das gesamte verbliebene Wasser unter den Nagel gerissen hat, sondern auch seinen persönlichen Harem zu Fortpflanzungszwecken hält. Hier macht ihm seine Imperatorin Furiosa (so furios wie schön: Charlize Theron) einen Strich durch die Rechnung, indem sie die schwangeren "Brüter" befreit und mit ihnen durchbrennt. Auch Max kann sich während der wilden Verfolgungsjagd durch die Wüste von seinen Ketten losreißen und blitzschnell ist eine Allianz zwischen ihm und den Frauen geschmiedet.
Die ersten zehn Minuten von Mad Max: Fury Road sind wie ein fiebriger Drogentraum: Alles bewegt sich spinnenartig schnell, die Luft flirrt vor Hitze und Schweiß. Max, die Warboys, das ganze setting ist schmutzig, krank und fratzenhaft. Der erst viel später auftretende Harem wirkt dagegen wie eine überirdische Erscheinung, obwohl sich rasch herausstellt, dass auch die weißgewandeten Frauen nicht frei sind vom allgemeinen Wahnsinn. Die Ästhetik hält der Film durch, das Tempo und die Härte leider nicht ganz, das ist vielleicht der einzige Wehmutstropfen in einem ansonsten großartigen Film, der praktisch ohne green-screen auskommt. Gegen Mitte baut die Spannung sogar so sehr ab, dass man fast schon mit dem Film abgeschlossen hat, nur um dann in ein finales, noch einmal atemberaubendes Wettrennen geworfen zu werden. Der Effekt lässt sich mit dem Moment im Karussell vergleichen, wenn es erst langsamer wird und die dicke Frau am Mikro plötzlich ruft: uuuund noch eine Ruuunde. Ungefähr so setzt sich auch Mad Max wieder in Bewegung. Überhaupt steht dieser Film niemals still - und sei es nur der sandige Wüstenboden den der giftige Wind rastlos vorantreibt. Jeder hetzt seinem persönlichen Ziel entgegen: Freiheit, Erlösung, Rache, Walhalla.
Er ist also noch möglich, der Action-Kracher mit allen Schikanen, den Georg Miller 1979 mit Mad Max einläutete und der sich durch die 80er Jahre zieht wie ein roter Faden. Angefangen bei Details wie einem wahnwitzigen Gitaristen, der in die Seiten haut obwohl er nicht mal mehr ein Gesicht hat, über die Detail-verliebte Ausstaffierung bis in die kleinste Nebenrolle und jedes einzelnen Wagens der mörderischen Kohorte fühlt man sich zurückversetzt in eine Zeit als Die Warriors noch die Nacht beherrschten, als Mel Gibson noch irgendwo zwischen good cop und Psycho rangierte, Arnold Schwarzenegger "Senator" noch nicht mal englisch korrekt aussprechen konnte und der RoboCop aufgeräumt hat. Gibson kann aus Altersgründen den Mad Max nicht mehr geben, an seine Stelle tritt Tom Hardy, den man wirklich nicht nur mit Bane aus The Dark Knight Rises verbinden sollte. Hardy hat nicht den irren Blick Gibsons, aber er ist körperlich gesehen ein Tier und darüber hinaus ein Improvisations-Schauspieler und ein echter Charakter, also alles was eine kultige Action-Figur braucht um eher auf der Bruce Willis-Seite denn auf der von schnell vergessener Muskelmasse zu rangieren.
Inhaltlich wie optisch steht Mad Mx Fury Road sicherlich Teil zwei und drei der Reihe näher als dem 1979 Independent-Movie. Laut Schöpfer George Miller soll er sich (stilistisch) auch eher an Mad Max II - Der Vollstrecker anschließen, Ähnlichkeiten zur Donnerkuppel sind allerdings ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Es mag der aberwitzig langen Planung zugute zu halten sein, aber Miller begeht dabei nicht den Fehler einen Handlungs-Aufguss (im Sinne von RoboCop 2014) auf die Leinwand zu pinseln. Stattdessen schießt er uns eine völlig unabhängige Version seines alten Klassikers ins Gesicht, die trotz allem einen Hauch von Nostalgie weckt. Seien wir ehrlich, wir sind eigentlich ganz einverstanden mit der Fincher-Kino-Revolte, aber hätten wir nicht ein bisschen Retro-Sehnsucht, dann würde es nicht so viele Teile The Expendables oder R.E.D. - Älter, härter, besser geben. Und mit etwas Glück bald eine geniale neue Mad Max-Trilogie.