Marvels Black Panther – Ein Vorreiter, der keiner ist

14.02.2018 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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Marvel-Produktionen müssen immer Sensationen sein. Für Black Panther wurde ein Alleinstellungsmerkmal erfunden, demzufolge es nie einen vielfältigeren Superheldenfilm gegeben hat. Steckt dahinter Amnesie, Ignoranz oder Hörigkeit?

Nicht zu bremsen seien die Erwartungen um den "ersten schwarzen Superheldenfilm", heißt es auf Refinery29 . Was Kritiker über den "ersten schwarzen Superheldenfilm" zu sagen haben, fragt sich das Online-Magazin Slate . Und welche Herausforderungen der Regisseur des "ersten schwarzen Superheldenfilms" zu meistern hatte, beschreibt ein Entertainment-Blog namens Appocalypse . Sollte das angedichtete Alleinstellungsmerkmal der neuesten Marvel-Produktion Black Panther zur eigenen Befeuerung ihrer Hype-Maschine nicht ausreichen, empfehlen sich dafür noch andere Superlative. Die linksliberale Website Salon behauptete  zum Beispiel, der vorgeblich erste schwarze Superheldenfilm sei überhaupt der erste Blockbuster mit einem schwarzen Helden im Mittelpunkt. Nach Widersprüchen durch freilich überraschte Twitter-Follower musste der Quatsch zwar schnell revidiert werden. Geklickt aber hatten den Beitrag wahrscheinlich genügend Menschen, die ihm auf den Leim gingen. Eine solche Meldung liest sich nämlich gut, selbst wenn sie unwahrer kaum sein könnte. Vielfalt als Verkaufsargument.

Die Kinoadaption des zumindest in der US-amerikanischen Massenunterhaltung ersten schwarzen Superhelden Black Panther – Comiclesern 1966 vertraut gemacht – scheint von einer fraglichen These gestützt. Vergessen sind offenbar jene filmischen Superheldenerzählungen, die ihr den Weg ebneten. Unberücksichtigt bleiben schwarze Filmgeschichte im Allgemeinen und die ihrer Superhelden im Besonderen. Versäumt wird die Gelegenheit, Boykottbemühungen rechter Gruppen  den Wind aus den Segeln zu nehmen, deren Kampf gegen divers gestaltete Superhelden schon vor mehr als zwei Jahrzehnten verloren war. Es hat vielleicht profane Gründe, dass Bryan Singer und manchmal auch Sam Raimi nachgesagt wird, sie hätten mit X-Men bzw. Spider-Man den Grundstein der anhaltenden Superheldenfilmwelle gelegt, obwohl sich dieses Verdienst genauso gut Blade zurechnen ließe. Den ersten Leinwandauftritt von Marvels schwarzem Comichelden nicht in einen aktuellen Zusammenhang mit Black Panther zu bringen, ist hingegen ein ziemliches Rätsel, ausgerechnet zu dessen 20-jährigem Kinojubiläum.

Blade (1998)

Blade war 1998 ein Achtungserfolg, im Kino setzte der Film weltweit 130 Millionen Dollar um, es folgten zwei Fortsetzungen sowie eine Real- und eine Animeserie. Mit dem blutdurstigen Vampirjäger, der in den Marvel-Comics auch zum Team der Avengers stößt, etablierte die R-Rated-Produktion einen schwarzen Mainstream-Superhelden, der seinerseits auf wichtige Vorläufer zurückblickte. Bereits 1977 erschien Abar, The First Black Superman, ein Blaxploitation-Film, der von Verbrechensbekämpfung durch einen Superkräfte erlangenden Bodyguard erzählte. Zu Beginn der 1990er Jahre erlebten vormals in überwiegend subkulturellen Zusammenhängen verhandelte schwarze Superhelden dann einen Boom, als Meteor Man (1993) und Blankman (1994) sie zunächst komödiantisch in die Kinos brachten und später von ernsthafteren Comicverfilmungen wie Spawn (1997) und Steel (1997) ergänzt wurden. Die Mystery Men (1999) wiederum hatten den von Kel Mitchell gespielten Invisible Boy im Gepäck, der im Disney Channel gezeigte Superboy Scott (2000) handelte von einer schwarzen Familie, die die Welt rettet.

Zwei Hollywoodstars setzten diese Tradition im neuen Jahrtausend fort. Will Smith, zugkräftiger Hauptdarsteller der Comicverfilmung Men in Black, spielte den Superhelden Hancock und führte zuletzt als Deadshot die Suicide Squad an. Halle Berry war als Storm eine figurale Konstante der X-Men-Sequels und schlüpfte 2003 in das Kostüm von Catwoman. Kommerziell wurde der bis heute einzige Solofilm um Batmans frühere Gegenspielerin zu einem von reichlich Häme begleiteten Misserfolg. Als im letzten Jahr Wonder Woman, der angeblich erste große weibliche Superheldenfilm, unter viel Zuspruch von Kritik und Publikum erschien, war die Erinnerung an ihn ähnlich verblasst wie an Supergirl (1984), Sheena (1984), Tank Girl (1995), Barb Wire (1996) oder Elektra (2005). Die symbolpolitischen Marketingstrategien der Comickonzerne tragen Früchte. Und es kann nur erstaunen, mit welcher Konsequenz sich weite Teile der Filmkritik solcherart Kino ergeben. Augenscheinlich fehlt ihnen die Lust zu ernsthafter Beschäftigung, weshalb sie vorsorglich jede neue Marvel-Produktion zum bislang besten Film des Studios küren.

Catwoman (2004)

So nachvollziehbar die Freude über ein inklusiveres Superheldenuniversum ist: Marvel verdient gewiss keine Dankbarkeit für die Verfilmung einer seiner populärsten Figuren – und die Hochstilisierung millionenschwerer Blockbuster zu dringlichen Woke-Ereignissen  wirkt nachgerade albern. Wenn die mittlerweile selbst in Disneys Regiefamilie aufgenommene Ava DuVernay einen vergleichsweise divers besetzten und gedrehten, aber nichtsdestotrotz popeligen Film wie The Cloverfield Paradox als "Geschichte schreibenden  Gamechanger " anpreist, haben Eventisierung und scheinbare Diskursrelevanz wohl ihren Höhepunkt erreicht. Es ist eine seltsame Art der Herangehensweise an Kunst oder was für Kunst gehalten wird. Qualitätskriterium Diversität, als sei es damit schon getan. Als müsste Marvel lediglich diversifiziert statt endlich überwunden werden. Als seien Superheldenfilme nun, da sie in einem Fantasy-Afrika spielen, die Rettung des Kinos. Vielleicht liegt darin der Irrtum von Auseinandersetzungen mit künstlerischen Werken, die Identitätsfragen zum alleinigen Maßstab machen – über eine kleinteilige ästhetische Kritik gehen sie nicht hinaus.

Für Marvel ist das natürlich ein gutes Geschäft. Vorab verkaufte Black Panther so viele Tickets  wie kein anderer Superheldenfilm, am ersten Wochenende soll er allein in den nordamerikanischen Kinos mindestens 170 Millionen Dollar  einspielen. Der Film mag eine Lücke im MCU genannten Marvel-Kinouniversum schließen, die der seltsam folgenlos gebliebene Blade seinerzeit hinterließ. Ihm mag die volle Behandlung des Studios zugute kommen, inklusive der immensen Kosten für Produktion und Vermarktung. Und möglicherweise darf Ryan Coogler auch eine Origin Story erzählen, die etwas weniger abgestanden oder gar "erfrischend anders" ist (worauf jedenfalls die Exotisierung des Materials abzuzielen scheint, was eher befremdlich anmutet). Der erste Film seiner Art ist es dennoch nicht, ganz gleich, wie sehr das Bohei um ihn etwas Gegenteiliges zu vermitteln versucht. Tatsächlich erinnert Black Panther vielmehr an ein Superheldenkino, das schon mal wesentlich diversifizierter war. Sofern Marvels reibungslos laufende PR-Maschine diesen Erinnerungen keinen Strich durch die Rechnung macht.

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