Meisterregisseur kehrt mit Kriegsdrama vor sagenhafter Kulisse zurück: So gut ist Amrum mit Laura Tonke & Matthias Schweighöfer

16.05.2025 - 06:30 Uhr
Fatih Akins Amrum feierte seine Weltpremiere in Cannes
Warner Bros.
Fatih Akins Amrum feierte seine Weltpremiere in Cannes
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Fatih Akins neuer Film mit Laura Tonke, Diane Kruger und Matthias Schweighöfer erzählt vom Erwachsenwerden im Schatten des Nationalsozialismus. In Cannes wurde er jetzt gezeigt.

Nach dem Serienkiller-Albtraum Der goldene Handschuh und der Gangster-Story Rheingold wendet sich Regisseur Fatih Akin in seinem neuen Film Amrum erneut realer deutscher Geschichte zu. Diesmal liegt sie 80 Jahre in der Vergangenheit. Der Coming-of-Age-Film aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs kommt erst im Herbst in die deutschen Kinos, aber hat jetzt schon seine Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Cannes gefeiert.

Amrum wurde von einer wahren Geschichte inspiriert

"Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin" heißt es im Vorspann von Amrum, denn die Geschichte geht so: Schauspieler, Regisseur und Produzent Hark Bohm hat das Drehbuch auf Basis der Erinnerungen an seine eigene Kindheit geschrieben. Da er nicht mehr in der Lage war, den Film selbst zu realisieren, fragte er Fatih Akin.

Bohm wurde in Hamburg geboren und wuchs während des Krieges auf der etwa 20 Quadratkilometer großen Nordseeinsel auf. Hier treffen wir sein Alter Ego Nanning (Jasper Billerbeck) kurz vor Kriegsende. Er verbringt seine Tage mit Schule, Stromern durchs Wattenmeer und kleinen Arbeiten für die schnippische Bäuerin Tessa (Diane Kruger). Als die Nachricht von Hitlers Tod die Insel erreicht, bricht bei seiner ideologisch verblendeten Mutter Hille (Laura Tonke) nicht nur die Fruchtblase, sondern auch eine Welt zusammen.

Hier ist der Trailer für Amrum:

Amrum - Trailer (Deutsch) HD
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Alles Leben weicht mit dem Tod ihres geliebten Führers aus der Frau, die mit ihren Kindern vor den Bomben Zuflucht auf der Insel gefunden hat. Selbst das Essen verweigert sie nach der Geburt. Sie äußert nur einen Wunsch: endlich wieder ein Weißbrot mit Butter und Honig in Händen halten. Keine leichte Angelegenheit für Nanning, denn auf der Insel mangelt es wegen des Krieges an allem. Er setzt es sich trotzdem in den Kopf und entwickelt mittels Tauschwirtschaft und reichlich Kreativität einen Plan, wie er an die begehrten Güter kommt.

Es beginnt eine Reise zu den Nachbarn auf der Insel. Manche von ihnen hören Feindsender, anderen trauern dem im Untergang begriffenen Reich hinterher. Dabei erhält Nanning widerwillig eine Perspektive, die dem Bild von seiner geliebten Mutter einige Risse verpasst.

Wunderhübsche Naturaufnahmen und ideologische Vergiftung wechseln sich in Amrum ab

Amrum lockt mit postkartenreifen Aufnahmen von Watt, Wind und Wetter, eingefangen von Kameramann Karl Walter Lindenlaub (Halo). Die Liebe zu diesem Ort und seinen eigensinnigen Menschen scheint durch in den Naturbildern sowie der Beobachtung ihres Lebensunterhalts, von der Arbeit auf dem Feld bis zur Jagd nach Robben oder Kaninchen. Die Einheimischen sprechen ihren eigenen Dialekt, sie haben ihren eigenen Weg gefunden, auf der Insel zu leben, und der entwurzelte Nanning saugt ihre Lebensweise auf.

Amrum ist allerdings keine anthropologische Studie, sondern eine Art biografische Miniatur, die in knappen 100 Minuten vonstattengeht. Das Drehbuch arbeitet mit einfachen Typen, passgerecht für Nannings Kinderaugen zugeschnitten.

Es gibt die patentierte kauzige Detlev Buck-Rolle, den stramm stehenden Nazi-Onkel und die hungrigen Flüchtenden aus Schlesien. Wenige von ihnen bewegen sich über die Grenzen einer Karikatur hinaus. Das betrifft nicht selten ihre Haltung zum NS-Regime, was die Einordnung in Schubladen vereinfacht. Phasenweise wirkt Amrum deshalb zu rund, zu proper für sein sperriges Thema. Pittoresk werden die Charakterköpfe in den romantischen Panoramen von Meer und Sand angeordnet, während die Nazis eingeschnappt ihre Fahnen hissen.

Laura Tonke beeindruckt in einer schwierigen Rolle

In Amrum werden diese Überzeichnungen in der Mutter-Sohn-Beziehung aufgebrochen und mit den nötigen Schattierungen versehen. Zum einen, weil das Drehbuch den Eifer von Hille und die Konsequenzen ihrer Taten nicht beschönigt. Mit den Namen von Matthias Schweighöfer und Diane Kruger lockt das Poster, aber ihre Rollen sind auf ein paar wenige Szenen begrenzt. Der erwachsene Star des Films heißt Laura Tonke, gerade weil sie in der Rolle die abscheulichen Seiten ihrer Mutterfigur betont, ohne deren Verzweiflung zu unterschlagen.

Nanning erweist sich als weitaus vielschichtigere Figur, als der Film lange erahnen lässt. Durch seine Augen lernt man das Inselvölkchen lieben und in seinen Augen erforscht der Film, wie Glaube und Hass der Erwachsenen, wie Menschen- und besonders Männerbilder von einer Generation zur nächsten getragen werden. Das trägt erst spät im Film Früchte, aber dann ist in Amrum endlich der versprochene "Film von Fatih Akin" zu erkennen.

Wir haben Amrum beim Festival von Cannes 2025 gesehen, wo er in er Sektion Cannes Première läuft. Der Film kommt am 9. Oktober in die deutschen Kinos.

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