Michael Bay & der Niedergang des US-Actionfilms

13.06.2011 - 08:15 Uhr
Transformers: Die Rache
Paramount
Transformers: Die Rache
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Ich liebe Actionfilme. Umso schlimmer ist es, die beiden ersten Transformers-Filme zu durchleiden. Denn die beweisen, dass Michael Bay seine Zuschauer nicht gerade ins Herz geschlossen hat.

Das uralte Argument gegen alle Kritiker des Actionregisseurs Michael Bay lautet: Du musst halt dein Hirn ausschalten, um Spaß zu haben. Dabei wird aber ein entscheidender Faktor übersehen. Ich habe mir Transformers damals im Kino nicht angeguckt, um meinen intellektuellen Horizont zu erweitern. Ich wollte einen Actionfilm sehen, der mich mitreißt. Einen, der eben das versucht, was die besten Vertreter meines Lieblingsgenres, von Stirb langsam bis Hard Boiled, zu leisten im Stande sind. Genau bei dieser Aufgabe versagt Michael Bay ein ums andere Mal. Doch der Grund, warum die Filme von Michael Bay soviel Kritik einstecken, ist nicht, dass sie dumm sind. Der Grund ist schlicht und einfach, dass sie sich nicht für ihre eigenen Zuschauer interessieren.

Symptom 1: Exhibitionismus macht nur dem Exhibitionisten Spaß
An und für sich ist Michael Bay kein schlechter Regisseur, zumindest nicht im Sinne von “Uwe Boll -schlecht”. Er weiß, wie er die Kamera positionieren muss, um ein ansehnliches Bild zu Stande zu kriegen. Farbe und Bewegung kombiniert Michael Bay zumindest so, dass sie ansprechend fürs Auge sind. Ich erinnere nur an jene Einstellung in Transformers, in der sich in Zeitlupe ein Decepticon aus dem Wüstensand schält, während im Vordergrund die Soldaten davon rennen. Das hätte sogar ein ganz großer Wow-Moment werden können, wenn der Film mit seinen Reizen (sprich: gigantischen Robotern) etwas sparsamer umgegangen wäre. Stattdessen ist es nach dem Angriff auf den US-Stützpunkt am Anfang nur ein weiterer hübscher Moment innerhalb einer ermüdenden Bilderflut.

Das Actiongenre basiert auf einem simplen Prinzip: dem Spektakel. Alles andere drumherum ist den Regisseuren und Drehbuchautoren überlassen. Doch auch die Explosionen, Mann-gegen-Mann-Kämpfe und Verfolgungsjagden unterliegen einer Dramaturgie. Der Zuschauer muss bei Laune gehalten werden, er muss etwas mit Spannung erwarten, sonst verlässt er das Kino oder sein Wohnzimmer. Abgesehen vom privaten Ziel der Hauptfiguren, das meist auf den kleinsten gemeinsamen Nenner “Überleben” zu reduzieren ist, spielt das Spektakel hier eine gewichtige Rolle. Schließlich zeigt ein Spieler seine Trumpfkarte nicht, wenn die Einsätze gering sind, sondern wenn der Gewinn sich lohnt. Genau darum geht es im Actiongenre. Deswegen bekommen wir in Jurassic Park den T-Rex und die Raptoren erst viel später zu sehen, als die anderen Dinosaurier.

Michael Bay hat sich nie wirklich mit Fragen der Dramaturgie auseinandergesetzt. Das wird gerade bei den Transformers-Filmen offensichtlich. So zeigt Transformers den ersten Decepticon gleich in der Anfangssequenz mit dem Angriff auf den Stützpunkt und Transformers – Die Rache wählt als sanften Einstieg ein in Schutt und Asche gelegtes Shanghai. Wenn es um die Spannung und das Spiel mit der Zuschauererwartung geht, ist Michael Bay wie ein Exhibitionist im Park. Es mag ihm unheimlich viel Freude bereiten, sich vor Fremden zu entblößen. Diese aber sind höchstens peinlich berührt.

Symptom 2: Action kommt von Aktion und Reaktion
Die unsägliche Wackelkamera aus The Rock – Fels der Entscheidung hat Michael Bay in seinen letzten beiden Filmen glücklicherweise in Rente geschickt. Vielleicht hatte er so eine entfernte Ahnung, dass Millionen Dollar teure Special Effects irgendwie sinnlos sind, wenn sie so inszeniert werden, dass der Zuschauer sie nicht mehr erkennt. Doch leider war dies nur eine Ahnung, keine Erkenntnis. Denn wenn Michael Bay eines abgeht, dann ist es die Fähigkeit, Actionszenen zu drehen. Schließlich ist der Regisseur so verliebt in die oben erwähnten hübschen Bilder, dass er vergisst, sie logisch zu kombinieren.

Das schwierige an einer Actionszene ist seit jeher, die Zuschauer (also euch) im Raum zu positionieren. Ihr müsst schließlich mitkriegen, wer wo steht, wer auf wen schießt, wer von wem getroffen wird. Seit den 80er Jahren ist dieses grundlegende Handwerk im amerikanischen Actionfilm immer seltener zu sehen. Stattdessen ist eine Desorientierung das Ziel, die häufig mit der Ausrede “Realismus” einhergeht. Den Filmen von Paul Greengrass (Das Bourne Ultimatum, Green Zone) nehme ich das Argument ab, auch wenn sie trotzdem schrecklich inszeniert sind. Bei einem wie Michael Bay sieht das anders aus. Dass wir im letzten Drittel von Transformers nicht mehr ausmachen können, wer nun Decepticon, wer Autobot ist, und wer hier überhaupt auf wen schießt, verdanken wir schlicht einem nachlässigen Filmemacher. Eine Actionszene zwischen zwei Figuren/Robotern bekommt er gerade so hin, doch sobald ein vielfältiger Raum oder mehrere Teilnehmer im Spiel sind, ist Michael Bay hoffnungslos verloren. Es ist kein Zufall, dass sich Transformers ausgerechnet bei der abschließenden Schlacht zwischen den Hochhäusern zu lang anfühlt.

Da Transformers – Die Rache anders als der Vorgänger ausschließlich aus Actionszenen besteht, setzt dieses Gefühl gefährlich früh ein. Kritiker müssen nicht einmal die rassistischen Stereotype, die Verherrlichung des Militärs und die abwesende Handlung heranziehen, um diesen Film ins Fadenkreuz zu nehmen. Vernichtender ist das Urteil, dass Transformers 2 einer der langweiligsten Actionfilme der letzten 20 Jahre ist. Doch hier kommt die große Tragik ins Spiel. Denn wäre Michael Bay nur ein “Einzeltäter”, wäre der Zorn über seine Filme mittlerweile zu Desinteresse abgeflaut. Stattdessen aber ist Michael Bay zur Speerspitze eines Trends im amerikanischen Actionkino geworden. Dieses behandelt den Zuschauer nicht mehr wie ein intelligentes Wesen, das Informationen nach der Aufnahme verarbeiten muss. Ihr seid für Filmemacher wie Michael Bay, McG, D.J. Caruso, Rob Cohen und Peter Berg nicht mehr als der Pawlowsche Hund, der zu sabbern anfängt, obwohl weit und breit kein Futter in Sicht ist.

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