Nachdem wir gestern über die Oscar-Nominierungen 2011 berichtet haben, begannen sofort die Diskussionen. Viele unter euch forderten eine Nominierung für Christopher Nolan als bester Regisseur für Inception. Zwar bekam der meistdiskutierte Blockbuster des letzten Sommers eine Nominierung als bester Film. Ansonsten musste sich Inception aber größtenteils mit den technischen Kategorien begnügen. Dass es der Hit nicht geschafft hat, die Konkurrenz als Über-Blockbuster à la Avatar – Aufbruch nach Pandora in Schach zu halten, ist symptomatisch für den derzeitigen Geschmack der Academy. Auch zehn Nominierungen, junge und hübsche Hosts und eine gekürzte Veranstaltung ändern nichts daran, dass der Oscar in der Hand kleinerer Filme ist. Dass dies nicht automatisch den Drang einer überalteten Organisation nach frischen filmischen Innovationen signalisiert, zeigt ein genauerer Blick auf die Liste der Nominierten. Die Oscars favorisieren noch immer althergebrachte Erfolgsrezepte und das macht sie nicht gerade spannender.
Bevor am Wochenende die PGA-Awards vergeben wurden, stand auf den Favoritenlisten der Experten und Möchtegern-Experten ein Titel fett und rot unterstrichen: The Social Network. Doch dann geschah etwas, dass den Oscar Buzz mächtig durcheinander wirbelte. Der 15 Millionen Dollar teure The King’s Speech – Die Rede des Königs gewann den Preis der Produzentenvereinigung und wenn es noch eines weiteren Beweises dafür bedurfte, dass die Golden Globes eben nicht der Gradmesser für die Oscars sind, dann hatten wir den nun schwarz auf weiß. Dass der kleine Historienfilm von Tom Hooper gestern 12 Oscar-Nominierungen einsackte und sich nun seines Favoritenstatuses für den 27. Februar brüsten darf, sagt einiges aus über den noch immer konservativen Geschmack der Academy. The King’s Speech – Die Rede des Königs ist beileibe kein schlechter Film. Aber es ist eben auch eine typische Underdog-Story über einen stotternden Thronfolger, der, von allen unterschätzt, zum großen König heranwächst. Und die Academy liebt ihn dafür.
Stories, wie sie The King’s Speech – Die Rede des Königs liefert, sind älter als die Filmgeschichte. Die eskapistischen Geschichten biedern sich dem Zuschauer an, sagen die einen. Die anderen sehen darin das noch immer pochende Herz des klassischen Hollywood-Kinos. Nicht weniger klassisch, aber zumindest ungewöhnlich in der Umsetzung ist The Social Network, der sich mit 8 Nominierungen immer noch große Hoffnungen machen darf. Unter allen Nominierten für den besten Film ist The Social Network womöglich der einzige, der sich um aktuelle gesellschaftliche Themen dreht, der tatsächlich von jener Epoche handelt, in der wir gerade leben. Zu Recht verweist die ZEIT darauf, dass die Tagesaktualität der Oscars im letzten Jahr mit Filmen wie Tödliches Kommando – The Hurt Locker und Precious – Das Leben ist kostbar noch ganz anders ausgesehen hatte. Die Herrschaft der klassischen Geschichten über die Academy Awards spiegelt sich jedoch auch in dem Film von David Fincher wider. Nicht zufällig wurde der Aufstieg des Mark Zuckerberg zum jüngsten Milliardär der Geschichte mit Citizen Kane verglichen.
Eine deutliche Absage erteilte die Academy der Moderne in Gestalt des 3D-Trends. Während die umstrittene Technik dank der hohen Eintrittspreise die Kassen klingeln lässt und zurückgehende Zuschauerzahlen übertüncht, schaffte es nur ein 3D-Hit in die Liste der 10 besten Filme. Der heißt Toy Story 3 und wirbt in erster Linie mit dem Pixar-Bonus für sich. Stattdessen belohnte die Academy die Wiederbelebung eines totgeglaubten Genres und schenkte True Grit von Joel Coen und Ethan Coen ganze 10 Nominierungen. Den Hollywood-Film revolutioniert haben die Coen-Brüder mit dem klassischen Western ganz sicher nicht. Doch auf tatsächlich moderne, revolutionäre oder auch nur herausfordernde Filme unter den Nominierten zu hoffen, ist eine größtenteils vergebliche Liebesmüh. Filme, an denen wir uns reiben, über die wir leidenschaftlich diskutieren können, sind kaum dabei. Die Qualität der Nomininierten ist durchaus hoch, aber innovatives Kino, Werke, die ihr Medium vorantreiben oder unseren Blick auf die Dinge verändern, suchen wir mal wieder vergebens. Die Zukunft findet nicht beim Oscar statt.