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Paul Verhoeven - ein Leben zwischen Genie und Wahnsinn

01.11.2014 - 06:00 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Geprägt durch die Auswirkungen des 2. Weltkriegs, schaffte es der Niederländer trotz Gegenwind zu einem der bedeutendsten Regisseure des 20. Jahrhunderts zu werden. Was ihn groß machte und warum er es heute noch schafft, die Menschen mit seinen Bildern und seiner Erzählweise in seinen Bann zu ziehen, erfahrt ihr hier.

Am 18. Juli 1938 wurde Paul Verhoeven in Amsterdam geboren. Ein Jahr vor Ausbruch des 2. Weltkriegs. Seine frühen Kindheitsjahre waren somit aufgrund der NAZI-Herrschaft geprägt. Dieser Umstand prägte seine Bildsprache sowie seine Intention des Schöpfungsprozesses nachhaltig. Analogien zu dieser Zeit, insbesondere zu dem Unrechtsregime der NAZI-Herrschaft sind daher nicht zufällig. An der Universität von Leiden  studierte er erfolgreich und schloss in Mathematik sowie in Physik erfolgreich ab. Von 1960-1963 machte er sich aufgrund von Kurzfilmen einen Namen.

Seine Filme handelten oft von Sexualität und Gewalt und durch die überzogene bzw. karitative Darstellung dieser Szenen bot er oftmals das Zentrum einer Kontroverse bezüglich Sinn und Unsinn seiner Werke. Sein frühes Meisterwerk lieferte er mit Der Soldat von Oranien ab, in dem er die Schrecken des 2. Weltkrieges sowie dessen Verführung zur Kollaboration abzeichnete. Die Protagonisten studierten ebenfalls an der Universität von Leiden, während Alex, einer der Handelnden, der Waffen-SS beitritt, versuchen sich die anderen an der Revolte gegen die Wehrmacht. Im Verlauf des Krieges kämpfen die ehemaligen Freunde im Widerstand und merken am Ende erst, wie sie sich entfremdet haben.

Die Zeit des Krieges hat den Ausnahmeregisseur mehr als geprägt. Auf die Frage ob und wie ihn der Faschismus in seinem Wirken geprägt hat, erwiderte er: "Yes, process and understand it. By now, there are 600-700 books I have collected and read on WW II. This goes for me and my old friend, the screenwriter Gerard Soeteman, as a child you don’t understand. If you grew up in an occupied country, in a violent atmosphere, war was more natural than peace ." - Krieg war natürlicher als Frieden. Eine bezeichnende Aussage.

Durch den Film Türkische Früchte erlangte er endgültig Berühmtheit und wurde zum kommerziell erfolgreichsten Regisseur dieser Zeit in den Niederlanden.

1985 legte er mit dem blutrünstigen Fleisch & Blut nach, ein brutales Spektakel, in dem viel gemordet und vergewaltigt wird. Er zeigte eine sehr düstere Vision des Mittelalters, dass von der internationalen Kritik zwar positiv aufgenommen wurde, aber leider ein finanzielles Desaster war. 6,5 Mio. Produktionskosten standen 100.000 Dollar Einspielergebnis an den amerikanischen Kinokassen gegenüber. Der Film ist durchaus einen Blick Wert, insbesondere der junge Rutger Hauer macht einen guten Job.

Dies alles war die Wegbereitung für seinen kreativen Siegeszug. Sein Geniestreich begann 1987 mit RoboCop, einem der härtesten und kompromisslosesten Filme der 80er Jahre. Im Detroit der Zukunft wurde die Polizei privatisiert und gehört einem Konzern mit dem Namen OCP. Hoffnungslos unterbesetzt versuchen Officer Alex J. Murphy und seine Kollegen der Lage Herr zu werden. Bei dem Versuch ein paar Bankräubern das Handwerk zu legen wird der enthusiastische Cop erschossen. Und wie - erst wird ihm die Hand abgetrennt, dann der Arm und unzählige Magazine werden in ihn entleert. Eine schockierende und unendlich brutale Szene, welche die Sinnlosigkeit seines Handels sowie die Unmenschlichkeit seiner Antagonisten verdeutlicht.


Doch die brutale Hinrichtung des Officers Alex J. Murphys war nicht die einzige schockierende Szene. Die Dreharbeiten in Dallas, welches das Detroit der Zukunft darstellte, taten ihr übriges. Es war dreckig und heruntergekommen. Der ED-209 war übrigens Kult. Ein Cyborg, der einen Mitarbeiter so übelst zerlegte, dass er förmlich explodiert ist. Im übrigen Film jagt RoboCop seine Mörder und deckt ein gewaltiges Komplott auf, welches seine Ursprünge in der narrativen Konsequenz der Geschichte hat.

Nachdem Paul Verhoeven dieses Benchmark abgeliefert hat, legte er 3 Jahre später mit dem wohl besten Schwarzenegger Film nach. Die totale Erinnerung - Total Recall skizzierte den Traum jedes Nerds dieser Zeit. Dein Leben ist nur eine Illusion, eigentlich bist Du der Held einer interstellaren Verschwörung, deren Aufdeckung Du verpflichtet bist. Es war wie eine Offenbarung. Der röhrende Soundtrack von Jerry Goldsmith  tat sein Übriges. Obwohl der Film aufgrund seiner expliziten Gewaltdarstellung damals auf dem Index gelandet ist, wurde ihm aufgrund einer Neuprüfung der FSK ein 16er Siegel zugestanden, eine fortschrittliche Entscheidung seitens der FSK.

Um die Filmographie sinnvoll zu komplettieren müssen noch die schwächeren Filme Showgirls und Basic Instinct erwähnt werden. Insbesondere im Bezug auf den letzteren Film muss beachtet werden, dass Verhoeven hier eine perfekte Symbiose von Sex, Gewalt und Thrill gelingt.



Sein Meisterstück gelang Verhoeven allerdings erst mit Starship Troopers, einem Crossover aus Splatter-Action, Sci-Fi und persönlichen Erfahrungen des Regisseurs. Verhoeven wurde im Jahr 1938 geboren, also dürfte er das Kriegsgeschehen erst in Kindheitsjahren mitbekommen haben. Doch die Jahre haben ihn natürlich geprägt. Starship Troopers schockiert mit Bildern äußerster Brutalität. Die aufgeschichteten Haufen der Bugs erinnern teils an die Leichenhaufen, welche die Nazis hinterlassen haben. KZ als Reminiszenz des Nazi-Regimes? Paul Verhoevens Welt ist das Brechen von Tabus, sein Werdegang bestimmt sein Schaffen. Genau das macht ihn genial, und lässt darauf hoffen, dass er in Zukunft einen weiteren Geniestreich im Köcher bereit hält.

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