Harvey Weinstein, inoffizieller König der Oscarkampagnen, hatte es in den letzten Monaten nicht leicht. Nur fünf seiner Filme schafften es in die finale Runde des Oscarrennens. Von diesen gelangte einzig Philomena in den erlauchten Kreis der Nominierten für den Besten Film. Mit insgesamt nur vier Oscarnominierungen muss sich das Drama von Stephen Frears allerdings hinten anstellen, dominieren doch 12 Years a Slave und Gravity das Feld. Einige Beobachter sehen Philomena aktuell auf dem vierten Rang des Rennens. Aber haben wir es hier vielleicht mit dem Außenseiter zu tun, der den Großen den Preis wegschnappt?
Wenn es um die Chancen von Philomena geht, müssen wir etwas tiefer graben. Bei den so wichtigen Preisen der Berufsvereinigungen konnte das Drama mit Judi Dench und Steve Coogan nämlich ebenso wenig punkten wie beim Golden Globe. Dafür hat Philomena etwas, das kein anderer Kandidat vorweisen kann: Harvey Weinstein. Weinstein, der zuletzt The King’s Speech – Die Rede des Königs und The Artist zum Oscar führte, hat dieses Jahr nichts zu verlieren, außer ein paar Millionen Kampagnen-Dollar. Wie Scott Feinberg herausstellt, könnte er seine Investitionen kurz vor den Oscars ganz auf Philomena konzentrieren, da die Chancen für seine anderen Kandidaten (darunter Meryl Streep, Julia Roberts, Mandela: Der lange Weg zur Freiheit) noch schlechter stünden.
Philomena ist auf den ersten Blick nämlich der ideale Weinstein-Oscargewinner. Wie The King’s Speech und Mein linker Fuß basiert der Film auf einer wahren Geschichte. Philomena packt mit erzwungenen Adoptionen durch die katholische Kirche zudem ein heißes Eisen an. An Komik mangelt es dem Drehbuch von Steve Coogan und Jeff Pope ebenfalls nicht und am Ende warten für viele Zuschauer die Tränen. Philomena Lee, reales Vorbild von Judi Denchs Figur, hat die aus Krankheitsgründen verhinderte Hauptdarstellerin in der Oscar-Saison vertreten und reist mit Steve Coogan von Q&A zu Q&A. Hinzu kommen die möglichen Sympathien des britischen Blocks innerhalb der Academy sowie der älteren Mitglieder, die mit einer Judi Dench vielleicht mehr anfangen können als mit Jennifer Lawrence.
Heißt das, Philomena hat eine reale Chance auf einen Oscargewinn in der Kategorie Bester Film? Wohl eher nicht. Trotzdem könnte das kleine Drama triumphieren, wenn Gravity und 12 Years a Slave sich im Gleichstand gegenseitig ausstechen. Im Falle des Falles wartet dann aber noch American Hustle.
In Deutschland startet Philomena am 27. Februar.
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