Pitch - Pilot-Check zur energiegeladenen Baseball-Serie

24.09.2016 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Kylie Bunbury startet in der Pilot-Episode zu Pitch als erste Frau in der Major League Baseball durch.FOX
0
2
Mit Pitch landet FOX seinen ersten großen Serien-Hit in der diesjährigen Herbst-Saison. Die Geschichte um die erste Frau in der Major League Baseball legt einen aufregenden Start hin und lässt auf Großes im Verlauf der nächsten Wochen hoffen.

Nach den Upfronts im Mai 2016 war klar: Die diesjährige Herbstsaison stützt sich in erster Linie auf Vertrautes wie Etabliertes. Kevin James kehrt auf CBS mit einer trockenen Sitcom zurück, während NBC die nächste Chicago-Serie ins Programm nimmt, von diversen Filmadaptionen und Neuauflagen wie The Exorcist, Lethal Weapon und MacGyver ganz zu schweigen. Dass FOX im gleichen Atemzug ein Sportdrama im Baseball-Metier auf den Markt bringt, könnte geradezu als dreister Versuch gewertet werden, das Fass an Konventionen endgültig zum Überlaufen zu bringen. Pitch, geschaffen von Dan Fogelman und Rick Singer, ist jedoch alles andere als die gewöhnliche Geschichte über einen aufstrebenden Star der San Diego Padres. Die Serie erzählt von der ersten Frau, die es als Pitcherin in die Major League Baseball (MLB) geschafft hat, und ist fest entschlossen, Geschichte zu schreiben.

Diese Energie wird bereits in den ersten Minuten deutlich: Von allen Seiten schreien die Fans, auch Journalisten und Reporter sind aus dem Häuschen. Im Fernsehen wird von der größten Sensation seit O.J. Simpson geredet. Selbst Michael Jackson und Leonardo DiCaprio werden als Vergleich bemüht, um das Profil der Protagonistin zu schärfen, namentlich Ginny Baker (Kylie Bunbury). Bevor sie überhaupt das Feld im Petco Park-Stadium betreten kann, wird sie von allen Seiten zur nationalen Ikone ernannt. Nicht nur eine ganze Generation junger Frauen hat Ginny zu ihrem Vorbild erklärt - die ganze Welt fiebert ihrem Debüt bei den San Diego Padres entgegen. Doch dann verschwinden die Blitzlichter und dicke Betonmauern verbannen die unermüdlichen Schreie der Fans in weite Ferne. In diesem Augenblick betritt Ginny eine Welt, die ihr alles andere als freundlich gesinnt ist, nämlich die Kabine ihres zukünftigen Teams.

Kylie Bunbury in Pitch

Zwar ruft Trainer Al Luongo (Dan Lauria) sein Team noch zur Professionalität auf, in Wahrheit glaubt er jedoch genauso wenig wie die meisten Spieler daran, dass sich eine Frau auf dem Spielfeld beweisen kann. Der aktive wie passive Seximus ist von allen Seiten zu spüren, ja, nach all den positiven Emotionen der ersten zehn Minuten wirkt die Ankunft im Umkleideraum niederschmetternder, als es jede Niederlage je hätte sein können. Trotzdem lässt sich Ginny nicht einschüchtern und schöpft aus einem gewaltigen Topf an Selbstvertrauen, hart antrainiert über viele Jahre in einem Sport der Männer-Domäne. Was Dan Fogelman und Rick Singer gleich an dieser Stelle richtig machen: Sie stellen den Sexismus nicht aus und rennen aufgebracht mit erhobenem Zeigefinger durch die Gegend, sondern widmen sich der Problematik auf vielseitigem Wege. Alleine der Klaps auf den Po bekommt mehrere Bedeutungen zugeschrieben, wodurch er sich einer Integration als abgedroschenes Klischee entzieht und für das eigentliche Problem - die vermeintliche Selbstverständlichkeit jener Geste - sensibilisieren kann.

Der vielschichtige Umgang mit Sexismus spiegelt generell eine der großen Stärken von Pitch wieder. Selbst wenn sich die Serie auf dem Papier wie das nächste Sportdrama anhört, das ausschließlich den herkömmlichen Erzählmustern der Gattung folgt, gelingt es der 45-minütigen Pilot-Episode all diese Herkömmlichkeiten für den Moment des Geschehens zu vergessen, weil Ginnys Weg ins Licht der Scheinwerfer schlicht und ergreifend zu mitreißend dafür ist. Pitch stellt an vielen Stellen die richtigen Weichen, um das Maximum an Effektivität aus den simplen sowie überschaubaren Grundbausteinen der Serie herauszuholen. Jede Szene läuft auf ein bestimmtes Ereignis hinaus, in dessen Mittelpunkt sich meistens Ginny befindet. So interessant diverse Intrigen und Machtspiele hinter den Kulissen der San Diego Padres sind: Rückblickend offenbart sich die Entscheidung, den Fokus hauptsächlich auf Ginny zu richten, als Wohltat.

Dem passt sich der Tonfall an. Von den analytischen Bildern, wie sie etwa in Bennett Millers Moneyball zu sehen waren, finden sich nur wenige in Pitch wieder. Zwar existieren sie, die kühlen, düsteren Ecken im Untergrund des Stadiums. Überwiegend widmet sich Pitch allerdings dem berührenden Drama und balanciert dabei gekonnt zwischen den großen und kleinen Momenten. Die erfrischendste Komponente dabei ist womöglich die ständige Gratwanderung zwischen erfüllten und unerfüllten Erwartungen. Lässt sich der Ablauf der Handlung für 99 Prozent der Laufzeit vorhersagen, begeistert die konkrete Gestaltung einzelner Szenen mit einem unglaublichen Gespür für den Augenblick. Nicht nur glänzt Pitch mit einem ausgereiften Look, sondern löst ebenso die eingangs erwähnte Ambition ein: Hier wird Geschichte geschrieben. Und Pitch ist sich dieses Umstand zu jeder Sekunde bewusst.

Dan Lauria, Mark-Paul Gosselaar und Kylie Bunbury in Pitch

Regisseur Paris Barclay, der zuletzt hauptsächlich mit Kurt Sutter an Sons of Anarchy und The Bastard Executioner gewerkelt hat, leistet bei der Pilot-Episode ordentliche Arbeit, was diese Größe des Augenblicks angeht. Pitch kommt nie in die Situation, die eigentlichen Schauwerte seines Sujets aus Budgetgründen zu verstecken, sondern zehrt vor allem von der prächtig eingefangenen Stadion-Kulisse. Die Bildsprache ist klar, deutlich und transportiert einen gewissen Glanz, wie er im Network-Fernsehen eher selten zu sehen ist. All diese äußeren Erscheinungsmerkmale wären jedoch kaum etwas wert, wenn der emotionale Kern nicht stimmt. Mit Kylie Bunbury haben Dan Fogelman und Rick Singer aber ihren perfekten Star gefunden. Wie die ganze Welt auf Ginny als erste Frau in der MLB setzt, ist Pitch extrem von seiner Hauptdarstellerin abhängig, die sie in den kommenden Wochen und Monaten durch die Serie führen wird.

Kylie Bunbury, bisher aus Serien wie Under the Dome, Tut - Der größte Pharao aller Zeiten und Twisted bekannt, füllt diese Rolle großartig aus und bringt Leben in eine Figur, die im schlimmsten Fall zur bloßen Kopie unzähliger Vorbilder verkommen wäre, hätte jemand beim Casting kein glückliches Händchen bewiesen. Bei Pitch ist dies allerdings nicht der Fall. Ginny gehört zu jener Gruppe Protagonistinnen, die schon existieren, bevor die Handlung der Serie überhaupt angefangen hat, obwohl sie noch lange nicht da angekommen ist, wo sie eigentlich hin will. Kylie Bunbury verkörpert exakt diese Inspiration einer jungen Frau, die sich aller Widerstände zum Trotz in die Höhle des Löwen wagt. Dann ist es nicht der schockierende, völlig unerwartete Cliffhanger zum Schluss, der in der nächsten Woche zum Einschalten bewegt, sondern die Ausstrahlung einer Serienfigur und ihrer Schauspielerin, die hoffentlich noch viele weitere Episoden so stark bleibt wie in ihrem Debüt. Home Run!

Der Main-Cast von Pitch


Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News