Slumdog Millionär hat nicht nur Freunde

18.03.2009 - 08:52 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Slumdog Millionär
Prokino
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Der diesjährige Oscar-Gewinner findet in der Presse gespaltenes Echo. Was sind die Vorwürfe?

Acht Oscars hat Slumdog Millionär gewonnen. Zum Abschluß der Oscar-Gala tanzten kleinen indische Jungs auf der Bühne, die ganze Crew marschierte nach vorn und jubelte. Aber nicht alle jubeln mit, denn der Film von Danny Boyle wird auch kritisch begutachtet. Wir berichteten von Boykott und Krawallen gegen den Film in Indien und andererseits von euphorischen Bollywood-Feiern, als der Oscar-Segen hereinbrach. Selten hat ein Film derart polarisiert. Das spiegelt sich auch in unserer Community: Ihr habt Punkte zwischen 3,5 bis 10 vergeben. Auch in der deutschen Presse stehen Kritik und Lob dicht beieinander. Hier einige der wichtigsten Kritikpunkte.

Es gibt laut Bert Rebhandl in der Berliner Zeitung gute Gründe, sich auch in einem Land wie Deutschland über den Film zu ärgern. “Denn gerade das westliche Publikum wird hier doch recht unverhohlen für blöd verkauft (wie auch im Film die Touristen am Taj Mahal): Ganz so, als wäre die indische Kultur und zumal deren großartiges Kino eine eigene Beschäftigung nicht wert, setzt sich hier ein synthetisches Produkt, das in jeder Sekunde nach Effizienz und Effekt kalkuliert ist, an eine wichtige Nahtstelle im globalen Bildertausch.”

Auch Dominik Kamalzadeh im Standard findet harte Worte. Er nennt den Film Glücksspielkino für den Globalverbraucher. “Der Pseudo-Sozialrealismus von Mumbais Slums, die in griffigen, aber stets kalkuliert zu Herzen gehenden Szenen gipfelt, in denen ein mit Kot beschmierter Junge seinem Bollywood-Star Amitabh Bachchan entgegentritt, läuft dabei genauso auf hybriden Pop hinaus wie Anthony Dodd Mantles Wackelkamera, die das ausdrucksstarke Detail gegenüber dem Gesellschaftspanorama bevorzugt.” So stehe der Film vor allem für die Einebnung einer Bilderkultur – mit dem Ziel, sie möglichst verbraucherfreundlich zu machen.

Nicht überall gehen die Kritiker so hart mit dem Film ins Gericht. Für Peter Zander in der Welt ist der Oscar-Gewinner ein rasantes Porträt des heutigen Indien. “Wenn man Danny Boyle eins vorwerfen könnte, dann eigentlich nur, dass er das Happy-End des Buchs so ungebrochen übernimmt. Das schmeckt beinahe schal nach all den realen Zuständen, die wir bis dahin gesehen haben. Aber da sind wir eben im Märchen.” Auch “Sebastian Handke vom Tagesspiegel” sah das Märchen zur Krise. “Die Handlung beruht auf absurden Zufällen, die Figuren sind eindimensionale Karikaturen, das Ende ist süß. All das ließe sich aber auch über Geschichten von Charles Dickens sagen. Und gibt es das überhaupt – den korrekten Weg, Armut abzubilden? Als ob man diesen Menschen gerechter würde, wenn man sie in trauriges Grau hüllt statt in Boyles lebhaft drängenden Bilderstrom. … Die Slums für ein eskapistisches Märchen zu nutzen, das ist durchaus fragwürdig. Doch so ist Danny Boyle: Humanist und Ästhet zugleich. Er macht sich nicht zum Anwalt seiner Slumdogs. Er lässt sie strahlen.”

Ab morgen könnt Ihr selbst beurteilen, wie Slumdog Millionär wirklich ist. Es lohnt sich allemal!

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