Seattle Firefighters: Eine holperige Feuertaufe nach Grey's Anatomy

01.08.2018 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Station 19: Andy Herrera (Jaina Lee Ortiz)
ABC
Station 19: Andy Herrera (Jaina Lee Ortiz)
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Im Serien-Check zum Grey's Anatomy-Spin-off Seattle Firefighters (im Original: Station 19) wagen wir uns mit den Feuerwehrleuten aus Seattle in die Flammen, um herauszufinden, ob der Ableger mit der Mutterserie mithalten kann.

Update: Dieser Seriencheck zu Seattle Firefighters (OT: Station 19) wurde bereits am 24.03.2018, also zwei Tage nach dem US-Start der Grey's Anatomy-Spin-off-Serie auf ABC, zum ersten Mal auf moviepilot veröffentlicht. Zum deutschen TV-Start am 01.08.2018 auf ProSieben haben wir ihn für euch geupdatet und angepasst.

Achtung, es folgen leichte Spoiler zu den Episoden 1 und 2 der 1. Staffel von Seattle Firefighters: In Deutschland feiert die Serie Seattle Firefighters - Die jungen Helden heute ihre Premiere im deutschen Fernsehen. Damit gesellt sie sich im Abendprogramm von ProSieben zu ihrer Mutterserie Grey's Anatomy, innerhalb derer sie in der 13. Folge mittels Backdoor-Pilot eingeführt wurde. Während Grey's Anatomy um 20:15 Uhr läuft, wird Seattle Firefighters nun jeden Mittwoch gleich im Anschluss um 21:15 Uhr ausgestrahlt werden. Eine 2. Staffel Seattle Firefighters, welche die 15. Staffel von Grey's Anatomy begleiten wird, ist bereits bestellt.

Seattle Firefighters heißt im Original Station 19, wurde von Serienschöpferin Stacy McKee erschaffen und dreht sich um eine Feuerwache in Seattle. Hier dient Andy Herrera (Jaina Lee Ortiz) unter ihrem Vater und Captain Pruitt Herrera (Miguel Sandoval). Doch als dieser als Anführer des Feuerwehr-Teams schwer erkrankt und seine Stelle abgeben muss, bewirbt auch sie sich um den Chef-Posten und tritt damit in Konkurrenz zu ihrem Fast-Verlobten Jack Gibson (Grey Damon).

Seattle Firefighters - Grey's Anatomy nacheifern, ohne Grey's Anatomy zu sein

"Based on Grey's Anatomy Created by Shonda Rhimes" ("Basierend auf Grey's Anatomy von Shonda Rhimes") - diese Worte finden sich groß in den Anfangs-Credits zu Seattle Firefighters. Sie betonen zusammen mit dem Serien-Logo und der einführenden Erzählerstimme überdeutlich die Nähe zur Mutterserie. Doch als Spin-off eines beliebten Formats an den Start zu gehen, ist kein einfaches Los, denn wo hört das anknüpfende Verweisen auf Bekanntes auf und wo beginnt die sich lossagende Eigenständigkeit?

Seattle Firefighters wirft den Zuschauer mitten hinein in ein fertig geformtes Team, das sich anders als Meredith und Co. nicht erst formen muss. Das mag ein mutiger Schritt zur Andersartigkeit sein, hat aber auch den Nachteil, dass wir in gewisser Weise um eine Exposition betrogen werden, die es uns erlaubt hätte, zusammen mit den Charakteren langsam in die (Feuerwehr-)Welt der Serie einzutauchen. Diese Lücke kann auch Neuling Ben Warren (Jason George) nicht füllen. Bei den Figuren-Beziehungen ist es genauso: Statt ein Kennenlernen mitzuerleben, werden wir vor vollendete (bzw. bereits festgefahrene) Tatsachen gestellt.

Die Gastauftritte von Meredith Grey (Ellen Pompeo) und Miranda Bailey (Chandra Wilson) funktionieren im Gegensatz dazu hervorragend, führen aber zugleich vor Augen, dass wir uns in der neuen Serie dann am wohlsten fühlen, wenn sie sich auf das Alte zurückbesinnt. In einer Verlängerung dieses Gefühls sind es außerdem leider gerade die von der Vorlage abweichenden Elemente, die nicht richtig zünden. Als geradezu störend empfand ich zum Beispiel die vor den Werbepausen ständigen eingestreuten Flash Forwards mit noch kommenden Eindrücken, die als Bild-Blitze des Zukünftigen vermutlich zum Dranbleiben motivieren sollen, als Vorausblenden aber schlicht zu viel vorwegnehmen.

Weil wir uns im Shonda Rhimes-Universum befinden, darf in Seattle Firefighters natürlich auch die Romantik nicht fehlen, weshalb wir schon nach den ersten achteinhalb Minuten eine erste Kuss-Szene bekommen ... und nach 28 Minuten die zweite, nur diesmal mit einem anderen Kuss-Partner. Eine Dreiecksbeziehung wird in der ersten Staffel also eine Rolle spielen - aber ist das in irgendeiner Weise originell? Manchmal verläuft die Serie sich ohnehin zu sehr in Szenen, die wir so anderswo schon zu häufig gesehen habe: Ein süßer Hund etwa wird zur Auflockerung gerettet. Der Feuerwehrmann Dean Miller (Okieriete Onaodowan) sorgt für Comic Relief-Momente. Der Neue im Team muss sich kollegiales Mobbing gefallen lassen. Und auch das Einbringen von 9/11 in Captain Herreras Vergangenheit mag in Amerika ziehen, wirkt auf mich aber im Zusammenhang mit Feuerwehrmännern eigentlich schon zu patriotisch-stereotyp.

Seattle Firefighters - Einsatzorte außerhalb der Beziehungs-Zone

Während Grey's Anatomy sich zu großen Teilen im Grey Sloan Hospital abspielt, wo die Ärzte im OP ihre Wunder vollbringen, ist Seattle Firefighters durch die Berufswahl seiner Hauptdarsteller freier. Diese örtliche Ungebundenheit hat den Vorteil, dass wir mehr Handlungsorte zu sehen bekommen, bringt jedoch auch Nachteile mit sich. Etwa die Gefahr einer Überfrachtung mit Eindrücken.

Der ständige Ortswechsel präsentiert uns beeindruckende Szenen (an der unterhaltsamen Grenze zur Übertreibung), wie mehrere Feuerwehrleute, die in Zeitlupe aus dem oberen Stockwerk eines explodierenden Gebäudes fallen oder blaue Flammen, die der Szenerie eines Tanklaster-Unfalls Atmosphäre verleihen. Aber genauso häufig kann der nächste Einsatzort dann eben auch schon wieder daneben gehen, wenn Klischees wie Teenager-Schwangerschaften auf Schultoiletten bedient oder eingeklemmte Menschen zwischen Häuserwänden als Holzhammer-Metapher für ein "Feststecken" aufgerufen werden.

Sicherlich sollen eingestreute Einsätze wie der im Seniorenheim verdeutlichen, dass die Feuerwehr nicht nur buchstäbliche Feuer löscht. Doch durch das Springen von Ort zu Ort zerfasert die Einheitlichkeit der Serie, die bei Grey's Anatomy durch das Krankenhaus gewährleistet wird. Indem wir uns jedes Mal auf einen neuen Ort und eine neue Extrem-Situation einstellen müssen, bekommen die Figuren zuweilen zu wenig Raum. Und machen wir uns nichts vor: Auch Grey's Anatomy lebt nun einmal von den Figuren-Beziehungen zueinander und nicht von den wöchentlichen Krankheitsfällen.

Frauenfiguren als Stärke der Station 19

"No one is gonna offer you the power. You have to take the power!" ("Niemand wird dir Macht anbieten. Du musst dir die Macht nehmen.") Diese Worte in Station 19 transportieren an Andy gerichtet eine starke Ermächtigungs-Botschaft, die sich in den ersten zwei Folgen thematisch stark herauskristallisiert.

Vor allem Hauptfigur Andy Herrera, aka "Baby Rambo", überzeugt nämlich in Station 19 als gut geschriebener Frauencharakter. Ihre glaubhafte Frauenfreundschaft zu Kollegin Maya Bishop (Danielle Savre) erinnert ein wenig an Meredith und Cristina. Und überhaupt ist die Parallele von Andy zu Meredith recht offensichtlich, zumal die beiden seit Andys Gastauftritt in Grey's Anatomy ja fast schon so etwas wie ein Mentorin-Schülerin-Verhältnis zueinander haben (was sich natürlich auch exzellent auf die Situation der Spin-off-Show zur Mutterserie übertragen lässt).

Neben den Frauenfiguren in Führungspositionen (wie die Schulleiterin oder die der übergreifenden Feuerwachen-Leiterin), darf auch Diversität genau wie in Grey's Anatomy bei Seattle Firefighters nicht fehlen, und so besitzt das Feuerwehr-Team drei afroamerikanische und zwei lateinamerikanische Mitglieder, ohne das weiter hervorheben zu müssen. Auch die Homosexualität des verwitweten Travis Montgomery (Jay Hayden) wird angenehm nebenbei eingestreut, obwohl natürlich alle wissen, dass wir hier nach 14 Jahren Grey's Anatomy endlich zum ersten Mal eine schwulen männliche Figur im Haupt-Cast sehen.

Seattle Firefighters - Das gemiedene Risiko der Feuerwehr

Das "Risiko", was Andy auf der Handlungsebene von Seattle Firefighters eingeht, indem sie die Traditionen verändern will (Stichwort: Feuerwehr-Stange), ist in der Serie selbst leider trotzdem noch nicht hundertprozentig spürbar. Ein originelles Konzept fehlt, das die Show von Konkurrenten wie Chicago Fire abgrenzt.

Zusammenfassend bleibt am Ende damit leider die Erkenntnis, dass für mich der Funke noch nicht übergesprungen ist bei dieser Feuerwehr-Serie, auch wenn ich nicht ausschließen will, dass das in den insgesamt 10 Episoden der 1. Staffel vielleicht noch passieren kann. Miranda Bailey bringt das in Seattle Firefighters ziemlich gut auf den Punkt, als sie Ben nach einem Fehler für seine Angeberei zugleich zurechtweist und ihn für die Zukunft aufbaut: "The only way to proof that you're any good, is ... just to be good." - Der einzige Weg, zu beweisen, dass man wirklich gut ist, ist es, einfach gut zu sein. Doch das ist ein Ziel, das Seattle Firefighters erst noch erreichen muss.

Die 1. Staffel von Seattle Firefighters (OT: Station 19) feierte am 22.03.2018 mit einer Doppelfolge beim US-Sender ABC ihre Premiere. In Deutschland strahlt ProSieben Folge 1 am 01.08.2018 und Folge 2 am 08.08.2018 aus. Als Grundlage für den Serien-Check dienten die ersten zwei Episoden "Festgefahren" und "Unsichtbar" ("Stuck" und "Invisible to me") von Seattle Firefighters.

Werdet ihr Seattle Firefighters eine Chance geben oder interessiert euch das Grey's Anatomy-Spin-off nicht?

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