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Stranger Than Fiction und die Metalepse

01.11.2015 - 10:45 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Hier sitzt ein metadiegetischer Mann.
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Hier sitzt ein metadiegetischer Mann.
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Film und Buch. Und Film im Buch und Buch im Film und verfilmtes Buch (und Buch zum Film?): Die große Community-Blogaktion blog me if you can bringt euch heute interessante Texte zum Thema "Filmlektüre".

Auch ihr, liebe Leser, könnt bei dem Projekt mitmachen und euch jederzeit dem aktuellen Monatsthema widmen. Wie das funktioniert, erfahrt ihr in den FAQ. Alle weiteren Artikel im November findet ihr am Ende dieses Blogartikels.

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Wie ist das eigentlich, wenn eine Erzählung mit der Illusion bricht, wenn das narrative Werk auf seine Narration verweist, wenn die Grenzen zwischen Erzählen und Erzähltem zu verschwimmen beginnen? Filmisch bewegen wir uns dann bei einer Ausprägung von Metafilm.

So erdachte sich Grimalkin seine Einleitung zu einem Thema, das er wohl für besonders klug hielt.

Bei solchen Filmen geht es darum, eine auf sich selbst bezogene Perspektive einzunehmen, die nicht scheut auf die artifizielle Natur des Werks aufmerksam zu machen. Das Vortäuschen einer filminternen Wirklichkeit weicht einer für manchen reizvollen, für andere nervenden Metaisierung.

Für seinen Blogartikel hatte er sich ein ganz spezielles Gimmick ausgedacht, nichtsahnend, dass auch diese zusätzliche Metaebene nicht über seinen Ideenmangel zum diesmonatigen Thema hinwegtäuschen konnte.

Hm? Wie dem auch sei...
Dabei ist der Gedanke von selbstreferenziellem Kino gar nicht neu, sondern bereits in den 60er Jahren in Frankreich ein wichtiges Element berühmter Filmemacher. Das Autorenkino der Nouvelle Vague um Jean-Luc Godard und François Truffaut vertraute unter anderem auf den Einsatz eines künstlerischen Alter Egos in der Narrative und auf das Verlagern von extradiegetischen Diskursen in das Innere ihrer Filmhandlungen. Der bewusste Bruch mit der Immersion durch Referenz und Reflexion auf Kosten der Illusion lässt sich natürlich noch weiter zurückführen, auf das Brecht'sche Theater.

Einen wirklich schönen Textabschnitt hatte er da verfasst, mit Fremdwörtern, die er irgendwann einmal in einem Buch über Erzähltheorie gelesen hatte. Seitdem stand es in seinem Regal und täuschte potentiellen Gästen eine Belesenheit vor, die er mit seinem anstrengungsscheuen Lebensstil tatsächlich nie erreicht hatte.

Äh, kommentiert hier jemand meinen Artikel? Was zur Hölle?
Wo war ich? Ach ja, Metaebenen und so. Das irritiert mich jetzt schon ein wenig. So weit zumindest, dass ich vom neutralen Stil in die Ich-Form gewechselt bin. Sollte gar nicht so sein, sorry! Also...

Ein Film der besonders schön zur Selbstreferenz und vor allem auch zum Thema "Filmlektüre" wegen seiner Einzelteile Film und Lektüre, sowie Erzählung und Erzähler passt, ist Schräger als Fiktion. Protagonist Harold (Will Ferrell) lebt darin eigentlich ein ganz gewöhnliches Dasein, bis er feststellen muss, dass er eine Erzählstimme hört, die seine Handlungen romanartig erzählt. Tatsächlich ist Harold nämlich eine Romanfigur, die gleichzeitig aber wirklich am Leben ist. Blöd nur, wenn die Erzählerin sich als auktoriale Erzählerin erweist und mit emotionsloser Gewissheit von Harolds baldigem Ableben kündet.

Ob die Anspielung auf eine Romanfigur im Film, deren Leben gleichzeitig gelebt und erzählt wird, in Form eines Blogartikels, der sich gleichzeitig immer wieder auf seinen Blogautor bezieht, wirklich eine gute Idee war wusste wohl niemand so recht außer Grimalkin selbst, der seine Fähigkeiten einmal mehr maßlos überschätzte.

Einen Moment mal. Ja, ich hab's jetzt begriffen, was das Ganze soll. Doch, doch, das ist vom Konzept her eigentlich recht clever, aber beleidigen lassen muss ich mich deswegen noch nicht. Passen tut es allerdings schon. Auch Harold hat mit der ständigen Irritation einer Erzählstimme zu kämpfen, die sein Handeln aus einer Perspektive heraus beurteilt, die außerhalb seiner Wahrnehmung liegt. Dringt ein Erzähler, der eigentlich außerhalb des erzählten Universums stehen sollte, in dieses ein, spricht man auch von einer Metalepse.

Während er den Vergleich zum besprochenen Film für ausgesprochen gelungen hielt, bemerkte er nicht, dass es sich bei ihm mit seinem Artikel und der ausgedachten Erzählstimme ganz anders verhielt, entsprang doch schließlich jedes Wort ein und der selben Person. Seine ganz persönliche Show in Form einer Verschmelzung von Artikelautor und sich auf jenen beziehenden artikelinternen Erzähler durfte man getrost als Vorstufe zum Wahnsinn bezeichnen.

Hey, hey, nun mach aber mal halblang. Ich dachte mir halt, dass ein Blogartikel in dieser scheinmetaleptischen Form genau die richtige Entscheidung sei, wenn es nunmal um einen solchen Metafilm geht. Ich weiß auch, dass du weißt, dass ich deine unfreundlichen Kommentare und Fehleinschätzungen meiner Person mitbekomme. Ich weiß, dass du mir antworten kannst. Na los!

Inbrünstig wandte sich Grimalkin an die von ihm vernommene Erzählstimme, doch eine Antwort blieb aus. Direkte Kommunikation wäre auch zu viel des Guten gewesen. Ohnehin hatte er mit dieser wahrhaft unnötigen Spielerei seinen Lesern bereits genügend Zeit geraubt. Schade, dass seine Bloggerkarriere, wenn man denn von einer solchen überhaupt sprechen konnte, ein derart unrühmliches Ende nahm, denn der Fremdscham hervorrufende Blogartikel über Schräger als Fiktion sollte sein letzter gewesen sein.

Wie jetzt? Das stimmt nicht, oder? Das hast doch sowieso nicht zu entscheiden, sondern ich. Also, ich meine, du bist zwar ich oder ein Ich außerhalb meines Ichs, aber als Teil meines Textes ja genauso von mir zu digitalem Papier gebracht, wie der Rest dieses Artikels. Das war doch nicht mein letzter! Die Aktion geht doch weiter, bereits nächsten Monat wieder! Also wirklich...

Als ihm die Stimme in seinem Kopf in seinem Text weitere Erklärungen schuldig blieb, machte sich Grimalkin wortlos daran, endlich die Links zu den viel lesenswerteren Artikeln der anderen Teilnehmer aufzulisten.

* * *

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