Tatort - Die Fette Hoppe verschwindet in Weimar

26.12.2013 - 20:15 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Tatort - Die Fette Hoppe
ARD/MDR
Tatort - Die Fette Hoppe
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Hat der MDR sein Münster gefunden? Trotz anfänglicher Skepsis gelingt dem Weimarer Team um Christian Ulmen und Nora Tschirner ein charmanter Einstand, leicht genug für den Nachtisch eines schweren Weihnachtsschmauses.

Die Vorfreude hielt sich in Grenzen, als wieder ein neues Tatort-Team angekündigt wurde, diesmal bestehend aus Christian Ulmen und Nora Tschirner, die das idyllische Weimar unsicher machen sollten. Gefühlt monatlich schießen neue Kommissare aus dem Boden und die Aussicht auf einen MDR-Abklatsch des Münsteraner Erfolgsrezepts ließ Schlimmes erahnen. Skepsis war angebracht, wartete hier doch ein weiteres Event-Tatort-Team, das sich wie Schweiger, Tukur und Co. maximal jährlich vor die Kamera bequemt. Umso erfreulicher also, dass ausgerechnet dem MDR mit Tatort: Die Fette Hoppe ein perfekter Weihnachtstatort gelungen ist, kein großer Wurf, stattdessen ein sympathisches Leichtgewicht, das von seinen eingespielten Stars ebenso lebt wie der wunderlich gewöhnlichen Kulisse. Irgendwo in Erfurt ergrünt gerade jemand vor Neid.

Lokalkolorit: Vom Namen her passt Herr Lessing (Christian Ulmen) ganz hervorragend in die Stadt der Dichter und Denker, wo jeder ein Goethe-Zitat aus dem Ärmel schüttelt und nach dem Kaffee gemeinsam geschillert wird. Ein bisschen Tourismus-Video, ein bisschen kleinstädtische Gelassenheit und eine Prise morbider Verschrobenheit kennzeichnen dieses Weimar, in dem jeder mit jedem durch die Hölle, äh, Schule gegangen ist und höchstens mal die Autos mit Hack beschmiert werden. Die idealen Gegebenheiten für eine ilmthüringische Variante von Immer Ärger mit Harry also.

Plot: Würde jemand für die beste Bratwurst Thüringens töten? Diese Frage stellen sich die neuen Kollegen Dorn (Nora Tschirner) und Lessing, als die “Fette Hoppe” entführt wird (“So fett ist die doch gar nicht.” – “So heißt die Wurst”). Die Chefin des gleichnamigen Wurstunternehmens stellt sich als weiblicher Scrooge heraus, in Stadt und Familie verhasst wegen ihres Geizes. Aber war es der Sohn (Stephan Grossmann), der sich mit seiner Geliebten (Palina Rojinski) aus dem Schatten seiner Erzeugerin befreien wollte, oder ein verschuldeter Kutscher (Dominique Horwitz), der gern mal beduselt übers Kopfsteinpflaster kurvt? Und was stinkt da so im Auto von Lessing und Dorn?

Unterhaltung: Wie eine unfreiwillige Spitze gegen Verfolgungsjagd-affine Krimi-Kollegen wirken die ersten Minuten von Tatort – Die Fette Hoppe. Da erreicht Lessing mit seinem Wohnwagen das 63.000 Einwohner starke Städtchen und wird sofort in eine Geiselnahme verwickelt. Denkt er. Der Bär steppt in diesem Kaff in Zeitlupe. Die “Action” beschränkt sich in Weimar auf eine Kutschfahrt, der Grusel auf tropfende Leitungen und selbst wenn eine Leiche auftaucht (bzw. auftaut), stellt sie für die Einheimischen vor allem eines dar: ein logistisches Problem. Viel steht in diesem Krimi nie auf dem Spiel, gerade weil er nicht größer tut, als es die Kulisse hergibt. Geiz, Gier und heimliche Liebe heißen die einfachen Zutaten des Tatorts, der dem halbherzigen Eintauchen in irgendeine gesellschaftliche Problemzone aus dem Weg geht.

Verspielt, ein wenig selbstreferenziell, aber niemals die Konventionen aus den Augen verlierend, ist Die Fette Hoppe; ein Wohlfühltatort also, in dem alle Beteiligten genau das abliefern, was wir von ihnen erwarten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Darstellerisch trifft dies ganz besonders auf Nora Tschirner und Christian Ulmen zu, die den zuweilen deftigen Wortwitz mit der nötigen Seriosität beim Verhör würzen, um als Ermittler durchzugehen. Auf Dauer dürfte die facettenarme Mischung schnippischer Kommissare und skurriler Einheimischer langweilen. In jährlichen Häppchen aber, verabreicht durch die gut gelaunten und eingespielten Stars Ulmen und Tschirner, könnte die Kulturstadt genügend Amüsement bieten, um 90 Minuten unterm Baum rumzukriegen.

Mord des Sonntags: Abgestellt auf ihrer Lieblings-Gartenschaukel.

Zitat des Sonntags: “Respekt!”

Thüringen hat endlich einen guten Tatort oder was meint ihr?

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