The Penguin ist eine richtig gute Gangster-Serie, die sich als düsterer Alptraum nicht vor The Batman verstecken muss

20.09.2024 - 08:51 UhrVor 4 Monaten aktualisiert
Colin Farrell als Oswald "Oz" Cobb in The Penguin
Warner Bros.
Colin Farrell als Oswald "Oz" Cobb in The Penguin
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Während wir gespannt auf The Batman Part II warten, rückt The Penguin den DC-Schurken Oswald "Oz" Cobb in den Vordergrund. Trotz anfänglicher Zweifel hat mich die Serie überzeugt.

Vor zwei Jahren brachte Matt Reeves einen DC-Blockbuster auf die große Leinwand, der komplett auf eigenen Beinen stehen sollte. Kein Cinematic Universe im Rücken, sondern ein Neustart, der einer eigenen Vision folgt. Herausgekommen ist The Batman, ein verregnetes Monument des Superhelden-Kinos, das selbst nach Burton und Nolan düstere Ecken in Gotham City entdeckt, die wir noch nie gesehen haben.

Schnell war klar, dass dieses hoffnungslose Gotham noch viele weitere Geschichten zu erzählen hat, in denen sich verwegene Figuren um die Kontrolle der Stadt streiten. Willkommen in der Batman Epic Crime Saga! Obwohl The Batman als Einzelprojekt angefangen hat, ist der Film inzwischen zum Grundstein eines Universums geworden. Die Spin-off-Serie The Penguin weitet die Geschichte nun im Fernsehen aus.

Ohne Umwege: The Penguin schließt direkt an die Geschichte von The Batman mit Robert Pattinson an

Der Übergang soll ein nahtloser sein: The Penguin setzt eine Woche nach den Ereignissen von The Batman ein. Gotham steht nach den Bombenangriffen des Riddlers unter Wasser und ein Machtvakuum klafft sowohl in der Politik als auch der kriminellen Unterwelt. Bürgermeister Don Mitchell Jr. ist tot, genauso wie Carmine Falcone, der Kopf der mächtigsten Mafiafamilie in der Stadt. Hier kommt der Pinguin ins Spiel.

Der Trailer zu The Penguin mit Colin Farrell:

The Penguin - S01 Trailer (Deutsch) HD
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Bereits in The Batman verschwand Colin Farrell vollstädnig hinter der Maske des Bösewichts, wenn er sich mit Robert Pattinsons dunklem Ritter eine Verfolgungsjagd durch die Nacht lieferte. Auch in The Penguin haben die verblüffenden Make-up-Effekte nichts von ihrer Faszination verloren und lassen uns bei aller Grimmigkeit vergessen, dass wir eigentlich in ein Paar der unschuldigsten Augen des Kinos blicken.

Als Oswald "Oz" Cobb schleppt sich Farrell mit beeindruckender physischer Präsenz durch acht einstündige Episoden. Bei dem Versuch, zum Kingpin von Gotham zu werden, ist es aber nicht das körperliche Spiel, das in den Bann zieht. The Penguin wagt sich tief in den Kopf des abstoßenden wie einnehmenden Protagonisten und kann es sich dadurch leisten, die größte Stärke von The Batman links liegen zu lassen.

The Penguin ist definitiv kein achtstündiger DC-Kinofilm, sondern eine waschechte HBO-Serie

The Batman begeistert als atmosphärisch dicht inszenierter Albtraum mit ausgefeilter Bildsprache. Glühende Lichter und bedrohliche Schatten: Bei der Verfolgungsjagd zwischen Batman und dem Pinguin entsteht einer der ikonischsten Momente des Films, wenn sich die Silhouette des DC-Helden vor orange-bräunlichem Hintergrund durch den strömenden Regen bewegt, während die Kamera auf dem Kopf steht.

Solche extravaganten Bilder gibt es in The Penguin nicht, was auf den ersten Blick sehr enttäuschend ist. Obwohl sich einzelne Elemente der visuellen Sprache, die Reeves mit Kameramann Greig Fraser in The Batman etablierte, in der Welt des Pinguins einfinden, ist die große Inspiration eine andere. Die Serie orientiert sich an der geerdeten Ästhetik von HBO-Projekten wie The Night Of – und da hört der Einfluss nicht auf.

Mitunter fühlt sich The Penguin wie ein Best-of des HBO-Katalogs an, gerade in Hinblick zwei der definierenden Serien des Prestige-Senders: Die Sopranos und The Wire. In The Wire geht es – sehr grob gesagt – um die Kriminalität und Drogengeschäfte in Baltimore, sowie die Korruption der Ermittelnden. Durch verschiedene Perspektiven entsteht ein komplexes Porträt der US-amerikanischen Metropole.

Auch The Penguin durchleuchtet das vom Verbrechen zerfressene Gotham durch die Infrastruktur des Drogenhandels. Oz reißt sich das Geschäft unter den Nagel und man kann sich nie sicher sein, ob er einen cleveren Plan dafür hat oder einfach nur impulsiv die Gunst der Stunde nutzt. Sollte er in eine knifflige Situation geraten, redet er sich um Kopf und Kragen – und das mit stets erstaunlich großem Erfolg.

Von The Wire bis Die Sopranos: The Penguin hat von den besten HBO-Serien gelernt

Die Hartnäckigkeit und Dreistigkeit, mit der er seine Ausreden und Lügen verkauft, ist beachtlich. Nicht zuletzt schenken die Menschen seinen Worten irgendwann tatsächlich Glauben. Oz weiß, was andere wollen, und noch besser weiß er, wie er sie – zumindest für einen Augenblick – benutzen kann. Danach kann man sich von diesem menschlichen Ballast befreien, wo wir bei den Sopranos Gefilden der Serie ankommen.

The Penguin nimmt alle Tropen einer Gangster-Geschichte mit, mischt fröhlich alte Clan-Fehden auf und hat jede Menge zwielichtige Gesichter zu bieten. Die Sopranos-Parallele ergibt sich jedoch nicht nur auf Genre-Ebene. Während James Gandolfinis Mafiaboss in Therapiesitzungen eine zerrissene Seele offenbart, dekliniert The Penguin schonungslos die komplette Psyche von Farrells erbärmlichen DC-Schurken durch.

Schauen wir hier einem einfachen Mann des Volkes zu oder dem gefährlichsten Monster Gothams? The Penguin positioniert Oz in einer Mutter-Sohn-Beziehung, die zwischen liebevoll und toxisch schwankt, und uns über die wahren Gefühle der Figuren rätseln lässt. Eben war da eine berührende Zerbrechlichkeit. Plötzlich finden wir uns in einem Labyrinth wieder, in dem sich Hass und Verachtung seit Jahren anstaut.

Colin Farrells Oz bringt euch zum Zittern, doch noch unheimlicher ist Cristin Milioti als Sofia Falcone

In Oz brodelt der Trotz eines verletzten Kindes, das noch nie eine normale, geschweige denn gute Welt erlebt hat. Trotzdem ist er überzeugt, Gotham mit seinem Non-Stop-Hustle in einen besseren Ort zu verwandeln. Er ist sein eigener Boss und Handlanger. Gleichzeitig gerät er in eine Mentorenrolle, die sein Gewissen auf den Prüfstand stellt. Und dann tritt ihm sein unheimliches Spiegelbild gegenüber: Sofia Falcone.

Die von How I Met Your Mother-Star Cristin Milioti gespielte Falcone-Tochter ist fraglos die größte Entdeckung der Serie. Unscheinbar nähert sie sich aus dem verschwommenen Hintergrund, ehe es Oz eiskalt den Rücken hinunterläuft. Er kennt alles und jeden in Gotham. Das ist sein Kapitel. Nur mit Sofia, die von ihrem Vater fallengelassen und der Presse zur Serienkillerin erklärt wurde, hatte er nicht gerechnet.

Dieses Problem sollte eigentlich in einer Zelle in Arkham weggesperrt sein, doch jetzt steht Sofia Oz gegenüber und entpuppt sich als skrupellose Überlebenskämpferin, die das Familiengeschäft ohne Rücksicht auf Verluste nach ihren eigenen Vorstellungen umbaut. Würden in diesem Zuge nicht Falcones gegen Maronis antreten, hätte man spätestens an diesem Punkt vergessen, dass man sich in einer DC-Serie befindet.

Schon The Batman fühlte sich über weite Strecken mehr wie ein trister Serienkiller-Thriller als eine Comic-Verfilmung an. Das, was sich Serienschöpfer und Showrunnerin Lauren LeFranc (Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D.) für The Penguin ausgedacht hat, geht noch einen Schritt weiter. Trotz vertrauter Namen und Orte entsteht vor unseren Augen ein Gangster-Psycho-Drama, das direkt auf den menschlichen Abgrund zusteuert.

Wo kann man The Penguin in Deutschland schauen?

Die 1. Staffel von The Penguin feierte am 19. September 2024 in den USA auf HBO ihre Premiere und umfasst insgesamt acht Episoden, die im Wochentakt veröffentlicht werden. In Deutschland erscheinen die Folgen einen Tag nach US-Ausstrahlung bei Sky und dem dazugehörenden Streaming-Dienst WOW. Als Grundlage dieses Serien-Checks dienten alle acht Episoden. The Batman Part II startet am 1. Oktober 2026 im Kino.

Wenn ihr noch mehr Einblicke zu The Penguin erfahren wollt, könnt ihr euch die neueste Ausgabe unseres Podcasts Streamgestöber anhören. Darin besprechen wir die neue DC-Serie und ordnen sie in das aktuelle Superhelden-Geschehen ein.

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Hat The Penguin irgendetwas mit dem DCEU oder dem DCU zu tun? Was sind die Stärken und Schwächen des Spin-offs? Und taucht Robert Pattinson eigentlich auch darin auf? Im Podcast findet ihr Antworten auf alle wichtigen Fragen.

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