Trotz Oscar Isaac: Das größte Problem von Marvels Moon Knight ist seine Hauptfigur

12.04.2022 - 10:00 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Oscar Isaac in Moon KnightDisney
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In Moon Knight liefert Oscar Isaac die vielleicht beeindruckendste Performance des bisherigen MCUs ab. Die Marvel-Serie hat allerdings ein Problem: Marc Spector.

Witziger als Loki, emotional tiefschürfender als WandaVision, eine interessantere Prämisse als Hawkeye und auf jeder Ebene besser als The Falcon and the Winter Soldier: Als ich die erste Folge von Moon Knight gesehen habe, war ich begeistert. Durch die Augen des ständig überforderten Museumsshop-Mitarbeiters Steven Grant wirft uns die neue Marvel-Serie bei Disney+ mitten in einen Mindfuck-Mix aus psychischer Erkrankung und einem Konflikt zwischen ägyptischen Göttern, die zu Beginn weder der Protagonist noch wir so richtig verstehen können.

Erst ab Folge 2 bekommt der Charakter mehr Raum, der Steven überhaupt erst in diese schwierige Situation gebracht hat: Marc Spector, ehemaliger Söldner und eigentliche Person hinter dem kompromisslosen Rächer Moon Knight. Denn der Protagonist leidet an einer Dissoziativen Identitätsstörung. Steven ist nicht die Hauptfigur, sondern eine weitere Persönlichkeit von Marc. Und die Serie leidet darunter.

Steven Grant ist ein Marvel-Kuriosum, Marc Spector Antihelden-Standard

Moon Knight - S01 Clip Ruf den Anzug (Deutsch) HD
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Versteht mich nicht falsch: Oscar Isaacs Performance ist atemberaubend. Immer dann, wenn man glaubt, die Geschichte durchblickt zu haben, kommt der nächste Mindfuck-Moment. Ich konnte vor dem offiziellen Start bei Disney+ bereits vier Folgen der Serie sehen und warte sehnsüchtig auf Folge 5. Aber ich mag Moon Knight nicht wegen, sondern trotz Marc Spector. Der ist bisher nämlich vor allem eins: ziemlich austauschbar.

Steven Grant, dessen einzige Freunde ein Fisch und eine menschliche Statue sind, ist ein für Marvel-Verhältnisse ungewöhnlicher Protagonist. Er ist unsicher, gequält und will nicht die Welt retten, sondern einfach nur endlich als Tourguide durch eine Museumsausstellung führen dürfen. Ich liebe Steven für seine Weirdness und seine unfreiwillig komische Art. Bestände Moon Knight nur aus seiner Perspektive und würde damit eine wirkliche ANTI-Helden-Geschichte erzählen, ich würde die Serie trotzdem verschlingen.

Marc Spector hingegen ist mehr klassisch düsterer Antiheld. Er ist hart, er ist souverän, er kann alles. Wenn Steven die Kontrolle über den gemeinsamen Körper an Marc abgibt, haben die Gegenspieler keine Chance mehr. Das ist eindrucksvoll, klar, und sorgt für die Action-Szenen, die eine Marvel-Serie eben braucht. Wenn ich emotional kaputte, ständig gequälte Menschen sehen möchte, die Freunde und Familie von sich wegstoßen und ihren Schmerz in Alkohol ertränken, wenn sie nicht gerade Bösewichte vermöbeln, muss ich allerdings nicht Moon Knight gucken. Das hat Jessica Jones bei Netflix schon ziemlich gut hingekriegt.

Marc Spector erinnert daran, dass Moon Knight am Ende eben doch "nur" eine Marvel-Serie ist

Steven Grant (links) und Marc Spector (rechts)

Mit Steven bekommen wir Witz, Absurdität, Horror und psychische Abgründe. Mit Marc bekommen wir die MCU-Variante von Robert Pattinsons Batman und Standard-Marvel-Action – in weniger bunt. Erschwerend hinzu kommt, dass Marc als eine Art Antagonist eingeführt wird. Schließlich bringt er Stevens langweiliges aber behütetes Leben zum Implodieren. Das macht den Perspektiven- und Sympathiewechsel schwer.

Natürlich braucht die Serie Marc. Ohne Marc Spector kein Moon Knight. Ohne den Konflikt zwischen Steven und Marc keine spannende Auseinandersetzung mit einem Antihelden, dessen Backstory traumatischer und düsterer ist als das meiste, was wir bisher im MCU gesehen haben.

Doch der ab Episode 2 zunehmende Fokus auf Marc legt eben auch offen: Egal, wie außergewöhnlich die schauspielerische Leistung von Oscar Isaac und wie interessant die Grundprämisse der Show sind, schlussendlich folgt auch Moon Knight der klassischen Marvel-Formel. Am Ende bleibt die Serie eine Superheldengeschichte.

Moon Knight könnte noch ein großes Ass im Ärmel haben

Bisher kann nur Marc Spector sich in den "richtigen" Moon Knight verwandeln

Interessanterweise würde ein klarer Shift von Steven auf Marc nicht so richtig zu dem passen, was Oscar Isaac im Interview mit Moviepilot über seinen ersten MCU-Auftritt sagt: "Für mich persönlich geht es in der Geschichte darum, irgendwann zu begreifen: Eigentlich ist Steven der Superheld." Außerdem spekulieren Fans bereits darauf, dass weitere Persönlichkeiten auftauchen könnten – wie in den Comics.

Vielleicht ist der Fokus auf Marc Spectors Kampf gegen eine ägyptische Gottheit also nur eine Finte. Vielleicht schafft es Moon Knight doch, aus der zunehmend generischer wirkenden Antihelden-Erzählung auszubrechen und uns zum Ende von Staffel 1 hin richtig zu überraschen.

Wahrscheinlich ist aber, dass eine Comic-Adaption von Marvel am Ende des Tages eben immer in kostümierten Superheld:innen gipfeln muss, die die Menschheit vor dem Bösen retten. Das macht Moon Knight nicht zwingend schlechter, nur eben gewöhnlicher. Und das fände ich persönlich bei all dem Potenzial einfach nur schade.

Mehr im Podcast: Moon Knight bei Disney+ ist die beste Marvel-Serie seit langem

Eine unerwartet düstere Erzählung im aktuellen Marvel-Serienkosmos, die beste Ergänzung zum MCU seit Robert Downey Jr. – schon die ersten Trailer zu Moon Knight ließen erahnen, dass die neueste Superheldenserie auf Disney+ etwas ganz Besonderes werden könnte.

In dieser Folge widmen sich Hendrik Busch und Lisa Ludwig deshalb der Frage: Macht Moon Knight wirklich alles anders als die anderen MCU-Serien? Oder lohnt sich die düstere Charakterstudie mit Oscar Isaac nur für eingefleischte Marvel-Fans?

Wie gefällt euch Moon Knight bisher?

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