Are you serious?
Diese Frage stelle ich mir jedes Mal, wenn ich wieder eine Meinung über einen Film lese, dessen Vorlage einem Buch entspringt. Kaum wurde ein Buch für die Leinwand adaptiert, kommen die notorischen Literaturnörgler aus Ihrer Bibliothek hervor gekrochen.
Das Buch war viel besser!
Egal ob Herr der Ringe, Harry Potter, Shining, Illuminati, Die Welle, Tintenherz, Das Parfum, The Stand, Es oder noch so eine unbekannte Novelle von einem noch so unbekannten Autor. Es gibt offensichtlich keinen Film, der es den Bücherwürmern recht machen kann. Der Anfang ist zu kurz, das Ende zu lang, der Mittelteil zu wenig ausgearbeitet, die Charaktere zu farblos und überhaupt wurde ein Teil aus dem Buch komplett weggelassen und ein anderer ganz umgeschrieben. Die Kritiken gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Aber muss das denn sein?
Ich bin ein großer Gegner davon, Bücher mit deren Verfilmungen abzugleichen. Nicht wenige Bücherwürmer (ich lese übrigens auch überdurchschnittlich viel. Das soll also nicht so abwertend gemeint sein, wie es gelesen werden kann. Besonders Stephen King und ich bin daher nicht verwöhnt mit vielen guten Adaptionen).
Filme müssen ganz andere Kriterien erfüllen als Bücher. Nehmen wir als Beispiel die Bücher von Stephen King. Als King-Fan weiß ich, wie schwer jegliche Adaption fällt. King ist ein Meister darin, Charaktere über hunderte Seiten zu entwickeln. Beste Beispiele sind Es und The Stand. Bei beiden Büchern höre ich nicht selten die Kritik, man hätte diese Bücher um x-hundert Seiten kürzen können, da die Story nicht vorangetrieben wird. Mir aber sind diese ausführlichen Beschreibung wichtig, um die Darsteller kennen zu lernen, ihr Handeln zu verstehen, ihre Ängste und Emotionen nachvollziehen zu können. Ich baue als Leser eine fast schon persönliche Beziehung zu den Protagonisten auf. Viele von Kings Ausführungen sind nicht auf Leinwand übertragbar. Im Film muss eine andere Spannungskurve aufgebaut werden, als es ein Buch müsste. Hier läuft der Film im Kopf ab, jeder hat andere Erfahrungen, somit hat auch jeder einen anderen Film und eine andere Vorstellung. Das gefährliche daran ist, seine eigenen Vorstellungen auf den adaptierten Film zu übertragen. Zum einen, weil der Drehbuchautor selbst seinen eigenen Film im Kopf hat, zum anderen, weil der Drehbuchautor eben weiß, dass eine 1:1-Adaption im Kino nicht sinnvoll ist. Nebenbei gibt es noch die künstlerische Freiheit, die ich dem Filmemacher nicht streitig machen möchte. King zu verfilmen, ist immer schwierig. Doch selbst bei Filmen wie Shining, die als Meisterwerk gelten, gibt es diese Buchnörgler.
Eine meisterhafte Buchumsetzung stellt für mich persönlich Der Herr der Ringe dar. Doch selbst hier wird von einigen Nörglern mit dem erhobenen Zeigefinger erklärt, dass schon der Anfang vollkommen falsch ist. Also bitte? Was erwartet Ihr denn? Welchen Sinn hätte es, alleine die ersten 20 Minuten des Films auf die im Buch beschriebenen 25 Jahre aufzublähen (evtl. waren es auch 20 oder 30 Jahre. Schon ein paar Jahre her, dass ich die Bücher gelesen habe)? Ganz im Gegenteil finde ich u.a. den Anfang meisterhaft von Jackson gelöst. Das nenne ich eine perfekte Adaption von einem Buch auf Leinwand (zur Erklärung für alle, die HDR nicht gelesen haben: Zwischen den Szenen, als Frodo den Ring in Händen hält und tatsächlich nach Bruchtal aufbricht, vergehen im Buch die besagten 20-30 Jahre. Frodo war tatsächlich ca. 50, wenn ich mich recht erinnere). Tatsächlich finde ich - als Fan der Filme sondergleichen - die Leinwandadaption sogar besser als die Bücher. Ob man die Hobbits im Film nun so "naiv" darstellen musste oder nicht (im Buch ist das nicht so), darüber lässt sich streiten. Für den Film bringt diese Naivität aber viele spaßige Situationen hervor. Natürlich gab es noch weitere Änderungen, welche aber allesamt der Dramaturgie eines Films geschuldet und in Summe positiv zu bewerten sind.
Are you serious? - Ausblick
Der Gedanke kam mir schon vor Jahren, als ich das erste mal las, man beschäftige sich mit einer Adaption des Dunklen Turm-Epos von King. Ich halte dieses Werk für gänzlich unverfilmbar. Kein Vergleich zu Herr der Ringe. Ich habe noch nie verstanden, wie man bei HDR von dicken Büchern sprechen konnte. Wer das sagt, hat tatsächlich noch nie ein Buch von King in der Hand gehabt, wo an den 1000 Seiten regelmäßig gekratzt wird.
King selbst nennt Den Dunklen Turm sein Meisterwerk. Dieses Meisterwerk ist nicht ganz einfach, denn hier findet eine Verschmelzung des gesamten King'schen Universums statt. Das soll heißen, Bücher, die King schon vor Jahrzehnten geschrieben hat, haben aktiven Einfluss auf die Story im Dunklen Turm (Brennen muss Salem z.B.). Um die Stories verschiedener Bücher, die offenkundig nichts miteinander zu tun haben, vollständig verstehen zu können, muss man Bücher lesen, die gar nichts miteinander zu tun haben (Captain Trips/Randall Flag <> Der Dunkle Turm). Bei einer tatsächlichen Verfilmung kann ich nur hoffen, dass der jeweilige Regisseur/Drehbuchautor so viel Courage hat, den Dunklen Turm angemessen zu verändern, zu kürzen und zu optimieren, dass dieser für ein Kino funktioniert. Der Dunkle Turm hat in Summe über 5000 Seiten, draus eine Trilogie zu machen oder gar noch mehr Teile, wird ohne wenn und aber die meisten "das Buch war aber besser" Kritiker auf den Plan rufen. Genauso bei einer evtl. Neuverfilmung von The Stand und jedem anderen Buch, das es jemals gab und geben wird. Wie ich mich darauf freue :(
Are you serious?
Warum also sich selbst damit belasten, beides als Einheit zu bewerten? Es ist menschlich, Vergleiche zu ziehen. Die ziehen wir immer und überall. Ja selbst unsere Exfreundinnen vergleichen wir, obwohl doch eigentlich klar sein sollte, das Individuen unterschiedliche Eigenheiten haben. Man sollte die Werke für sich alleine betrachten. Ein Buch ist eine grandiose Vorlage. Der Filmemacher soll sich daran bedienen und eine filmgerechte Geschichte daraus stricken. Dass ein Buch gleich ein Drehbuch sein soll, verstehe ich immer noch nicht. Das wird sich auch nicht ändern. Vielleicht tröstet der Fakt hinweg, dass manchmal miesen Büchern wie Illuminati auch eine miese Verfilmung folgt. Dann passt wenigstens alles zusammen.