Wie übertrifft man eine der besten Fortsetzungen aller Zeiten? Paddington 3-Regisseur Dougal Wilson hat das Unmögliche gewagt

31.01.2025 - 20:11 UhrVor 1 Monat aktualisiert
Paddington in Peru
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Mit Paddington in Peru bringt Regisseur Dougal Wilson die Fortsetzung zu einem der beliebtesten Filme der vergangenen Jahre ins Kino. Im Interview verrät er, wie er sich dieser Herausforderung gestellt hat.

Ein kleiner Bär mit einem Marmeladensandwich unter seinem Hut verirrt sich nach London: Paddington und Paddington 2 entwickelten sich im Lauf der vergangenen Dekade in zwei absolute Wohlfühlfilme, die mit sehr viel Charme und Humor die Herzen unzähliger Filmfans eroberten. Manche würden sich sogar dazu hinreißen lassen, Paddington 2 als eine der besten Fortsetzungen überhaupt zu bezeichnen.

Kein Wunder, dass es so lange gedauert hat, bis ein dritter Teil der Reihe ins Kino kommt. Mit Paddington in Peru geht die Geschichte nach acht langen Jahren des Wartens endlich weiter. Paddington und die Browns sind zurück und stürzen sich dieses Mal in ein Abenteuer, das sie aus dem gemütlichen London nach Peru führt, wo neben den Gefahren des Dschungels auch einige singende Nonnen lauern.

Doch wie schließt man an einen Film wie Paddington 2 an? Im Interview verrät Regisseur Dougal Wilson, dass es einiges an Mut erforderte, sich dieser Herausforderung zu stellen. Doch er war nicht allein: Die gesamte Geschichte an Abenteuerfilmen deckt Paddingtons Reise nach Peru den Rücken, von Regie-Größen wie Werner Herzog und Steven Spielberg bis zu Michael Powell und Emeric Pressburger.

Moviepilot: Lass mich die schwerste Frage gleich am Anfang stellen: Wie schließt man an eine der besten Fortsetzungen aller Zeiten an?

Dougal Wilson: Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung. Und ich weiß auch nicht, ob wir es geschafft haben, eine würdige Fortsetzung zu Paddington 2 zu drehen. Ich zittere am ganzen Körper und habe Angst vor der Premiere heute Abend. Das ist die ehrlichste Antwort, die ich dir geben kann.

Du bist bisher vor allem durch Musikvideos und Werbung bekannt. Paddington in Peru wirkt da nicht wie der offensichtlichste nächste Schritt. Wie hat diese Reise für dich angefangen?

Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals gefragt werde, so einen Film zu inszenieren. Doch dann stellte sich heraus, dass Paul King den dritten Paddington nicht drehen konnte, weil er mit Wonka beschäftigt war. Er und [Produzentin] Rosie Alison haben jemanden gesucht, der tollkühn genug ist, sich dieses Projekts anzunehmen. Zuerst war ich geschmeichelt, dann hatte ich Angst. Mir war aber auch klar, dass man so ein Angebot nur einmal erhält. Also habe ich den Job angenommen. Die Angst ist aber nie verschwunden ist. Sie hat mich den gesamten Dreh über begleitet und schlussendlich motiviert.

Was genau hat dir Angst gemacht?

Ich denke, die größte Herausforderung war, an die Vorgänger heranzukommen. Das sind wundervoll erzählte und exzellent gemachte Filme. Die Drehbücher und deren Umsetzung – einfach Perfektion. Alles geht so schön Hand in Hand. Wie sollte ich diese Eleganz erreichen? Ich habe mir die Filme immer wieder angeschaut und habe mir Notizen gemacht, um herauszufinden, wie sie aufgebaut sind und wie einzelne Szenen funktionieren. Auch die Sprache habe ich studiert. Ich wollte keines der vertrauten Elemente ändern, sondern darauf aufbauen. Natürlich brauchten wir auch neue Ideen und eine neue Geschichte, aber den Stil und Tonfall haben wir beibehalten.

War von Anfang an klar, dass ihr euch an großen Abenteuerfilmen orientiert oder standen auch andere Genres zur Diskussion?

Nein, das stand ziemlich schnell fest. Im Grunde wird Paddington schon in den ersten zwei Filmen Hals über Kopf in ein Abenteuer geschleudert. Dieses Mal konnten wir aber noch mehr mit einem Ort spielen, den man mit klassischen Abenteuerfilmen verbindet. Peru hat viele traumhafte Landschaften zu bieten. Ich bin vorher extra dorthin gereist, um mich inspirieren zu lassen.

Welche Orte waren besonders wichtig für dich?

Ich war auf der Suche nach Drehorten in den Anden, zum Beispiel Vinicunca, auch bekannt als Regenbogen-Berg. Der liegt sehr hoch, ungefähr auf 5.000 Metern. Und Machu Picchu. Da bin ich gleich zweimal auf den Gipfel Huayna Picchu geklettert, weil es so eindrucksvoll war. Ansonsten war ich im Regenwald, in der Provinz Tambopata, und habe ein paar Nächte in einer Forschungsstation verbracht, um ein Gefühl für die Umgebung zu bekommen. Dann habe ich mir Städte wie Lime, Arequipa und Nazca angeschaut. Wir haben es leider nicht geschafft, all diese inspirierenden Orte im Film unterzurbringen. Trotzdem hoffe ich, dass wir den Geist von Peru einfangen konnten.

Der Abenteuercharakter des Films wird für mich auch durch die Verweise auf andere Abenteuerfilme geprägt. Ich musste oft an Werner Herzog denken. Welche Filme haben dich inspiriert?

Werner Herzog – ist das nicht einer deiner Landsleute? Er war definitiv eine Inspiration. Ich bin ein großer Fan von Herzog. Und das Tolle an den Paddington-Filmen ist, dass sie auf so vielen verschiedenen Ebenen funktionieren. Es gibt die Figuren und die Geschichte, aber daneben existieren einige Verweise auf die Filmgeschichte. Ich wollte unbedingt einen Verweis zu Fitzcarraldo und Klaus Kinski, der den Fluss hinunterfährt und dabei Opernmusik auf einem Grammophon hört. Und ich glaube, ich habe eine Einstellung hingekriegt, die genau dem Original entspricht, auch wenn bei mir die Person, um die es geht, mitsamt dem Grammophon in die andere Richtung schaut.

Ja, die erkennt man sofort. Hast du dir auch Aguirre angeschaut?

Tatsächlich! Unsere Aguirre-Anspielung fällt aber ein bisschen subtiler aus. Die allererste Einstellung von Aguirre, wenn Kinski und seine Mitstreitenden den Bergrücken und diese unglaublich schmale Treppe hinuntergehen – genau da haben wir auch gedreht. Bei uns ist es aber wieder andersherum: Paddington geht den Berg hoch und es ist auch nicht so nebelig, weswegen die Referenz einigen Leuten vielleicht nicht auffällt.

Was ich sehr witzig finde, ist, dass Herzog in seinen Filmen oft vom Dschungel, der Natur und ihrer Grausamkeit erzählt. Und dann kommt Paddington als dieser Wohlfühlfilm daher. Wie hast du das unter einen Hut gebracht?

Ich erinnere mich, dass Werner Herzog den Dschungel mit sehr interessanten Worten beschrieben hat. Und ja, der Dschungel ist tatsächlich sehr wild, lebendig und artenreich. Als wir Paddington in Peru drehten, wollte ich so viel wie möglich von der Schönheit der unberührten Landschaft einfangen. Ich befürchte, die existenziellen Abgründe, die Herzog aufmacht, passen nicht zu unserer Geschichte. Aber ich bin aber fest davon überzeugt, dass Herzogs Geist über dem Film schwebt und auf Paddington herabschaut, wenn er sich im Dschungel verirrt – eine winzige Figur, allein zwischen den Bäumen, und die Weite des Regenwalds. Wer weiß, vielleicht denkt Paddington in diesem Moment tatsächlich über den Sinn des Lebens nach.

Ich kriege direkt Gänsehaut, wenn du das so erzählst, und kann mir auch vorstellen, wie Herzog die Szene aus dem Off kommentiert. Aber lass uns nochmal kurz das Genre wechseln. Was kannst du mir über Nonnenfilme erzählen?

Es gibt auf alle Fälle einige sehr gute davon und die wollten wir natürlich auch in unseren Film einbringen. Ich hoffe, man merkt, dass wir sehr große Fans von Meine Lieder, meine Träume sind. Wir wollten dem ganzen einen peruanischen Twist verpassen und haben auch diese eine ikonische Einstellung zitiert, wenn Olivia [Colman] am Ende ihrer Musical-Nummer auf der Wiese steht und sich dreht. Dafür haben wir extra einen Ort in den Anden gesucht, der dem Alpenhintergrund des Originals ähnelt.

Ich habe auch gelesen, dass Die schwarze Narzisse von Powell und Pressburger eine Inspirationsquelle für dich war.

Ja, wir wollten auch die düsterere, geheimnisvollere Seite des Nonnenfilms zeigen und da führt kein Weg an Die schwarze Narzisse vorbei. Ich verehre diesen Film, besonders die Kameraarbeit von Jack Cardiff. Wie er Farben einsetzt – das ist unglaublich! Dazu kommt die Kombination aus Sets und Hintergründen. Powell und Pressburger haben mit bemerkenswerten Techniken gearbeitet, um Studioaufnahmen mit Hintergründen zu verschmelzen, die andernorts entstanden sind. Das war für uns ein wichtiges Thema, da wir nicht mit dem Cast, sondern nur der Second Unit in Peru waren. Die Crew hat viele Hintergründe gefilmt, die wir mit unseren Aufnahmen vereint haben. Manchmal stammt sogar die komplette Aufnahme von der Second Unit, da keine menschlichen Figuren vorkommen. Paddington wird dann einfach digital in die Natur eingesetzt.

Ich habe noch zwei andere Regiemeister entdeckt: Steven Spielberg und John Huston mit Jäger des verlorenen Schatzes und African Queen.

Oh ja, ich habe mir African Queen oft angeschaut. Ich liebe alle Sequenzen, die auf dem Fluss spielen. Die Stromschnellen? Wenn Katharine Hepburn und Humphrey Bogart da hineingezogen werden – absolut fantastisch! Natürlich war die Technik damals noch nicht so fortschrittlich wie heute, aber man bekommt definitiv ein Gefühl für die Gefahr, in der sich die Figuren befinden. Das wollte ich unbedingt auch in unserem Film haben.

Und wo kommt Indiana Jones ins Spiel?

Indiana Jones ist die Blaupause des modernen Abenteuerfilms. Ich bin sogar noch einen Schritt weiter zurückgegangen und habe mir einen alten Charlton Heston-Film namens Das Geheimnis der Inkas angeschaut, der eine große Inspiration für Indiana Jones war. Der Film spielt auch in den Anden und hat Machu Picchu als Kulisse. Oh, und habe ich schon Hergé erwähnt? Tim und Struppi im Sonnentempel – ich bin ein sehr großer Fan davon! Einen meiner Lieblingsfilme aus Großbritannien muss ich auch noch erwähnen: Adel verpflichtet. Alec Guinness spielt darin verschiedene Mitglieder einer Familie, indem er in unterschiedliche Kostüme schlüpft. In unserem Film wäre das Antonio Banderas, aber ich will nicht zu viel verraten.

Angenommen, ich würde sagen, dass Paddington der Erbe von Buster Keaton und Charlie Chaplin ist?

Dann würde ich sagen, das ist korrekt. Er verdankt viel der Tradition der Physical Comedy. Buster Keaton ist einer meiner absoluten Filmhelden, weil ich es einfach liebe, wie sein Gesicht im Kontrast zu den absurden Situationen steht, in denen er sich befindet. Und Chaplin liebe ich aufgrund seines Einfallsreichtums und wegen der umwerfenden Choreografien. Die beiden waren definitiv wichtige Referenzpunkte für den Film. Tatsächlich gibt es auch ein paar direkte Hommagen an Buster, die wir eingebaut haben.

Wenn die Mauer auf ihn stürzt, er aber genau dort steht, wo ein Loch ist?

Genau, das ist der Klassiker. Wir zitieren mehrere dieser ikonischen Buster-Momente und passen sie unserer Geschichte an.

Das Timing bei all diesen Slapstick-Momenten könnte kaum besser sein. Wie dreht man das, wenn die Hauptfigur, also Paddington, nicht real ist?

Wir haben verschiedene Techniken angewandt, um diese Szenen so überzeugend wie möglich zu gestalten. Die vielleicht wichtigste Person ist in diesem Fall eine Schauspielerin namens Lauren Barrand, die als Stand-in für Paddington am Set fungiert. Sie trägt Hut und Mantel und führt alle Gesten aus, die Paddington in der Szene machen würde. So können wir jede Einstellung genau planen. Wo ist Paddington? Wie verhält er sich zur Umgebung? Wie zu anderen Figuren? Dazu kommt jemand, der Paddingtons Text aus dem Off vorliest. Und wir haben jede Menge Markierungen, an denen wir uns orientieren können. Ganz wichtig ist, dass wir auf die Augenlinien achten, wenn andere Schauspielende in die Szenen involviert sind und mit Paddington interagieren.

Was ist dann der nächste Schritt, wenn die Aufnahmen im Kasten sind?

Dann kommen wir an den Punkt, wo die visuellen Effekte spannend werden. Ich habe bei diesem Film sehr viel mit Pablo Grillo, einem unglaublichen Animation Director zusammengearbeitet, sowie mit dem wunderbaren Team [der Effektschmiede] Framestone. Dazu gehörte auch Alexis Wajsbrot, der für die visuellen Effekte zuständig war. Pablo war schon bei den ersten beiden Paddingtons dabei. Ohne ihn hätte ich den Film nicht machen können. Gemeinsam haben wir die Action-Sequenzen konzipiert, sie alle vor den Dreharbeiten visualisiert. Er ist ein fantastischer Künstler, der meine dürftigen Skizzen, die ich ihm jeden Tag gegeben habe, in etwas Wunderschönes verwandelt hat.

Wie ist das für den Rest von Cast und Crew, die nicht direkt in diesen Prozess involviert sind, aber beim Dreh zusammenarbeiten müssen? Können die das alles nachvollziehen, was du mit dem Visuelle-Effekte-Team planst?

Das ist ein wirklich interessanter Prozess und am Anfang gibt es immer viele Hürden. Nach und nach entsteht jedoch ein geradezu instinktives Verständnis dafür, was in einer Szene passiert. Gerade wenn ich mit den Schauspielenden zusammenarbeite – deren großartige Darbietungen sind das beste Zeugnis dafür. Erst sie lassen dich glauben, dass das alles in diesem Augenblick wirklich passiert und dass Paddington real ist. Die visuellen Effekte sind nur ein Teil davon, dass Paddington vor unseren Augen zum Leben erwacht. Ohne jemanden auf der anderen Seite würde keine Magie entstehen.

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Das Interview mit Dougal Wilson haben wir bereits am 3. November 2024 geführt, kurz bevor der Film in Großbritannien ins Kino kam. Seit dem 30. Januar 2025 läuft Paddington in Peru nun auch in den deutschen Kinos.

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