Zach Braff & Co. – Stopp dem Crowdfunding-Unsinn!

08.05.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Garden State
20th Century Fox
Garden State
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Für unabhängige Filmemacher ergeben sich durch Kickstarter und vergleichbare Plattformen unterstützenswerte Möglichkeiten. Dank jüngster Projekte von Studiogiganten oder Multimillionären verliert die Idee hinter Crowdfunding allerdings ihren Sinn.

Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit und vielleicht ist es auch das konsequente systemeigene Schicksal populärer Crowdfunding-Plattformen: Mit dem überwältigenden Funding-Ergebnis von 5,7 Millionen US-Dollarn zur Realisierung eines Kinofilms der Teen-Noir-Serie Veronica Mars hat das Konzept internetbasierter Finanzierung durch stille Beteiligte seine Unschuld verloren. Eine Major-Studio-Produktion, die auf das Geld spendenwilliger Fans angewiesen sein soll, lässt sich mit dem eigentlich ehrwürdigen Gedanken unabhängig finanzierter (wenn auch nicht unbedingt produzierter) Projekte kaum noch vereinbaren. Die Vorstellung, ein Studiogigant wie Warner könne mit einem Kinofilm über Veronica Mars, in den er selbst nicht entsprechend investieren wollte, Millionen scheffeln, führt die Idee von Crowdfunding vollständig ad absurdum.

Crowdfunding als Hollywood-Zweig
Nachzügler waren zu befürchten, und lange ließen sie nicht auf sich warten. Inspiriert vom Erfolg des Veronica-Mars-Kinoprojekts startete nun auch Zach Braff eine Crowdfunding-Aktion auf Kickstarter, der populärsten Sammelstelle für schwarmfinanzierte Kreativität. Der Star der langjährigen Humorgrauzone Scrubs – Die Anfänger bittet seine Fans um 2 Millionen US-Dollar, um Wish I Was Here, eine Quasi-Fortsetzung seines Regiedebüts und Überraschungserfolges Garden State, finanzieren zu können. Die gewünschte Mindestsumme erreichte der Aufruf innerhalb von nur drei Tagen, noch bis 24. Mai läuft die Aktion. Belohnt werden sollen die Spender nicht, wie üblich, mit (signierten) Kopien des fertigen Films, sondern – je nach Beteiligung – mit Produktionsvideos, Bilderrahmen oder einer Einladung zur Premiere. Wer Braff und seine zweite Kinoregiearbeit in spe besonders großzügig unterstützte, durfte sich auch eine Statistenrolle erkaufen. Lukrative, buchstäbliche Sonderpreise, die Dank seiner Popularität auch zügig in Anspruch genommen wurden.

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Die Frage, warum ein millionenschwerer Fernsehstar, der für Scrubs Höchstgagen erhielt, den Weg der Projektfinanzierung via Crowdfunding wählt, wird derzeit aus gutem Grund diskutiert. Braff könnte das Projekt mit Leichtigkeit konventionell auf die Beine stellen (lassen) oder aber, wenn ihm so viel daran gelegen ist, auch das Risiko eingehen, es selbst zu finanzieren. Garden State spielte allein bei seiner Kinoauswertung über 35 Millionen US-Dollar ein. Das Heimkino-Nachleben festigte seinen „Kultstatus“ als warmherzige romantische Komödie für Twentysomethings und der Grammy-prämierte Soundtrack beschallt noch heute Szene-Cafés mit den Shins, Coldplay und Frou Frou. Angewiesen wäre jemand wie Braff auf Crowdfunding nicht, aber freilich ist der drohende Hollywood-Zweig Kickstarter eine im wahrsten Sinne des Wortes günstige Alternative, um angebliches Independent-Kino mithilfe ebenjener Szene-Café-Klientel zu finanzieren.

Independent-Kino, das nie unabhängig war
Das nun eben ist die strukturelle Umkehrung einer Idee, bei der Crowdfunding zu Crowdpleasing gerinnt. Und zwar zugunsten der Privilegierten, genau dort, wo es gerade um alternative Möglichkeiten ging, schwierige, unkommerzielle, nicht konfektionierte Filmprojekte zu ermöglichen. Wenn Zach Braff auf Kickstarter schreibt, er sehe Crowdfunding als einen Weg, auch „kleinere, persönliche Filme“ finanzieren zu können, ohne dabei „seine künstlerische Kontrolle aufgeben zu müssen“, dann muss das tatsächlich unabhängigen Filmemachern wie blanker Hohn erscheinen. Garden State, das Aushängeschild eines vermeintlich quirligen Independent-Kinos, das durch geschäftsträchtige iPod-Ästhetik, Popsong-Montagen und handelsübliche Mittzwanziger-Romantik nie auch nur annähernd independent war, gehörte eben zu genau jener Art von Kino, die sich in den kunstgewerblichen „Nischen“ der Major-Studios bestens eingerichtet hat.

Mir ist es eigentlich egal, welche Filme Zach Braff dreht. Von mir aus kann er in rührseligen bürgerlichen Rich-Kid-Schmonzetten wie Der Letzte Kuss weiterhin das eigene Dandytum feiern. Von mir aus kann er seine Indie-Plattencover-Fantasien zu niedlichen Bildarrangements verdichten oder zwischen dem Schritt erdachte (und von Natalie Portman gespielte) Frauenfiguren ihre Zune-MP3-Player anwerfen lassen. Ja, von mir aus kann er auch eine weitere, gewiss ganz entzückend charmante Selbstmitleids-Tragikomödie wie I Wish I Was Here mit Blumentapeten und Grammy-verdächtigem Hit-Soundtrack inszenieren, um seiner adoleszenten Vorstellung von Lebens- und Liebesnöten Ausdruck zu verleihen. Aber dafür darf er dann auch seinen Erfolg, seine Popularität und vor allem sein Vermögen nutzen, statt Crowdfunding-Plattformen zu willkommenen Goldeseln der sowieso bestverdienenden Filmschaffenden umzugestalten.


Als Mr. Vincent Vega polemisiert sich Rajko Burchardt seit Jahren durch die virtuelle Filmlandschaft, immer auf der Suche nach dem kleinstmöglichen Konsens. Denn “interessant ist lediglich Übertreibung und das Pathos – alles andere ist langweilig, leider.” (Christian Kracht). Wenn er nicht gerade auf moviepilot aneckt oder für uns fern sieht, bloggt Rajko für die 5 Filmfreunde und sammelt Filmkritiken auf From Beyond.

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