20 Jahre Forrest Gump - Finde den Forrest in dir

13.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Tom Hanks als Forrest Gump
Paramount Pictures
Tom Hanks als Forrest Gump
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Heute vor 20 Jahren feierte "Forrest Gump" seine Premiere in den deutschen Lichtspielhäusern. Genau der richtige Anlass, um einmal zu erforschen, wie der Antiheld noch in unsere heutige Zeit passt.

Ja, ja, die alte Leier von der Pralinenschachtel. Nie kannst du wissen, was du bekommst. Wer heute Forrest Gump schaut, weiß aber in der Regel ganz genau, was ihn erwartet. Denn, ob ich es mir nun eingestehen will oder nicht, 20 Jahre hat der gute alte Forrest mittlerweile auf dem Buckel. Am 13. Oktober 1994 startete in den deutschen Kinos der Film von Robert Zemeckis, die Geschichte eines simpel gestrickten Mannes, der in die großen Ereignisse seiner Zeit hinein und gleich wieder heraus stolpert; in der Hauptrolle Tom Hanks auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Im Jahre 1994 war ich stolze drei Jahre alt, Helmut Kohl und Bill Clinton waren an der Macht, in Südafrika wurde der Apartheid ein Ende bereitet und in Ruanda schockierte ein Völkermord die Welt, Kurt Cobain hatte sich umgebracht, Schindlers Liste den Oscar gewonnen und die PlayStation war das nächste große Ding. Und dann war da dieses seltsame Drehbuch, die Adaption eines recht unbekannten 1986er Romans von Winston Groom, das niemand für besonders vielversprechend hielt. John Travolta lehnte eine Rolle darin ab, und später auch Bill Murray und Chevy Chase, Ice Cube und Dave Chappelle. Sie alle werden sich mächtig geärgert haben, als sich schon bald nach Kinostart herausstellte, dass Forrest Gump der erfolgreichste Film des Jahres werden würde.

Der Siegeszug des Nerd-Charakters


20 Jahre später ist Forrest Gump noch immer in aller Munde, aber wie das mit Pralinenschachteln eben ist: Manchmal setzt sich jemand drauf und dann ist die klebrige Pampe einfach überall. Forrest Gump ist historisch nicht unbedingt akkurat und gehört mit seiner Verschmelzung aus Komödie und Melodrama durchaus in den Bereich des konservativ manipulativen Hollywood-Kinos. Für Freunde von modernen Blockbustern mag er zu weichgespült sein, für Verfechter von Arthouse-Produktionen eher zu den Guilty Pleasures gehören. Und trotzdem können sich am Ende des Tages erstaunlich viele Menschen auf Forrest Gump einigen. Nur: Wie passt das zusammen?

Ich behaupte, der Erfolg von Zemeckis' Film steht und fällt mit seiner Hauptfigur. Forrest lebt einen amerikanischen Traum, ohne ihn bewusst und voller Ehrgeiz zu wählen. Schon wegen seiner massiven Leinwandpräsenz in jeder einzelnen Szene wird er zur Identifikationsfigur. Aber eben auch wegen seiner liebenswerten Art. Forrest ist ein Antiheld, ein nerd-artiger Charakter zu einer Zeit, in der das Nerdtum noch nicht zum besseren Ton gehört. Eine Zeit, in die der Nerd-Begriff auch nicht so recht passen will. In den Neunzigern dreht sich alles um das Höher, Schneller, Weiter - Forrest Gump ist das Alternativprogramm. Denn zwar entwickelt er sich stetig fort, das Ganze aber ohne den gefräßig kapitalistischen Hintergedanken. Mit 75 Punkten liegt sein Intelligenzquotient weit unter dem Durchschnitt und in der Schule machen ihn seine Beinschienen zum Mobbingopfer - und trotzdem ist er der Schnellste von allen. Geradezu autistisch folgt er seiner Linie: „Forrest, was auch passiert, schau immer auf den Ball.“ Wenn er Pingpong spielt, dann spielt er nur Pingpong. Wenn er läuft, dann läuft er.

Die entfernten Verwandten des Forrest Gump


Wer heute Filme nicht nur schaut, sondern sie auch selber entstehen lässt, kennt Forrest Gump unter Garantie. Und so lässt sich auch mit einer gewissen Bestimmtheit behaupten, dass heutige Regisseure, Produzenten und Drehbuchautoren ihren ganz persönlichen Forrest in ihre eigenen Werke einfließen lassen - ob bewusst oder auch nicht. Es reicht ein flüchtiger Blick in die aktuellen Kinostarts. Dort wimmelt es nämlich nur so von Figuren, die als entfernte Verwandte der Familie Gump durchgingen. Glaubt ihr nicht? Bitte.

Seit dem letzten Donnerstag läuft Wish I Was Here in den Kinos, das Kickstarter-Projekt von Zach Braff, der personifizierten Absage an veraltete, machohafte Männerbilder. Seine Komödie ist eine Feier des Nerds, exzentrischer Comic-Con-Kostüme und - ganz genau wie bei Forrest - des ganz besonderen, persönlichen Blicks auf die Welt. „Mein Vater sagte mir, ich sei seit meiner Bar Mitzwa offiziell ein Mann,“ erklärt Braffs Figur Aidan seinem Rabbi. „Also sagte ich ihm, dass ich als Mann einen Bacon Double Cheeseburger wolle. Ich glaube, ich habe ihn mit meiner Logik beeindruckt.“

Eine andere Charaktereigenschaft von Forrest findet sich in Ian (Michael Pitt) aus I Origins - Im Auge des Ursprungs wieder. Es ist die Gewohnheit, fokussiert bis zum Äußersten und mit übermenschlichem Durchhaltevermögen seine Sache durchzuziehen. Für seine Forschung bringt Ian seine Beziehung in Gefahr, verkapselt sich fast vollständig in seiner Arbeit und reist um die halbe Welt. Die Motivation dafür ist seine große Liebe zu einer ganz besonderen Frau. Davon konnte auch Forrest ein Lied singen, der bei all seinen Taten stets Jenny (Robin Wright) vor seinem geistigen Auge sah. Mit unendlich viel Liebe und Mitgefühl für alle seine Mitmenschen (und vor allem für seine Kundinnen) ist auch Fioravante (John Turturro) aus Plötzlich Gigolo gesegnet: der schlicht gestrickte Blumenmacher wird von seinem älteren Freund Murray (Woody Allen) zum Callboy gemacht. Und obwohl er ohne jegliches Profitstreben in den Job hineingerutscht ist, überzeugt seine emphatische und authentische Art so sehr, dass bald die Kasse klingelt. 


Sogar im Kinderfilm ist die Forrest-Gump-Botschaft angekommen. Im kommenden Januar sehen wir in Disneys neustem Animationsstreifen Baymax - Riesiges Robowabohu als Helden der Story einen dürren Teenager und einen Roboter, der unter seiner Superhelden-Uniform weich, wabbelig, tollpatschig und ungemein liebenswert daherkommt. Und auch im Stop-Motion-Werk Die Boxtrolls, das nächste Woche die hiesigen Kinos erreicht, sind die uneigennützigen und schrulligen Außenseiter die eigentlich Normalen. „Echte Helden haben Ecken und Kanten“, erklärt uns der Trailer - und da stimme ich zu. Damals wie heute gilt: Forrest Gump hat es weit gebracht.

In welchen Filmfiguren erkennt ihr Forrest Gump wieder?

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