Die Filmkultur stirbt nicht, sie verändert sich

05.11.2012 - 09:15 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Nur ein lautes, teures Nichts?
Sony
Nur ein lautes, teures Nichts?
16
31
Es ist allgemein bekannt, dass die Welt in ein paar Wochen untergeht. Vielleicht ist das der Grund, warum führende Köpfe der Kritik den Tod der Filmkultur ausrufen. Wer ein Déja-vu findet, darf es gern behalten.

Hier in Deutschland versinken die Kritiker mit großer Freude und Regelmäßigkeit im Selbstmitleid, etwa wenn es um den deutschen Film geht oder den Niedergang ihrer Zunft. All diese Diskussionen wiederholen sich Jahr um Jahr, angeheizt durch die das Diktat des Arthouse-Einheitsbreis bekräftigende Berlinale oder ein von ästhetischer Betriebsblindheit geschlagene Deutsche Filmakademie. In den USA läuft das nicht anders. Trotzdem verwundert es, dass ausgerechnet der Herbst 2012 auserkoren wurde, um die Filmkultur für tot zu erklären. Nicht ein, nicht zwei, sondern gleich ein ganzer Haufen von wohldurchdachten, nur bedingt nachvollziehbaren Aufsätzen wurde von großen Namen des Geschäfts veröffentlicht. Die Überschriften stellen vor allem Fragen (am schönsten: Has Hollywood Murdered the Movies?), die Texte geben eindeutige Antworten. Doch ist was dran am Fatalismus?

Das Kino als Leichenschauhaus
Die Antwort lautet natürlich Nicht viel, über die Argumente lässt sich aber trotzdem streiten, immerhin haben sich hier ein paar (graue) Herrn ausführlich Gedanken um das Medium gemacht, das ihnen seit Jahrzehnten am Herzen liegt. Wenn jemand Aufmerksamkeit verdient, dann sie. Für die New Republic schreibt David Denby, Kritiker beim New Yorker, über große Blockbuster, die große Zahlen bringen und wenig mehr. Ursächlich für den vielen Lärm um Nichts in Filmen wie Marvel’s The Avengers, Inception und all die tent-poles sei die Fixierung auf eine Teenager-Zielgruppe, mit der die Vermarktung der Franchise in allen nur erdenklichen Lebensbereichen einhergeht. Film als Ware werde vom Happy Meal bis zum Kinoticket aufgebauscht, es entstehe ein ’Missverhältnis zwischen der Größe der Produktion, mit ihren riesigen Sets und digitalen Schlachten und der Schwächlichkeit jeglichen Sinns, der aus [den Filmen] möglicherweise extrahiert werden könnte […]. Viele große Filme (nicht nur die Marvel-Adaptionen) sind heutzutage durchtränkt von dem, was man nur als unternehmerische Ironie [corporate irony, Anm. d. Verf.] bezeichnen kann, eine verrückte Diskrepanz zwischen Größe und Bedeutung ’

Eines der wichtigsten Argumente, das Denby für den Niedergang der Filmkultur (der Filme selbst und der Diskussion über sie) anbringt, ist die schwindende Bedeutung des Kinos als Freizeitgestaltung. Er verweist auf die 30er Jahre, als 80 Millionen Amerikaner jede Woche in die Lichtspielhäuder zogen, heute sind es 30 Millionen. Fernsehen, Internet, Videospiele und andere mediale Angebote bilden die Konkurrenz. Gleichzeitig erziehen die Studios eine junge Generation zur Akzeptanz des gescholtenen Event-Kinos, während für erwachsene Filme kaum noch ein Publikum zu finden ist. Früher sei das alles anders gewesen und in gewisser Weise hat Denby recht. Die Filme werden heutzutage durchs Kino gejagt, um wenig später im Meer der DVD-Veröffentlichung unterzugehen. Nur selten halten sich Werke über Monate im Programm (zuletzt beispielsweise Ziemlich beste Freunde), dementsprechend schnell verschwinden sie aus dem öffentlichen Bewusstsein und der öffentlichen Diskussion. Und um Öffentlichkeit geht es ihm, nicht um den exklusiven Kreis der Cinephilie, der er einen kleinen Absatz widmet. Geboren für die Schnelllebigkeit der jungen Zielgruppe hasten die digitalen Abenteuer in (auch schnitttechnischer) Windeseile durch die Säle, ohne lange Eindruck zu hinterlassen. In die Marginalität verbannt werden darüber die Independent-Filme. Es ist die logische Evolution der Entwicklungen nach dem Ende der Studioära, der Geburt des amerikanischen Blockbusters und seines Antipoden, des Indie-Films. Dazwischen bleibt, glauben wir Denby, vor allem Platz für Adam Sandler -Komödien.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News