Die zeitlose Komik des Charlie Chaplin

16.04.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Charlie Chaplin in Lichter der Großstadt
Arthaus
Charlie Chaplin in Lichter der Großstadt
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Weil Chaplin keine großen Worte brauchte, um Geschichten zu erzählen, sollen auch an seinem 125. Geburtstag Bilder sprechen, mit denen er mein filmisches Gedächtnis und die Kinogeschichte überhaupt entscheidend prägte. “Happy birthday, little fellow!”

Die Figur des Tramp machte Charlie Chaplin weltberühmt. Der kleine Kerl mit den übergroßen Schuhen, dem schlechtsitzenden Anzug und der ausgebeulten Melone grenzt an ein empathisches Wunder. Ein unbeirrbarer Optimismus überdeckt die tiefe Tragik dieses schmutzigen und verwahrlosten Helden, der stets mit einem Lächeln auf den Lippen durch die Welt schreitet. Aus den vielen Widersprüchen, die Chaplin in seiner Figur anlegt, speist sich ein beträchtlicher Teil der einzigartigen Komik, die seit mehr als einem Jahrhundert Menschen auf der ganzen Welt amüsiert und berührt. Mit dem herumwirbelnden Spazierstöckchen in der Hand tanzt der Vagabund fröhlich pfeifend und seine oft feindselige Umgebung stur ignorierend, über dem Abgrund.

Mit seinen Filmen hat Charlie Chaplin bewiesen, dass es so etwas wie zeitlose Komik gibt – einen Witz, der nicht altert. Das mag einerseits daran liegen, dass es sich um sprachunabhängigen Humor handelt, der sich oftmals in hervorragend choreografierten Slapstick-Einlagen äußert, aber auch an den menschlichen, allzu menschlichen Problemen, die Chaplin in seinen Werken aufgreift. In seinen Figuren – allen voran im Tramp – spiegelt sich die unendliche Kluft zwischen Schein und Sein, mit der Chaplin spielerisch jongliert und aus der er emotionale Dramen hervorzuholen weiß. Immer schwingt auch die eigene Biografie des in ärmlichsten Londoner Verhältnissen aufgewachsenen Charles Spencer Chaplin, der in Hollywood zum Weltstar avancierte und schließlich mit dem Ritterschlag der englischen Krone geadelt wurde, mit, wenn der Tramp seine tragikomischen Töne anschlägt.

In Der Vagabund und das Kind verbindet Chaplin gekonnt Slapstick mit viel Gefühl. Sehr treffend ist der Stummfilm von 1921 mit den Worten “ein Film mit einem Lächeln und vielleicht einer Träne” untertitelt. Zunächst will der Tramp das titelgebende Neugeborene loswerden, doch wird schon bald viel Herz beweisen und den kleinen Jungen groß ziehen. Die Solidarität mit dem Kind ist allerdings dann sehr begrenzt, wenn es dem Vagabunden selbst an den Kragen gehen könnte, wie die folgende Szene wunderbar erzählt:

Auch aus dem nächsten Film bleiben dem Zuschauer besonders die einfallsreichen Slapstickszenen im Gedächtnis haften. Ob der Tramp nun seinem hungrigen Goldgräber-Kumpel Big Jim als halluziniertes Huhn erscheint und um sein Leben fürchten muss oder der grandiose Tanz, den Chaplin nur mit Besteck und zwei Brötchen aufführt – die schreiend komischen Szenen entwachsen, wie so oft bei Chaplin, einer existentiellen Not. Bezeichnend für Goldrausch steht das berühmt berüchtigte Dinner, bei dem ein besonders zähes Gericht auf den spärlich gedeckten Tisch kommt:

Kaum ein Film Chaplins spielt so sehr mit der Diskrepanz zwischen Schein und Sein wie Lichter der Großstadt. Die Gesellschaft stößt den Tramp aus und festigt unumstößlich seine Rolle als einsamer Außenseiter. Nur Betrunkene akzeptieren ihn so, wie er ist. Doch für das blinde Blumenmädchen kann er alles sein, sogar Millionär:

In Moderne Zeiten spielte Charlie Chaplin zum letzten Mal sein Alter Ego, die von ihm erschaffene Figur des kleinen Rumtreibers in den unpassenden Klamotten. Der Film ist auch Spiegel des Grolls, den Chaplin gegenüber der Filmindustrie hegte. 1935 ist der Tonfilm längst etabliert und doch hören wir in Moderne Zeiten einzig und allein die Sprache der Mächtigen, die auch noch ausschließlich durch Technik und nie persönlich vermittelt wird. Auch das mechanische Klicken der Fütter-Maschine ist zu vernehmen, wenn jene vielversprechende Erfindung am ahnungslosen Tramp ausprobiert wird:

Der große Diktator beinhaltet wahrscheinlich nicht nur die beste Hitler-Parodie aller Zeiten, sondern stellt wohl auch die gelungenste Satire über den Faschismus dar. In seiner Autobiografie bezeichnete Chaplin den Größen- und Rassenwahn Hitlers als “mystischen Unsinn”. In einer von vielen nennenswerten Szenen entlarvt er die Weltherrschafts- und Allmachtsfantasien des Diktators Hynkel als groteske Selbstverliebtheit, wenn er zu den Klängen Wagners mit einem aufblasbaren Globus jongliert:

Der alte Brecht hat mal gesagt, dass ein Mensch erst dann tot sei, wenn sich niemand mehr an ihn erinnere. Mit den obigen und natürlich noch vielen anderen Szenen hat Charlie Chaplin wohl den Weg in die Unsterblichkeit gefunden. Alles Gute zum 125. Geburtstag!

Welche ist eure Lieblingsszene von und mit Charlie Chaplin?

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