Dschungelcamp 2016 – Alles, nur nicht Thorsten Legat

30.01.2016 - 09:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Pathologischer Ehrgeiz: Thorsten Legat und die Dschungelprüfung.
RTL / Stefan Menne
Pathologischer Ehrgeiz: Thorsten Legat und die Dschungelprüfung.
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Ein Finale mit Thorsten Legat, aber ohne Helena Fürst – da haben die RTL-Zuschauer für einen sehr langweiligen letzten Abend im Dschungelcamp gestimmt. Es war eine lehrreiche Jubiläumsstaffel, im Guten wie im Schlechten.

Wer es gemütlich wolle, meinte die wieder mal sehr giftige Dschungelcamp-Moderatorin Sonja Zietlow, der solle sich doch eine Kaminfeuer-DVD einlegen. In der Tat schien die Gemütlichkeit manch früherer, besonders aber der vorangegangenen Staffel Ich bin ein Star - Holt mich hier raus schon dem Beginn der Jubiläumsausgabe ausgetrieben. Und das wirkte zunächst sogar beinahe verkrampft. Nicht nur schickte man die zwölf Kandidaten in der augenscheinlichen Hoffnung auf Gruppenrivalität erstmals für mehrere Tage in zwei Camps (und ließ sie die Dschungelprüfungen gegeneinander bestreiten), sondern zwang sie allesamt bereits vor Einzug zu einem Kennlerndinner mit ausgesuchten Urwaldspezialitäten. Besonders stark wirkten sich die erschwerten Spielregeln auf die Challenges aus, von denen einige unerträglich lang ("Das große Kribbeln" zwischen Helena Fürst und Jenny Elvers) und andere schlicht nicht machbar schienen ("Dschungelmetzgerei"). Das hatte mitunter einen faden Beigeschmack. Wenn zehn Staffeln Dschungelcamp uns und ihren Produzenten selbst etwas gelehrt haben, dann die absolute Unberechenbarkeit des Formats: Mit rein formalen Eskalationsstrategien ließ sich da noch nie etwas ausrichten.

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Glücklicherweise fand das diesjährige Dschungelcamp trotzdem schnell zu sich – eben dort, wo es die Kandidaten abermals zu eigenen Bedingungen gestalteten. Thorsten Legat und Helena Fürst versprachen zwar gewiss reichlich Konfrontationspotenzial mitzubringen, führten das soziale Experiment der Show aber an ungeahnte Grenzen: Nie zuvor musste man im Dschungelcamp so sehr Handgreiflichkeiten befürchten wie bei den hochgradig virilen Ausrastern eines Thorsten Legat, dem vor laufenden Kameras ganz offensichtlich das erste Mal in seinem Leben eine Frau die Stirn bot. Ohne jedwede Berührungsängste stellte sich Helena Fürst der Misogynie ihres Kontrahenten entgegen, ließ ihn, den aufgebäumten Platzhirsch, einem hilflosen Kind gleich um Fassung ringen. Frauenfeindlichkeit, winselte er, der ganz ungeniert die widerlichsten Aussagen in der Geschichte des Dschungelcamps tätigte ("Nach zwei Jahren hätte ich die Alte schon weggeknallt."), dürfe ihm niemand vorwerfen. Helena Fürst gelang es, diese muskelbepackte Kluft aus Selbst- und Fremdwahrnehmung mit der störrischen Ruhe einer wahren, zumindest aber einer Dschungelkönigin der Herzen einzureißen. So etwas lässt sich nicht programmieren.

Gefährlich, sehr gefährlich werden Kandidaten wie Thorsten Legat erst, wenn ihr abgesonderter Blödsinn über allein erziehende Mütter (Helena), halbe Männer (Menderes Bagci) oder Frauen, die sich gefälligst anzubieten hätten (Nathalie Volk), unwidersprochen bleibt. Niemand außer Helena Fürst wollte ihm die Meinung geigen, Sophia Wollersheim versuchte sogar ein Diskussionsverbot zu verhängen. Vielen, darunter vielleicht auch der überraschend frühzeitig ausgeschiedenen Brigitte Nielsen, brachte derart falsche Zurückhaltung keine Pluspunkte. Ob die Anrufer das vergangenen Abend gemeinsam auf der Kippe stehende, ungleiche Duo Legat und Fürst im Sinne guter Unterhaltung oder tatsächlich aufgrund unentschiedener Sympathien so weit haben kommen lassen, wird nicht mehr zu klären sein. Doch sehen, wie ein mit aggressiver Selbstverständlichkeit präsentiertes mittelalterliches Weltbild von sanfter Aufklärung zu Fall gebracht wird, wollten sie schlussendlich offenbar nicht. Thostens Sieg über Helena ist nicht nur ein Wermutstropfen, sondern der fragwürdige Beweis, dass urzeitliches Gebaren mehrheitsfähig ist. Ein finaler Dschungelcamp-Kandidat, den Deutschland sich im Jahre 2016 redlich verdient hat.

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Alle Hoffnung liegt nun auf Menderes Bagci, der gewiss nicht der originellste, aber doch ein verdienter Dschungelkönig wäre. Kein Kandidat löste das leidige Versprechen, im Dschungelcamp andere Seiten von sich zeigen zu wollen, unaufdringlicher ein als er. Bescheiden, friedfertig, liebenswürdig trat er auf, erwies sich als wahrer Ruhepol im diesjährigen Dschungelcamp. Menderes überraschte mit Brecht-Zitaten und bewegenden Einblicken in seinen Gefühlshaushalt, er agierte im Hintergrund und blieb dennoch stets sichtbar. Die vermeintlich zynische Show nutzte er vor allem, um das von einem anderen großen RTL-Format erschaffene Bild des verlachten Castingshow-Teilnehmers zu korrigieren. Ganz sanft wendete Menderes mit Geschichten über sein isoliertes Leben, über Krankheiten und Kontaktschwierigkeiten jenen Witz gegen den Sender selbst, zu dem ihn Deutschland sucht den Superstar über zehn Jahre hinweg aufzubauen versuchte. Ob endgültiger Abstieg oder mediale Rehabilitation – im Dschungelcamp ist letztlich jeder seines eigenen Glückes Schmied. Dort, sagte Menderes Bagci, sei ein Lächeln noch ein Lächeln. So jemandem kann man die Krone nicht ernstlich verweigern wollen.

Und sonst? Bepisste Toilettenbrillen, demonstratives Hungern und die obligatorische Frage, wer wo schläft. An den entscheidenden Stellen bleibt sich das Dschungelcamp treu. Denn "was wären wir ohne Zuschauer? Ach ja, Tele 5". Toll. Gewohnt hinreißender Spott, immer wieder auch gegen das eigene Format. "Kleines Schrottwichteln" nannte Sonja Zietlow die wahrlich nicht sehr berühmte Sommerausgabe der Show, "eigentlich schade, dass Sie nicht eingeschaltet haben". Dazu Musik aus The Leftovers, Six Feet Under, The Walking Dead. Amüsante Spitzen in Richtung Flüchtlingskrise. Und Gaga-Kommentare über weißgewaschene Oscars oder die selige Zeit der Mittagstalkshows, polemische Analysen zum Geschehen am Lagerfeuer und engagierte Gesangseinlagen oben wie unten. Die treffsicheren Moderationstexte sind beim Dschungelcamp eine Art süße Zugabe. Es braucht sie eigentlich nicht, aber man ist irgendwie trotzdem dankbar, dass es sie gibt. Schöne Jubiläumsstaffel war das. Kein großer Wurf wie die Jahre 2011 und 2014, aber lehrreich und vergnüglich genug, um Ich bin ein Star - Holt mich hier raus immer noch bestes deutsches Fernsehen nennen zu können. Die nächste Nominierung für den Grimme-Preis ist überfällig.

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