Ich, Blue Velvet und David Lynchs Idylle

09.08.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Blue Velvet
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Nach dem gescheiterten Dune war Blue Velvet in den Augen der Kritiker Lynchs Rehabilitation als Regisseur und Drehbuchschreiber. Ich habe mich irgedwo zwischen dem ersten und zweiten Blick in Blue Velvet verliebt und schenke ihm deswegen mein Herz für Klassiker.

Blue Velvet war der erste Lynch-Film, den ich gesehen habe, aber lange nicht der Letzte. Vielleicht steht er deswegen so weit oben auf dem ohnehin schon hohen Podest, auf welches ich David Lynch stelle. Wenn ich David Lynch denke, denke ich an die einzigartige Atmosphäre seiner Filme, die sich immer irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit bewegen und seine ganze Symbolik erst nach wiederholtem Schauen entfalten. Ich denke an Mulholland Drive, den ich bis heute nicht wirklich verstehe. Ich denke an Twin Peaks, welche ich eines Tages unbedingt zu Ende gucken muss. Und ich denke an Blue Velvet.

Weiß lackierte Zäune, blauer Himmel und akkurat gepflanzte Rosen. So sieht der amerikanische Vorstadt-Traum aus. Doch diese Idylle wird jäh gestört als Mr. Beaumont während der Gartenarbeit scheinbar tot zusammenbricht. Die Kamera fliegt vorbei an dem regungslosen Mann, immer tiefer bis sie auf Höhe des Rasens ist. Dann noch tiefer ins das Erdreich hinein. Dort brodelt es: Aaskäfer wühlen in der Erde unter dem Idyll. Ein treffender Prolog mit einer unglaublich starken Symbolik, die das Thema des gesamten Films nicht treffender hätte beschreiben können. Das Mysterium beginnt als Jeffrey Beaumont, Lynch-Stammakteur Kyle MacLachlan, bei einem Spaziergang ein abgetrenntes menschlicher Ohr findet. Jeffreys Neugier ist geweckt und er beginnt, zusammen mit Sandy (Laura Dern), der Tochter des Polizeichefs, auf eigene Faust zu ermitteln. Sie tauchen ein in die Welt von Frank Booth, einem der angsteinflößendsten Schurken der Kinogeschichte; grandios gespielt von Dennis Hopper. Jeffrey fühlt sich zu der schönen, aber traurigen Sängerin Dorothy Vallens (Isabella Rossellini) hingezogen, deren Familie von Frank Booth gefangen gehalten wird, um sie für seine kranken sexuellen Gelüste gefügig zu machen.

Warum ich Blue Velvet mein Ohr…pardon…Herz für Klassiker schenke
Es muss 2010 gewesen sein, als ich Blue Velvet das erste Mal sah. In meiner Hochschule gibt es eine “Vorlesungs”-Reihe, in der jede Woche ein Klassiker der Filmgeschichte gezeigt wird. Ich saß mit meinem Freunden im Hörsaal, ausgestattet mit Wein und Schokolade, wartend auf den Film. Und so richtig wussten wir nicht, wie uns geschah, als er begann. Denn, was uns als Thriller angekündigt war, entpuppte sich schnell als unglaublich lustige Komödie. Angefangen von Laura Derns, nun ja, eigentümlicher Gesichtsakrobatik, über Dennis Hoppers Beatmungsgerät, bis hin zu den unerwartet lustigen Dialogen:
Jeffrey: “Du bist ein nettes Mädchen.”
Sandy: “Du auch…Ich meine, du bist ein netter Junge.”
Wir waren gefangen im Moment, nur die alberne Seite von Blue Velvet zu erkennen. Doch aus irgendeinem Grund musste ich in den darauffolgenden Monaten und Jahren immer wieder an den Film denken, bis ich ihn mir 2012 noch einmal ansah. Diesmal allein und ohne Wein. Er hatte zwar von seiner unterschwelligen Komik kaum etwas eingebüßt, doch ich konnte plötzlich die Geschichte, die Charaktere, Motive und Symbole viel besser wertschätzen. Und noch heute brauche ich nur an den Film zu denken, und ich beginne schon zu singen: “She wore Blue Velvet, bluer than velvet was the night.”

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