Tim Burtons Batman - Comicspektakel mit Pioniergeist

26.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Michael Keaton in Batman (1989)
Warner Bros.
Michael Keaton in Batman (1989)
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Kaum ein Film wurde von so viel Presserummel begleitet wie einst Tim Burtons Kinoadaption des einsamen Rächers Batman. Zum 25jährigen Jubiläum erinnern wir uns der Kontroverse, aber auch ungebrochenen Stärken eines Comicspektakels mit Pioniergeist.

Nicht erst Ben Affleck musste erfahren, wie ernst es Fans mit einem ihrer beliebtesten DC-Helden meinen. Der Online-Shitstorm nach Bekanntgabe seiner Besetzung im kommenden Superhelden-Mashup Batman v Superman: Dawn of Justice nahm sich vergleichsweise harmlos aus gegen die landesweiten Protestaktionen jenen comicaffinen Fan-Mobs, der sich einst über die Verpflichtung des Schauspielers Michael Keaton in der Titelrolle empörte. Als Tim Burtons spektakulär beworbener Batman heute vor 25 Jahren in die deutschen Kinos kam, lag eine multimediale Berichterstattung hinter dem Film und seinem Hauptdarsteller, die in ihrer Mischung aus wahnwitzigem Hype und penetranter Cross-Promotion, aber auch Hohn und Spott ihresgleichen suchte. Anders als George Clooney, der keine Gelegenheit zum ironischen Kommentar seiner Darstellung der berühmten Figur in Batman & Robin auslässt, ist Keaton aber nach wie vor sehr stolz auf die Rolle, wie er kürzlich im Rahmen der Comic-Con verlautbaren  ließ. Tim Burton habe mit Batman eine kühne Idee verwirklicht, so Keaton, und beide seien sich in ihrer persönlichen Vorstellung des schizoiden, emotional entwurzelten Titelhelden einig gewesen – auch darin, sie gegen Studio- und Fanwiderstände durchzusetzen.

Von ebensolchen wurde die Produktion 1988 außer- wie innerhalb auf beinahe alle erdenklichen Arten begleitet: Radikale Eingriffe des legendär unfähigen Produzentengespanns Peter Gruber und Jon Peters in den Drehalltag, regelmäßig kommunizierte Skepsis des Studioriesen und DC-Rechteinhabers Warner sowie eine aus offenkundiger Häme gespeiste Berichterstattung rahmten einen Sommerhit, der seinen Widerspruch aus künstlerischer und kommerzieller Ambition noch heute in sich trägt. An den Erwartungen skeptischer Comicfans drohte dieser Batman ebenso zu scheitern wie dem gewaltigen Druck, der auf seinem damals erst 29jährigen Regisseur und dessen schon vorab als Fehlbesetzung gebrandmarktem Hauptdarsteller lastete. Für Burton sollte es die zermürbendste Erfahrung seiner Karriere werden, ein von ständigen Auseinandersetzungen, Kompromissen und Nervenzusammenbrüchen bestimmter Albtraum. "Wir drehten eine Szene im Glockenturm, in der Jack Nicholson die Treppen hochsteigt, ohne dass wir wussten, warum er das eigentlich tut", fasste Tim Burton die tagtäglichen Scriptänderungen im Interview mit Mark Salisbury einst resigniert zusammen. "Er fragte mich: 'Wieso laufe ich die Stufen hoch?', und ich sagte ihm: ’Keine Ahnung, wir reden darüber, wenn du oben angekommen bist'."

Jack Nicholsons Verpflichtung für die Rolle des Jokers, der auch bei Burton schon als eine Art böses Prinzip angelegt ist, in dem sich terroristischer Wahnwitz und kultivierte Zerstörungslust unberechenbar, zugleich aber verführerisch Bahn brechen, glich seinerzeit einem Casting-Coup ohnegleichen. Nachdem er über Jahre hinweg immer wieder lukrativste kommerzielle Angebote ablehnte, sicherte sich Nicholson als eigentlicher Star der Prestigeproduktion sogar eine Gewinnbeteiligung, die ihm schätzungsweise 60 Millionen US-Dollar eingebracht haben soll – vermarktungsstarkes top billing inklusive: Die erste und wichtigste Namensnennung galt nicht etwa Batman-Darsteller Michael Keaton, sondern dessen Antagonisten. Nichts durfte den Erfolg eines Films vereiteln, der für Warner vor allem zu existenzsichernden Konditionen ausgehandelt werden musste. Kurz vor der Fusionierung mit dem Time-Konzern sollte Batman, als ein vielleicht letztes Aufbegehren klassischer Studiopolitik, das zur Verschmelzung dringend nötige Kapital erwirtschaften. Und mittendrin: Ein junger Ex-Disney-Zeichner, der nach dem fast unschuldigen Überraschungshit Beetlejuice plötzlich an der marktradikalen Hollywoodfront versucht war, um seine künstlerische Vision zu kämpfen.

Der Rest mag gewinnbringende und in der Art, wie Superheldenfilme heute produziert, inszeniert und vermarktet werden auch zweifelsfrei visionäre Filmgeschichte sein – und doch ist Tim Burtons Batman nicht nur als Initialzündung düsterer Blockbuster, sondern auch autorenfilmisch-eigenwilliger Popkulturinterpretation ein unterschätzter Film. Obgleich es im Zeitalter allzu selbstverständlich grimmiger, oft genug auch dezidiert humorbefreiter Comicadaptionen kaum noch vorstellbar scheint, galt der ernsthafte Tonfall des hochbudgetierten Kinospektakels seinerzeit tatsächlich als kommerzielles Wagnis. In einer zeitgenössischen Besprechung  des Films bedauerte Gene Siskel den Umstand, dass schon eine erwachsene, von buntem Firlefanz und Zugeständnissen ans Teenpublikum enthobene Herangehensweise ausreiche, um ein Projekt als Risiko einzustufen. Sein Kollege Roger Ebert war es wiederum, der ihm genau darin entschieden widersprach, um sich an wenig originellen filmkritischen Bausteinen wie Story, Figuren und Identifikationspotenzial abzuarbeiten: Batman habe ihm nicht so viel Spaß gemacht wie der einen Monat zuvor gestartete Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, hieß es da, und die Beziehung zwischen Bruce Wayne und Vicki Vale sei ihm ebenso egal gewesen wie Burtons verstörender, kinderunfreundlicher Zugang zum Material.

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