Wie Robert Zemeckis digitale Revolution scheiterte

31.05.2011 - 08:50 Uhr
Milo und Mars
Disney
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Die Zukunft ist digital. Das dachte sich Robert Zemeckis zur Jahrtausendwende und setzte fortan auf aufwendige Motion Capture-Filme. Doch Milo & Mars, der aktuelle, von ihm produzierte Film, ist zugleich der Grabstein dieser Träume.

Welcher geistig gesunde Mensch würde einen Film, der weltweit 300 Millionen Dollar eingespielt hat, als Flop bezeichnen? Wer sich nicht mit den Zahlen und Fakten rund um Eine Weihnachtsgeschichte auskennt, würde dieses Ergebnis wahrscheinlich als Erfolg deuten. Doch der Motion Capture-Film von Robert Zemeckis war der Todesstoß für dessen digitales Filmstudio ImageMovers Digital. Diese Woche kommt gewissermaßen der Grabstein des Großprojektes in die Kinos. Milo und Mars heißt der. Als Disney im März letzten Jahres bekannt gab, dass ImageMovers Digital vor dem Aus steht, war Milo und Mars gerade in Produktion. Jetzt dürfte er als ein legendärer Flop in die Filmgeschichte eingehen.

Ein Jahrzehnt der Flops
Eine Weihnachtsgeschichte war ungeachtet seines beachtlichen Einspielergebnis ein Misserfolg, weil allein die Produktionskosten auf 200 Millionen Dollar geschätzt werden. Marketing und ähnliches ist in dieser Zahl nicht inbegriffen. Seit der Gründung 1997 hat keiner der aufwendigen Performance Capture-Filme aus dem Hause ImageMovers an der US-Box Office zumindest seine Produktionsosten einspielen können. Dazu gehören Der Polarexpress, Monster House, Die Legende von Beowulf, Eine Weihnachtsgeschichte und ganz aktuell Milo und Mars. Nach dem Ladenschluss von ImageMovers relativ lieblos auf den Markt geworfen, hat dieser in den USA trotz 3D-Zuschlag sage und schreibe 21 Millionen Dollar eingespielt und das bei Kosten von 150 Millionen.

Die gigantische Geldverbrennungsmaschine, die hinter diesen Filmen steckt,, wurde ursprünglich aus einer Vision heraus geboren. Um die Jahrtausendwende herum, als Hollywood in Gestalt von George Lucas und seinen Star Wars-Prequeln auf den digitalen Zug aufsprang, träumte Robert Zemeckis von den Möglichkeiten der digitalen Effekte. Wenn visuell alles möglich ist, würden sich die Filmemacher dann nicht automatisch der Story zuwenden? Diese und andere Fragen stellte er damals 2001 im “Robert Zemeckis Center for Digital Arts”. Aus heutiger Sicht wirken sie wie eine traurig-ironische Pointe seiner folgenden Filme. Fantastische Ideen konnte er im Polarexpress, Beowulf und anderen umsetzen, aber zwei Dinge haben immer gefehlt: das Leben und die Meisterschaft im Geschichtenerzählen.

Ich sehe tote Menschen
Dass Robert Zemeckis’ Filme nie das Uncanny Valley überwanden, sondern mit ihren bemüht realistischen, aber leblosen Wachsfiguren eher gruselten, denn faszinierten, wurde zum fatalen Stolperstein eines Visionärs. An den kommerziellen Misserfolgen am laufenden Band konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass Zemeckis’ Filme auf bekannten Büchern oder Sagen basierten und damit schon Markennamen innehatten. Demgegenüber schuf James Cameron im technisch wirklich revolutionären Avatar – Aufbruch nach Pandora tatsächlich eine neue Welt, ohne das die Zuschauer vorher jemals von Na’vi gehört hätten. James Cameron hielt das, was er visuell versprach, selbst wenn die Story nicht über einen stereotypen Der mit dem Wolf tanzt-Abklatsch samt ideologischem Ballast hinauskommt.

Bedauerlich am Aufstieg und Niedergang von ImageMovers Digital ist zum einen, dass wir zehn Jahre ohne einen guten Film von Robert Zemeckis auskommen mussten. Andererseits ist da jemand gescheitert, der das Kino tatsächlich weiterbewegen wollte; der mit Beowulf immerhin ein animiertes Abenteuer für Erwachsene gedreht hat, anstatt sich so wie viele Kollegen den 14 bis 25-jährigen anzubiedern. Doch wer 200 Millionen Dollar für einen Film ausgibt, dessen verdammt teuren Star wir nie wirklich zu sehen bekommen, der hat das Potenzial der digitalen Technik vielleicht von vornherein falsch verstanden. Robert Zemeckis ist schlichtweg an der Realität gescheitert.

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