28 Years Later: Wir müssen über die unbekleideten Zombies reden

25.06.2025 - 16:00 Uhr
28 Years Later
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In Danny Boyles postapokalyptischem Film 28 Years Later tragen die Zombies keine Kleidung mehr. Und das hat mich beim Kinobesuch auf gleich mehreren Ebenen fertiggemacht.

Ein Zombie rennt übers Feld, dann noch einer. Zottige Haare fliegen. Rote Augen fassen das fliehende Opfer in den blutunterlaufenen Blick. Dreck klebt an den bedrohlich zuckenden Gliedern. An den nackten Gliedern. Denn Kleidung tragen die Infizierten in 28 Years Later keine mehr. Was mich beim Schauen nachhaltig beschäftigt hat.

Warum sind die Zombies in 28 Years Later alle nackt?

Anders als in 28 Days Later und 28 Weeks Later sind die Zombies in 28 Years Later nicht länger angezogen, sondern splitterfasernackt. Ist die Freikörperkultur unter den infizierten Wut-Bürger Großbritanniens jetzt die neuste Mode? "The latest rage", wie man im Englischen sagen würde? Oder wollten Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Alex Garland Kostümkosten sparen?

Spike (Alfie Williams) wird als Hauptfigur von 28 Years Later lange nach dem Ausbruch des Wut-Virus geboren. Er wächst relativ behütet auf einer Insel auf, die zum unter Quarantäne gestellten Vereinigten Königreich gehört. Zombies hat der Junge noch keine gesehen. (Nennen wir sie hier der Einfachheit halber Zombies, obwohl es keine lebenden Toten, sondern Virus-infizierte Menschen sind.) Sein Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) will den 12-Jährigen allerdings früh abhärten und nimmt ihn mit aufs Festland. Auf der Jagd begegnet Spike seinem ersten aufgedunsenen Zombie, der wie eine Robbe durch den Wald kriecht.

An diesem Punkt ist der nackte Angreifer noch ein Novum. Doch wenn in 28 Years Later kurz darauf auch die rennende Version unbekleidet vorbeischaut und schließlich ein Über-Zombie namens "Alpha" mit schlenkerndem Gemächt auftaucht, wird endgültig klar: In diesem Film sind alle Zombies nackt. Nur wieso? Dieser Frage verfolgt mich im Hinterkopf, während die Handlung des Films voranschreitet – und die Antwort sich schließlich offensichtlich wird.

Eigentlich gibt es nur eine logische Erklärung für die nackten Zombies in 28 Years Later: Die sportliche Betätigung der Opferverfolgung, kombiniert mit dem Outdoor-Leben bei Sonne und Regen hat die Kleidung der Infizierten nach fast drei Dekaden an der frischen Luft zerfetzt. "Kleidung würde sich nach so langer Zeit einfach auflösen", bestätigte auch Boyle unlängst gegenüber People . Wer selbst ein Lieblingskleidungsstück besitzt, kennt das Problem: Witterung und Reibung setzen dem ständig getragenen Stoff zu, bis er irgendwann ausdünnt und zerfällt.

28 Years Later: Warum hüllenlosen Infizierte bedrohlicher sind

Mit dieser Erklärung ist meiner oberflächlichen Neugier Genüge getan. Allerdings hat sich der Strudel meiner Gedanken an diesem Punkt längst weitergedreht. Hin zu der Frage, ob ich es – über den Realismusgedanken hinaus – gutheiße, dass die Zombies in 28 Years Later nackt sind?

Seit Erscheinen des Films wird in den sozialen Medien viel über stattlich behangene Alpha-Zombies und andere, wie die frühen Olympioniken nackt sprintenden, Angreifer diskutiert. Die einen kommentieren im Scherz Penis-Größen, die anderen loben Boyles mutige Entscheidung, in einem Horrorfilm diesen Schritt zu wagen.

Ein paar 28 Years Later-Posts zu nackten Zombies gefällig?

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Mehr als einmal existiert kein praktisches Rapsfeld in Hüfthöhe, das entscheidende Körperpartien verdeckt. Männliche Genitalien sind heute eines der letzten Film-Tabus – weit mehr noch mehr als weibliche. Über die logische Herleitung unbekleideter Zombies hinaus muss es also eine bewusste Entscheidung gewesen sein, die Infizierten 28 Jahre nach Teil 1 und 2 nackt zu entfesseln: für eine angsterfüllte Steigerung des Gezeigten.

In 28 Days Later erreichte Danny Boyle das Grusel-Extrem, indem seine Zombies plötzlich nicht mehr träge dahin schlurften, sondern zu spurtenden Horrorgestalten avancierten. 28 Weeks Later schenkte uns eine ikonische Szene, in der Robert Carlyle über eine Wiese voll rennender Zombies flieht. 28 Years Later holt diesen Moment nun zurück, wenn Spike und sein Vater durchs hohe Gras hetzen. Doch dass die blutgierigen Verfolger sie unbekleidet hetzen, macht die Erfahrung noch schlimmer: Indem sie ungeniert ihre blanke Menschlichkeit vorzeigen, werden sie noch unmenschlicher. Noch bedrohlicher. Die in so vielen Filmen heraufbeschworene ruhige Wiesenidylle, die schon die Teletubbies zelebrierten, wird von diesen Naturburschen komplett gebrochen.

28 Years Later zeigt: Zerfall der Kleidung = Zerfall der Gesellschaft

Da mit Spike-Darsteller Alfie Williamson beim Dreh die meiste Zeit ein 12-Jähriger anwesend war, griff Danny Boyle auf prosthetische Geschlechtsteile zurück. Wenn diese im 180-Grad-Winkel von 20 iPhones eingefangen werden, fühlen sich die "gefälschten" Genitalien dennoch echt und bedrohlich an.

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Unbekleidet zwingen die Zombies ihren Opfern den Anblick ihrer nackten Haut auf. Zur offensichtlichen Gewaltdrohung gesellt sich die unterschwellige sexuelle Gefahr der ungewollten Berührung. Erst recht, wenn wir später erfahren, dass die Wut-Infizierten durchaus schwanger werden können, also zum Sex-Akt fähig sind.

Auch wenn ich nicht glaube, dass 28 Years Later-Zombies anfangen werden, die Überlebenden zu vergewaltigen, ist ihr Anblick der verheerende Inbegriff einer zerstörten Welt. Mit aufgelöster Kleidung verstecken die in Rage Geratenen ihre nackte Haut nicht länger – und wollen das auch gar nicht. Keine Hippies, sondern Monster. Als Silhouette vorm Sonnenuntergang (der Menschheit?) stellt der Alpha seine Nacktheit kompromisslos zur Schau und schert sich nicht darum, wen sein Phallus beim Angriff streift.

Die Zeiten intimer Scham sind vorbei. Das Wut-Virus hat die Menschen in Wesen verwandelt, die ihre Moral zusammen mit ihrer Kleidung abgestreift haben. Und das betrifft längst nicht nur die Zombies. Es schwingt in der Härte, mit der Jamie seinen Sohn trainiert, ebenso mit wie in Dr. Kelsos feinsäuberlich aufgehäuften Schädeltürmen und der blutigen Akrobatik von Jimmys Team ganz am Ende.

So erreicht 28 Years Later mit seinen unbekleideten Zombies am Ende weit mehr als nur vor den Kopf zu stoßen oder das Angstlevel anzuheben. Der blanke Horror wird durch das Blankziehen noch greifbarer: Niemand kann sich mehr verstecken. Denn mit der Kleidung ist auch die Zivilisation zerfallen. Und niemand kann in 28 Years Later die Augen vor dieser nackten Tatsache verschließen.

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