Eigentlich hatten wir vor, Le Samourai in Professor Hinkelbergers Laboratorium einer gründlichen Reihe von Tests zu unterziehen. Elektroden an überraschenden Körperstellen, faszinierend wabbelige Gewebeproben in allen Formen und Farben, viel ominöses Reagenzglasgeblubber – dummerweise hat unser hauseigener Prof sich vorher selbst geblitzdingst, also werden wir uns das für einen späteren User aufheben, wenn Hinkelberger vom Gehirnwellensurfen zurück ist und wieder weiß, wer er ist. Heute gibt es also stattdessen 7 Antworten auf 7 fast ebenso gräulich-grausame Fragen: Le Samourai, übernehmen Sie!
1. Was ist deine erste Erinnerung an Film, Kino oder Fernsehen? Womit fing
alles an?
Sehr schwer, das noch haargenau zu rekonstruieren. Ich glaube filmtechnisch dürfte
das der französische Kinderfilmklassiker Krieg der Knöpfe von 1962 gewesen sein,
den ich wirklich seit kleinauf regelmäßig mit meiner Mutter geschaut habe. Müsste man aus nostalgischen Gründen eigentlich mal wieder einlegen. Zumindest meine Vorliebe für Schwarzweißfilme dürfte von diesem Schlüsselfilm kommen. Die weitaus prägendere älteste Erinnerung an das Medium Film/Fernsehen war aber definitiv die WM 1990. Ich, damals sechs Jahre alt, weiß noch als wäre es gestern geschehen, wie Andi Brehme den entscheidenden Elfmeter zum 1:0 gegen Argentinien im Finale links unten versenkte und Gerd Rubenbauers mittlerweile legendäres “Goycochea wusste alles, nur halten konnte er ihn nicht!” durch die Lautsprecherboxen dröhnte. Seit diesem Abend bin ich Kaiserslautern-Fan und Brehme wurde zum ersten Helden meiner Jugend.
2. Welcher Film, welche Serie hat dein Leben verändert? Was war danach nie
wieder so wie vorher?
Der erste Film, der meine Faszination und Liebe für diese Kunstform entscheidend
veränderte und auch festigte, war Ridley Scotts Science Fiction Meisterwerk Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt. Wieder einmal – eigentlich war ich noch viel zu jung dafür – gemeinsam mit meiner Mutter geschaut, prägte und faszinierte mich die düstere Stimmung und Weavers herausragendes Schauspiel nachhaltig. So etwas hatte ich zuvor noch nie gesehen. Der zweite Film, der mein Interesse an den unterschiedlichsten Facetten der Filmgeschichte weckte, war sicherlich Tarantinos Pulp Fiction. Der Film an sich war ja schon absolut grandios und einzigartig, aber als mir dann nach und nach klar wurde, dass hier viele Genres/ Filme/ Filmemacher als Inspirationsquelle für
Quentin Tarantino dienten, war ich auf einmal Feuer und Flamme, selbst die ganzen Originale zu erkunden. Auf dieser Entdeckungsreise bin ich nach wie vor – seit nunmehr 14
Jahren.
3. Welchem Schauspieler oder Regisseur würdest du jeden Fehltritt verzeihen?
Und womit hat er oder sie diese Nachsicht verdient?
Ach, was heißt schon “verzeihen”. Kein Künstler auf der Welt liefert doch ein Meisterwerk nach dem anderen ab. Wenn dann noch Faktoren wie Verträge mit den Studios und Gage im Allgemeinen dazukommen, wird jeder – egal ob Darsteller oder Regisseur – einmal schwach.
Robert De Niro – absolute Lichtgestalt und für mich der vielleicht beste Schauspieler aller Zeiten – lieferte in den letzten Jahren doch auch nur noch Mittelmaß und fragwürdige Rollen ab. Schmälert das meine Bewunderung für seine großen Meisterleistungen in den 70ern, 80ern und 90ern? Nein!
Dario Argento wird mit jedem Film unterirdischer – trotzdem bleibt Suspiria einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Bei ihm wird es allerdings grenzwertig und er sollte einfach endlich mal in den wohlverdienten Filmemacher-Ruhestand gehen.
Ok, eine Sache verzeihe ich wirklich nicht: Warum zur Hölle hat Moritz Bleibtreu seine Seele dem Teufel verkauft und für ein Engagement in der Totalkatastrophe
Zeiten ändern Dich unterschrieben?
4. Was ist das schönste, bzw. was ist das schlimmste Erlebnis, das du jemals in
einem Kino hattest?
Mein schönstes Kinoerlebnis waren drei! Zum einen die restaurierten Fassungen von
Taxi Driver und 2001: Odyssee im Weltraum, jeweils auf riesengroßer Leinwand auf der Berlinale. Da ging einem schon das Cineastenherz auf. Das gewaltigste Kinoerlebnis war sicherlich die Premierennacht von Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs. Alle drei Meisterwerke hintereinander, und zwar in der Extended Version. Danach war man zwar fix und fertig und eventuell fiel dann auch der nächste Schultag flach, aber diese Verluste nahmen wir damals gerne in Kauf. Unvergessliches Erlebnis!
Mein schlimmstes Kinoerlebnis war definitiv Alien vs. Predator. Die Karten für diesen unterirdischen Schund gab es damals in der DVD-Box der Alien-Quadrilogy. Da man also nichts zu verlieren hatte (zumindest kein Geld), habe ich mir diese Zumutung tatsächlich angetan. NOCH schlimmer als der Film waren jedoch die Kommentare meiner begeisterten Sitznachbarn, in schlimmstem Rheinland-Pfälzer Platt: “Uäääää, geeeiiiil, ‘en Äilien-Priedäiteeer!!!!” – Ähm, ja.
5. Wenn deinem Leben ein Soundtrack gegeben werden müsste, welchen würdest
du wählen? Und warum?
Sehr, sehr schwere Frage. Da ich absoluter Musiknerd bin und neben meiner Filmsammlung auch eine Soundtracksammlung pflege, kommen da auf jeden Fall mehrere in Frage, je nach Stimmung. Meine Alltime-Favorites sind sicherlich: Twin Peaks (Gänsehaut vorprogrammiert), Taxi Driver (ebenfalls Gänsehaut vor Intensität), Vertigo – Aus dem Reich der Toten (einfach nur großartig, erinnert mich an meine Hitchcock-Phase mit 19 Jahren, in welcher ich in kürzester Zeit fast alle Werke des Meisters geschaut habe), Der Pate (das vielleicht beste “Theme” der Filmgeschichte), Suspiria (Goblin = beängstigend, brachial, einzigartig), Zwei glorreiche Halunken (stellvertretend für so ziemlich jeden Morricone-Score) und Pulp Fiction (einzigartige Zusammenstellung damals längst vergessener amerikanischer Songs, die dank Tarantino wieder Kult wurden und nun fest verankert im musikalischen Bewusstsein eines jeden sind). Meine jüngste Vinyl-Errungenschaft und ein absoluter Geheimtipp ist der fantastische Soundtrack zu Der phantastische Planet von Alain Goraguer.
6. Herr Verteidiger, Sie haben das Wort: Welcher Film, welche Serie hat, deiner
Meinung nach, eine viel zu schlechte Bewertung auf moviepilot?
Oha, hier muss ich mich wohl zurückhalten! Oder? Oder auch nicht! Auf moviepilot gibt es leider eine Vielzahl von absoluten Meisterwerken und unbestrittenen Klassikern, die eine VIEL zu geringe Community-Wertung aufweisen, dass einen das Gefühl nicht loslässt, dass hier manche User einfach kategorisch jeden Schwarzweißfilm mit 0 Punkten bewerten, egal ob sie ihn gesehen haben oder nicht. Traurigstes Negativbeispiel ist sicherlich Fellinis Die Nächte der Cabiria, der hier auf sagenhafte 3,8 Punkte kommt Durchschnittswertung bei IMDb übrigens 8,2). Weitere Beispiele: David Leans Begegnung (4,2), Mankiewicz’ Obermeisterwerk Alles über Eva (5,2), Fahrraddiebe von De Sica (6,1), Kurosawas Rashomon – Das Lustwäldchen (5,4), Hitchcocks Im Schatten des Zweifels (5,4), Fellinis Das Lied der Straße (5,8), Die Nacht des Jägers von Robert Mitchum (6,3) oder auch Pasolinis Die 120 Tage von Sodom (5,9). Alles Filme, die von mir mindestens 9 Punkte bekommen haben.
7. Bibbedi-bobbedi-buh: Du bist jetzt König von Hollywood! Was würdest du
als erstes ändern?
Bei so einer wunderbar naiven Frage gibt’s auch naiv-polemische Antworten: Die großen Studios entmachten, Autoren- und Independent-Filmemacher fördern, stupide Fortsetzungen verbieten, Synchronisationen ebenso. Und Thelma Schoonmaker ein Denkmal bauen!