In seinem achten Spielfilm Avatar - Aufbruch nach Pandora (USA 2009; OT: „Avatar“), der, nicht inflationsbereinigt, nach wie vor der kommerziell erfolgreichste Film der Welt ist, setzte der kanadische Regisseur James Cameron mehrere Überwältigungsstrategien ein, die zu diesem Erfolg beitrugen. Dürfte der offensichtlichste Grund der exzessiv beworbene Einsatz modernster Computer- und vor allem 3D-Effekte sein (tatsächlich war es vor allem dieser Film, der, obwohl es auch schon zuvor eine Reihe von Dokumentationen und vereinzelte Spielfilme, hauptsächlich aus dem Horrorgenre, gegeben hatte, zu einer Renaissance des 3D-Kinos beitrug, die nach wie vor andauert), so zeigen sich doch auch in der Inszenierung Techniken, die darauf ausgelegt sind, möglichst starke emotionale Reaktionen beim Zuschauer hervorzurufen und im Hollywoodblockbusterkino oft eingesetzt werden.
Beispielhaft soll dies an der Szene analysiert werden, die für den ersten Klimax des Films steht und in der sich die durch den Interessengegensatz des Helden und seines Auftraggebers im Verlauf der Handlung aufgebaute Spannung erstmals entlädt: der Zerstörung des Heimatbaums. Im Folgenden wird nun die Stellung dieser Szene in der Handlung des Films erläutert und anschließend anhand des Einsatzes von Kamera, Schnitt, Schauspiel und der Tonspur in der Szene untersucht, welche Affekte beim Zuschauer während des Betrachtens hervorgerufen werden.
2. Stellung der Szene in der Handlung des Films
„Avatar“ bedient sich bei seinem grundlegenden Handlungsverlauf eines der ältesten und vor allem im phantastischen Film sehr häufig eingesetzten Sujets: der klassischen Heldenreise, die, dramaturgisch gesehen, der geschlossenen Form zuzurechnen ist.
Angesiedelt ist die Handlung dabei in der fernen Zukunft. Die Hauptfigur des Films, in dem Fall der querschnittsgelähmte Ex-Marine Jake Sully (dargestellt vom zu diesem Zeitpunkt noch eher unbekannten Sam Worthington), ist ein Außenseiter, wird aber plötzlich für eine wichtige Mission auserkoren – in diesem Fall, den Avatar, einen willenlosen außerirdischen Körper, seines verstorbenen Zwillingsbruders zu übernehmen. Jake ist im Film nicht nur Protagonist, sondern auch Ich-Erzähler, der die Handlung immer wieder aus dem Off kommentiert oder für den Zuschauer Hintergründe erläutert. Allerdings handelt es sich bei „Avatar“ nicht um einen rein subjektiv erzählten Film, denn es existieren ebenso viele Szenen, in denen die Hauptfigur nicht auftritt. „Avatar“ ist somit eine Kombination aus objektivierender und subjektiver Erzählhaltung.[1]
Jake begibt sich auf eine Reise zum fernen Mond Pandora, auf dem ein äußerst seltenes, wertvolles Metall von einem Konzern abgebaut wird, um dort einem Team von Wissenschaftlern, die ebenfalls Avatare besitzen, zu assistieren. Bei einem Außeneinsatz im fremdartigen Dschungel von Pandora wird er beim Angriff eines Raubtiers von seinem Team getrennt und macht die Bekanntschaft der Außerirdischen Neytiri (dargestellt von Zoe Saldana, die durch Nebenrollen in Filmen wie dem ersten Fluch der Karibik (USA 2004; OT: „Pirates Of The Caribbean: The Curse of the Black Pearl“) und Terminal (USA 2007) bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad besaß). Neytiri, eine Angehörige des Volkes der Na’vi, deren Kultur große Ähnlichkeiten zu der amerikanischer Ureinwohner aufweist und nach deren Vorbild die Avatare gestaltet wurden, um in der für Menschen giftigen Atmosphäre Pandoras überleben zu können, führt ihn zu ihrem Stamm, den Omaticaya. Ihr Vater, der Häuptling Eytukan (Wes Studi) und Tsu’tey (Laz Alonso), der Anführer der Krieger, sind zwar Jake gegenüber sehr misstrauisch, doch durch die Fürsprache von Neytiris Mutter, der Schamanin Mo’at (CCH Pounder) wird er in den Stamm aufgenommen.
Wie in jeder Heldenreise muss Jake als Hauptfigur nun mehrere Prüfungen bestehen, um sich zu beweisen, den Respekt seiner Gefährten zu erringen und sich an die für ihn fremde Welt anzupassen. Der Charakter Neytiri erfüllt dabei gleichzeitig die Funktion eines Mentors, denn sie führt ihn in die Gesellschaft der Na’vi ein und bringt ihm ihre Sprache bei, wie auch des Love Interests. Denn Jake und Neytiri kommen sich im Laufe der Handlung immer näher, was zu einem Konflikt mit Tsu’tey führt, dem Neytiri eigentlich versprochen war – auch dies ein oft genutztes Motiv in der Heldenreise. Wobei der Wendepunkt in der Handlung ebenso durch den zunehmendem Interessenskonflikt Jakes mit seinem Auftraggeber, dem Colonel der auf Pandora stationierten Armee, Quaritch (Stephen Lang), zustande kommt. Jake soll für ihn die Na’vi ausspionieren und sie dazu bewegen, ihr Zuhause, einen riesigen Baum, zu verlassen, da sich unter diesem ein riesiges Vorkommen des Metalls befindet. Doch da Jake sich im Laufe der Zeit immer mehr mit den Na’vi identifiziert, stellt er sich zunehmend gegen den Konzern. Quaritch fungiert in der Geschichte als Antagonist, der Widersacher des Helden, und wird dementsprechend, je weiter die Handlung voranschreitet, immer mehr dämonisiert.
Der Plot steuert nun also auf einen Kampf zwischen Jake und Quaritch als Held und Bösewicht wie auch auf eine Lösung der Dreiecksgeschichte[2] zwischen Jake, Neytiri und Tsu’tey hin, an deren Ende Jake und Neytiri als Liebespaar zusammen kommen und Tsu’tey von Jake entweder besiegt wird oder sich mit ihm versöhnt – letzteres ist schließlich der Fall.
Die zu analysierende Szene stellt nun den ersten von zwei Höhepunkten in der Dramaturgie des Films dar. Nachdem Jake im Körper seines Avatars die Abholzungsarbeiten des Konzerns behinderte, wird er von Quaritch festgenommen. Der ungeduldige Konzernvertreter Parker Selfridge (Giovanni Ribisi) ordnet nun die Zerstörung des Heimatbaums der Omaticaya an (wobei dem, wie man in der erweiterten Fassung des Films erfährt, ein Angriff des Stammes auf die Bulldozer und eine Armeeinheit vorausging; selbiger wurde allerdings durch das erwähnte Abholzen einiger Bäume des Waldes im Gebiet der Omaticaya provoziert). Die leitende Wissenschaftlerin Grace (Sigourney Weaver), die als Jakes zweite Mentorin im Film fungiert, kann Selfridge jedoch davon überzeugen, gemeinsam mit Jake im Körper ihrer Avatare einen letzten Versuch zu wagen, die Omaticaya zur Flucht zu bewegen, derweil Quaritch sämtliche Fliegerstaffeln in Bewegung setzt. Als Jake den Na’vi nun jedoch offenbart, dass er ursprünglich geschickt wurde, um Informationen über sie zu sammeln und vom bevorstehenden Angriff wusste, wendet sich Neytiri wütend und enttäuscht von ihm ab. Eytukan befiehlt seine und Grace‘ Gefangennahme.
Die Zerstörung des Heimatbaums und Vertreibung der Na’vi setzt nun (in der Kinofassung des Films) bei einer Laufzeit von rund 98 (von insgesamt etwa 162) Minuten ein und dauert circa zehn Minuten. Sie schließt das zweite Drittel des Plots ab und steht für eine oft genutzte Konvention im Hollywoodkino, bei der die Helden zunächst eine nahezu vernichtende, möglichst emotional inszenierte, Niederlage erleiden, bevor sie ihre Kräfte wieder sammeln und sich dem Antagonisten im Showdown stellen, um über ihn – im Regelfall – letztlich zu triumphieren.
3. Inszenierungstechniken und Affekte
Die Szene beginnt mit einer Ansicht der über den Dschungel fliegenden Helikopter (tatsächlich handelt es sich eher um futuristische Flugobjekte, die wesentlich größer sind, sollen hier aber, aus Ermangelung an geeigneteren Begriffen, folgend mit diesem Begriff bezeichnet werden) aus der Totalen, verbunden mit einer Kamerafahrt, bei der von der Seite her auf den größten zugefahren wird, bis dieser in Frontansicht zu sehen ist. Anschließend wird sein Cockpit, in dem sich Quaritch befindet, aus der Froschperspektive in einer näheren Einstellung gezeigt, während auf der Tonspur Funksprüche zu hören sind, mit denen die Piloten ihren Kurs weitergeben. Parallel dazu geschnitten sieht man danach in einer halbnahen Einstellung die Pilotin Trudy Chacon (Michelle Rodriguez), Jakes einzige Verbündete unter den Soldaten, in ihrem Cockpit, welche sich nur widerwillig an diesem Einsatz beteiligt, hier jedoch noch pragmatisch ihren Befehlen folgt. Die Helikopter sind erneut in einer Totalen zu sehen, wobei sich die Kamera nun von der Seite in ihren Rücken bewegt, sodass im Hintergrund der über dem Wald hoch aufragende Heimatbaum, ihr Ziel, in Sicht kommt. Musikalisch untermalt wird diese Sequenz mit einem hektischen Thema, das zu stakkatohafter Perkussion parallel hohe Chorstimmen setzt, die Assoziationen an indigenen Schlachtengesang wecken, während gleichzeitig Blechbläser ein Ostinato mit sich steigernden Tonlagen spielen. Dies soll die drohende Gefahr für die Hauptfiguren verdeutlichen.[3]
Nach einem harten Schnitt ist in einer Halbtotalen die Menge der Na’vi vor dem Heimatbaum in einer Rückansicht in Bild, wobei auch Jake und Grace in ihren Avatarkörpern zu sehen sind, die an ein Gestell aus Tierknochen gebunden wurden und von Kriegern mit Messern bedroht werden. Während mit der Kamera näher an sie herangefahren wird, rufen sie Eytukan in der Sprache der Na’vi und auf Englisch Warnungen zu, welcher dieser, der anschließend in einer halbnahen Einstellung gezeigt wird, jedoch keine Beachtung schenkt. Stattdessen richtet er seinen Blick zum Himmel, um die Ursache des auf der Tonspur allgegenwärtigen Rotorengeräuschs auszumachen. In einer nahen Einstellung sieht man nun Neytiris Gesicht, die, vor Jake und Grace stehend, ebenfalls den Himmel absucht, um auf den hohen Warnruf einer anderen Na’vi-Kriegerin die sich nähernden Hubschrauber zu bemerken, die in diesem Moment hinter einem Berg auftauchten. Nun wird von der Kamera von ihr weg und zu den Helikoptern hochgefahren, an die dabei zudem leicht herangezoomt wird, während die Musik, die zu Beginn der Ansicht der Na’vi noch ruhig war, ebenfalls ein hektisches Tempo erreicht. Eine Kamerafahrt aus der Froschperspektive zeigt die Masse der Na’vi vor den sich in Position bringenden Helikoptern, wobei Tsu’tey ins Bild kommt, der den Kriegern Mut zuspricht. Unterbrochen wird diese Einstellung von einem Close-Up von Neytiris Gesicht, das einen besorgten Ausdruck angenommen hat.
Die Helikopter kommen nun über einem See zum Stillstand, was erneut von einer Kamerafahrt aus der Froschperspektive begleitet wird, die um 90 Grad kreist, um erneut den Heimatbaum ins Bild zu bringen. Gleichzeitig endet das musikalische Thema und auf der Tonspur ist nur noch der Lärm der Rotoren zu hören. In einer kurzen Einstellung aus der Vogelperspektive sind selbige kurz bedrohlich im Detail über der Na’vi-Menge zu sehen, bevor wieder Jake, Grace und mehrere Stammesmitglieder von hinten und aus der Froschperspektive gezeigt werden, die zu ihnen aufblicken, wobei auch ein Na’vi-Reiter auf einem der Pferden ähnelnden außerirdischen Reittiere im Bild ist, das durch die aufgewirbelte Luft scheut und sich aufbäumt. Mehrere kurze Einstellungen, zeigen nun Neytiri, Tu’tey und Jake, der den anderen immer noch zuschreit, dass sie wegrennen sollten, in Nahaufnahmen sowie andere Reiter mit scheuenden Pferden in der Halbtotalen. In einer weiteren Nahaufnahme sieht man darauf Eytukan, der Tsu’tey laut rufend in Na’vi-Sprache befiehlt, die von ihnen ebenfalls als Reittiere benutzten Flugsaurier, genannt Ikrans, zu satteln und einen Angriff zu wagen. Tsu’tey kommt dem nach und führt die Krieger, Kommandos brüllend, vom Platz vor dem Baum weg.
Im Cockpit seines Helikopters blickt derweil Quaritch, in Rückansicht und von nahem zu sehen und vom Lärm abgeschirmt, den langen, massigen Stamm des Heimatbaumes hoch und stellt lakonisch fest: „That is one big damn tree.“ Anschließend sieht man in einer weiten Einstellung aus der Vogelperspektive den gewaltigen Baum von der Krone aus, vor dem sich die Helikopter geradezu winzig ausnehmen, während auf der Tonspur ein ruhigeres Streicherthema einsetzt. Quaritch, in der folgenden Einstellung von vorne und halbnah im Bild, beugt sich derweil zum Bildschirm des Piloten herunter und zoomt auf diesem eine Ansicht der gefesselten Jake und Grace heran. Er meint ungerührt: „Well, well, well. I’d say, diplomacy has failed.“ und begibt sich zum Cockpit eines Bordschützen, wobei er den Befehl erteilt, Tränengas abzufeuern. Ein kurzer Close-Up der Kanonen folgt, bevor man, wieder in Nahaufnahme, sieht, wie er und der Schütze den endgültigen Feuerbefehl aussprechen. Eine Totale der Helikopter vor dem Baum zeigt den Abschuss der Gasgranaten, mehrere Halbtotalen anschließend deren Einschlag in der verängstigten Na’vi-Menge, unter denen sich, wie man deutlich sieht, auch mehrere wehrlose Kinder befinden. Quaritch lobt derweil mit den Worten „Bingo. Mighty good shooting, Ace.“ den Piloten, was angesichts dieses ungerechtfertigten Einsatzes von Waffen gegen, wenn man so will, Zivilisten, die Antipathie des Zuschauers gegenüber seiner Figur verstärkt. Eytukan befiehlt derweil in einer halbnahen Einstellung den Abschuss von Pfeilen, woran sich auch Neytiri, die in einem kurzen Close-Up gezeigt wird, und er selbst beteiligen. Die Pfeile prallen jedoch nur wirkungslos von der Außenhülle der Helikopter ab, was Quaritch, der sich wieder zu dem Piloten gesellt, mit „You’ve got to be kidding me!“ kommentiert. Kurze Einstellungen zeigen Mo’at und andere Na’vi aus der Halbtotalen, die hustend die Flucht ergreifen, sowie Neytiri von nahem, die weiter unerbittlich Pfeile abfeuert. Im Cockpit meint Quaritch angesichts der von den kugelsicheren Scheiben abprallenden Pfeile „These dumb bastards ain’t getting the message.“ und lässt nun Raketen mit Brandbomben abfeuern.
Eine kurze Totale zeigt die feuernden Helikopter, dann sieht man eine halbnahe Rückansicht Eytukans, der sich fassungslos umdreht, als die Bomben vor dem Baum einschlagen, wobei die Kamera um ihn herum fährt und seiner Bewegung folgt. Ein Close-Up von Jake, der verzweifelt „No!“ schreit, folgt, dann sind mehrere schnell geschnittene Halbtotalen der vor den Explosionen fliehenden Na’vi und anschließend Nahaufnahmen der Feuerbälle vor den Ästen des Baums zu sehen. Eine weitere Halbtotale aus der Vogelperspektive zeigt derweil Tsu’tey und mehrere Krieger, die sich eilig die Äste des Stammes hochhangeln. Eytukan befiehlt in einer Halbtotalen den Rückzug, dem der Großteil des Stammes panisch Folge leistet. Quaritch stellt derweil, von Nahem zu sehen, ungerührt fest „And that’s how you scatter the roaches.“ Spätestens jetzt empfindet der Zuschauer, angesichts dieser Rücksichtslosigkeit, nur noch Hass auf den Charakter.
In einem Wechsel von Close-Up und Halbtotaler sind anschließend Neytiri und der immer noch mit Grace gefesselte Jake zu sehen. Neytiri blickt ihn kurz zögernd an, lässt die beiden dann jedoch zurück, worauf ihr Jake entsetzt nachruft.
Die Hubschrauber drehen nun, in mehreren Totalen gezeigt, bei und ändern ihre Position. Von halbnah gezeigt, bemerken dies Jake und Grace. Jake weist sie darauf hin, dass sie verschwinden sollten, da Quaritch als Nächstes die tragenden Säulen des Baums zerstören wird, worauf Grace entsetzt „My god!“ schreit und in einer Nahaufnahme erfolglos an ihren Fesseln zerrt. In einer Halbtotalen sieht man derweil Neytiri und Eytukan auf der Flucht. Eytukan bleibt jedoch zurück, um sich um Nachzügler zu kümmern und stößt Neytiri weg, als sie bei ihm bleiben will. Sie gehorcht widerstrebend seinem Befehl. Die nächste Halbtotale zeigt Mo’at, die sich, mit tränenüberströmtem Gesicht und einem Messer in der Hand, Jake und Grace nähert. Selbige, die vermuten, dass sie sie als Rache für das verursachte Leid töten wollen, weichen zurück. Im Schuss-Gegenschuss-Prinzip wird dabei in mehreren Großaufnahmen zwischen den drei Charakteren hin- und hergeschnitten. Als Mo’at bei Jake angekommen ist, sagt sie jedoch in einem flehenden Ton „When you are one of us, help us!“ zu ihm und schneidet beide los. Dass in einer besonders emotional inszenierten Szene kurz vor dem Höhepunkt der Story eine Figur scheinbar zur Gefahr für den Protagonisten wird, um sich im letzten Moment doch als dessen Verbündeter zu erweisen, ist ebenfalls eine oft verwendete, zur Spannungssteigerung eingesetzte Konvention im Hollywoodfilm und wurde beispielsweise bei Charles S. Duttons Charakter in „Alien 3“ (USA 1992) angewandt, in dem passenderweise ebenfalls Sigourney Weaver in einer Hauptrolle zu sehen war.
Nun sieht man erneut die Helikopter, welche sich in Position bringen, Quaritch, der Befehle zur Vorbereitung des Abschusses von Raketen erteilt und Trudy in der Halbnahen, die dem Folge leistet. Eine Detailaufnahme zeigt ihre Hände, die Hebel betätigen und wie ihr rechter Daumen über dem für den Abschuss nötigen Knopf am Joystick verharrt.
Nach einer Halbtotalen mit Jake und Grace, die Na’vi-Nachzügler wegführen, sind die Hubschrauber in einer Totalen vor dem brennenden, aber noch stehenden Baum zu sehen. Man hört Funksprüche, in denen die jeweiligen Piloten den Befehl bestätigen. Eine Halbtotale zeigt Trudys Bordschützen, der sich an der Seite aus der offenen Tür mit einem dort befestigten Maschinengewehr rauslehnt und in kindlicher Freude „Yeah, baby, get some!“ ruft. Offensichtlich scheint er das ganze mehr als Spiel wahrzunehmen, was auf die häufige Verharmlosung des Krieges in amerikanischen Actionfilmen und Konsolenspielen verweist, die vom Pentagon auch oftmals als finanziert werden und als Werbemittel missbraucht werden. Trudy verdreht darauf, in einem Close-Up gezeigt, genervt die Augen, parallel dazu geschnitten erteilt Quaritch den Feuerbefehl.
Die Hubschrauber feuern nun, in einer kurzen Totalen gezeigt, los, in der anschließenden Einstellung sind Jake, Grace und andere Na’vi in Zeitlupe vom Baum davonrennend zu sehen, während im Hintergrund die Raketen auf ihr Ziel zufliegen. Nach dem Einschlag, der die Na’vi zu Boden schleuderte, läuft die Einstellung in normaler Geschwindigkeit weiter. Jake hilft Grace auf und rennt mit ihr weiter. Die Helikopter feuern erneut, aus mehreren Perspektiven gezeigt, wobei die Kamera teilweise der Laufbahn der Raketen folgt. Schnell geschnittene Einstellungen fokussieren sich auf sämtliche wichtigen Charaktere am Boden, die von den Einschlägen zu Boden gerissen werden. Eine Detailaufnahme zeigt erneut Trudys Daumen, der über dem Knopf verharrt. Sie schüttelt, in einem Close-Up gezeigt, den Kopf und klappt den Knopf mit den Worten „Screw this!“ wieder zu, um anschließend abzuheben, ohne auf die Proteste ihres Schützen zu achten. Sie meint wütend „I didn’t sign up for this shit!“ und fliegt zurück. Eine Totale zeigt, wie sich ihr Helikopter von den anderen isoliert. Die Kamera folgt ihm kurz, verharrt dann jedoch auf Quaritchs und lässt ihren aus dem Bild fliegen. Quaritch, der seelenruhig aus einer Kaffeetasse trinkt, hat von dem ganzen Geschehnis nichts bemerkt. Er scheint vielmehr völlig ergriffen von der Zerstörung vor ihm zu sein. Vor allem an diesem Bild wird das extreme Ungleichgewicht des Konflikts deutlich: die Militärs, welche, für einen Hollywoodfilm durchaus untypisch, als imperialistische Besatzer erscheinen, sind den Ureinwohnern technologisch weit überlegen und begeben sich im Einsatz noch nicht einmal in wirkliche Gefahr. Sie könnten den Stamm sogar problemlos auslöschen, wenn das ihr Ziel wäre. Auf diese Weise sollen vergleichbare Vertreibungen und Genozide an den Ureinwohnern Amerikas und anderer Kontinente, die sich in der Geschichte ereignet haben, auf metaphorische Weise dem Zuschauer nahegebracht und Empörung über ein derartiges Vorgehen evoziert werden. Trudy ist dabei der einzige Charakter unter den Soldaten, der dieses Unrecht ebenfalls wahrnimmt.
Zahlreiche weitere Einschläge im Stamm des Heimatbaums sind zu sehen, unterbrochen von einer Einstellung, in der Raketen direkt auf die Kamera zurasen, was eine besonders unmittelbare Wirkung auf den Zuschauer hat. Der bestürzte Eytukan wird danach in einem Close-Up gezeigt, bevor er von einer Explosion zu Boden gerissen wird. Jake und Mo’at rappeln sich derweil auf und suchen hinter einem umgestürzten kleineren Baum Zuflucht. Nun kehrt Stille ein. Wurde die Zerstörung bisher von einem aufgewühlten musikalischen Thema untermalt, endet dieses abrupt. Jake und Neytiri, die sich aufrichten und in ängstlicher Erwartung zum Heimatbaum hinaufblicken, sind in Close-Ups zu sehen und im Anschluss der gewaltige Baumstamm aus der Froschperspektive, die ihre Sicht darstellt. Quaritch beugt sich im Cockpit ebenfalls gespannt vor. Dann sieht man in einer Totalen die riesigen tragenden Säulen des Baumstamms, die, von einem lauten Knacken begleitet, zerbrechen, wobei nah an sie herangezoomt wird. Aus der Froschperspektive neigt sich der Baumstamm gefährlich. Nun setzt ein klagendes musikalisches Thema ein, das aus vier dominanten Tönen besteht und zunächst hauptsächlich von Streichern interpretiert wird. In zwei Nahaufnahmen ist die entsetzte Neytiri zu sehen, dazwischen geschnitten Jake, zuerst ebenfalls im Close-Up und vor Schrecken erstarrt, dann in der Halbtotalen, wie er sich fasst und Mo’at und die anderen Na’vi zur Flucht animiert. Der Baumstamm neigt sich aus der Froschperspektive weiter in Richtung Kamera. Auf einem der breiten Äste haben derweil die Stammeskrieger ihre wartenden Ikrans erreicht, schwingen sich auf deren Rücken und fliegen davon, wobei sich in zwei kurzen Halbtotalen noch einmal auf Tsu’tey fokussiert wird.
In der nächsten Halbtotalen sind noch einmal Jake, Grace und Mo’at inmitten der fliehenden Na’vi-Menge zu sehen, während sich im Hintergrund der gigantische Baumstamm aus dieser Perspektive nach rechts neigt und die Kamera an ihm hochfährt. Die Musik ist dabei in ein hoffnungsvolleres Thema übergegangen, wodurch man als Zuschauer Zuversicht entwickelt, dass sie sich in Sicherheit bringen können. In einer weiten Einstellung sieht man nun den gesamten fallenden Heimatbaum inmitten des Waldes. Tsu’tey und die anderen Krieger fliegen derweil durch die Äste der Krone, während die Musik immer hektischer wird. Eine zweite weite Einstellung zeigt nun auch die Helikopter in Rückansicht vor dem Baum, der aus dieser Perspektive in Richtung des rechten Bildrands fällt. Die Kamera fährt dabei zu seiner Krone hin. In der nächsten Totalen sieht man, wie die Flieger aus dieser entkommen. Jake, Grace und Mo’at haben am Boden derweil festgestellt, dass sie auf den Punkt zurennen, auf dem der Stamm aufschlagen wird und drehen um. Neytiri schreit auf, als hinter ihr die Krone niedergeht. Beides ist in Halbtotalen zu sehen. Anschließend folgt eine nähere Einstellung der Hubschrauber vor dem fallenden Baum und eine Nahaufnahme des Blätterdachs aus der Vogelperspektive, was ebenfalls die Wirkung intensiviert. Neytiri ist nun zuerst in einer Halbnahen und dann einer –totalen zu sehen, wie sie sich aufrappelt und panisch vor den auf den Boden aufschlagenden Ästen flieht. Wechselnde Einstellungen zeigen zahlreiche weitere Flüchtende, von denen einige, wie angedeutet wird, weniger Glück haben, Jake und Mo’at und die wartenden Helikopter, während die Musik immer schriller wird, um schließlich erneut abzubrechen, als der Baum komplett auf dem Boden aufgeschlagen ist. Kurz sind nur raschelnde Äste auf der Tonspur zu hören.
Dann setzt erneut das klagende Thema ein, diesmal von Hörnern dominant interpretiert, um die ganze verhängnisvolle Tragweite des Ereignisses zu verdeutlichen. Das Thema an sich hatte der mittlerweile verstorbene Komponist James Horner dabei schon zuvor in anderen Filmen verwendet, u.a. in Duell - Enemy at the Gates (OT: „Enemy At The Gates; DE/FR/UK/USA/IRL 2001), wo es nur von einem einzelnen Horn interpretiert wurde, und, etwas größer orchestriert, in Troja (OT: „Troy“; USA/UK/M 2004). Dass Horner seine eigenen musikalischen Muster etwas zu häufig wiederhole, bot dabei auch mehrfach Anlass zur Kritik. In diesem Fall kann man zumindest sagen, dass er das Thema im Laufe der Zeit ausbaute und ihm mehr Bedeutung zumaß. Denn während es in den erwähnten Filmen als Leitmotiv sehr häufig über den gesamten Film verteilt ertönte, ist es in „Avatar“ nur in zwei dramaturgisch sehr wichtigen Szenen zu hören: neben der Zerstörung des Heimatbaums in der Endschlacht des Films, wenn die Armee die versammelten Na’vi-Stämme zu überwältigen droht und sie erneut hohe Verluste zu beklagen haben. Somit hat es in diesem Film gewissermaßen seine Vollendung erreicht.
Der emotionale Höhepunkt ist jetzt jedenfalls erreicht. Das Thema setzt zeitgleich zu einer Halbtotalen ein, die Neytiri in Rückansicht vor dem riesigen liegenden Baumstamm zeigt. In Nahaufnahme sieht man danach ihr Gesicht, während sie fassungslos die Zerstörung um sich herum betrachtet. Die Musik steigert sich dabei in ihrer Lautstärke. Jake, Grace und Mo’at erheben sich nun in einer Halbtotalen und werden ebenfalls der Katastrophe um sich gewahr. Der nächste Close-Up zeigt das wohl eindringlichste Bild der Szene: Mo’ats Gesicht, die Mund und Augen, aus denen Tränen rinnen, weit aufreißt und gequält aufschreit. In einer Halbtotalen sind weitere Na’vi zu sehen, die durch Mimik und Gestik ebenfalls Trauer und Bestürzung ausdrücken. So fällt ein Mann, der sich in der Bildmitte befindet, auf die Knie und eine vor ihm sitzende Frau bedeckt ihren Mund mit der Hand, während sie weint. Diese Figuren erfüllen zwar keinen dramaturgischen Zweck, denn es handelt sich dabei nicht um Charaktere, die im weiteren Verlauf des Films erneut auftauchen, doch für die Vermittlung von Emotionen sind sie sehr wichtig. So wird auch der Zuschauer gewahr, dass nicht die vergleichsweise glimpflich davongekommenen Hauptfiguren die eigentlichen Leidenden sind, sondern ein Volk als Ganzes. Ganz gewöhnliche, unschuldige Personen, die plötzlich ihr Zuhause und wohl auch viele ihrer Angehörigen verloren haben. Die Fokussierung auf solche Details wie eigentlich unbedeutende Statisten ist ein häufig genutztes Mittel, um in dramaturgisch wichtigen Szenen eine besonders enge Identifikation des Publikums mit Opfern einer Gräueltat oder Katastrophe herzustellen. Eingesetzt wurde es beispielsweise bereits in der berühmten Treppenszene aus Sergei M. Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin (UdSSR 1925). Die expressive Mimik und Gestik der Schauspieler und Statisten (wenngleich sie in diesem Fall auf computeranimierte Wesen übertragen wurde, das allerdings zu einem hohen Anteil) berührt dabei das affektive Gedächtnis der Zuschauer und sorgt dafür, dass diese deren Emotionen – im Idealfall – nachempfinden: Trauer und Mitleid.
Ein weiterer Close-Up zeigt nun Jake und Grace, die, wie erwähnt, als Einzige nicht persönlich vom Unglück betroffen sind, das Leid jedoch nachempfinden und es hilflos mitansehen müssen. In der weit entfernten, auf Pandora errichteten Station des Konzernes betrachten gleichzeitig die wichtigsten Vertreter und wissenschaftlichen Mitarbeiter, darunter Selfridge, Bildschirme, die den gefällten und brennenden Baum zeigen. Dargestellt wird dies in zwei Halbtotalen, die zuerst die zu den an einer runden Wand angebrachten Bildschirmen hochblickenden Personen aus der Rückansicht und von der Schulter aufwärts, anschließend aus der Vogelperspektive und von vorne zeigen. Fast alle sind ebenfalls emotional mitgenommen. Selbst Selfridge, der die Zerstörung gemeinsam mit Quaritch anordnete, scheint schockiert zu sein. In einer Nahaufnahme ist dann Norm Goodman (Joel David Moore), ein weiterer von Jakes Verbündeten zu sehen, der betroffen zu Boden blickt.
Quaritch ist derweil hingegen genauso ungerührt wie zuvor und meint zufrieden zu seinen Soldaten: „That’s good work, people. First round’s on me tonight.“ Damit wird die Empörung und Wut des Publikums auf diesen Charakter nur noch verstärkt. Mit den Worten „Let’s boogie.“ gibt er den Befehl zur Rückkehr, dem die Piloten Folge leisten. Dies wird zuerst durch die Perspektive des Cockpits, an dem die Landschaft vorbeizieht, anschließend durch die bekannte Totale der Helikopter in Rückansicht über dem See visualisiert. Sie verschwinden über den linken Bildrand, wobei ihnen die Kamera kurzzeitig folgt, um dann jedoch bei dem brennenden Baum zu verharren.
Als Nächstes ist wieder Neytiri zu sehen, die auf der Suche nach ihrem Vater durch den brennenden Wald rennt. Sie wird dabei zunächst aus der Halbtotalen gezeigt, wobei ihr die Kamera folgt und sie ihr näher kommt. Am Ende der kurzen Kamerafahrt, als sie Eytukan entdeckt hat, sieht man sie in der Nahaufnahme. Sie macht ein bestürztes Gesicht, stößt, wie schon Mo’at, einen gequälten Schrei aus und fängt an zu weinen. In einer weiteren Halbtotalen kniet sie bei ihm, der schwer verwundet am Boden liegt, nieder und dreht ihn auf den Rücken. In einem Wechsel von Nahaufnahmen seines und ihres Gesichts überreicht er ihr mit seinen letzten Atemzügen seinen Bogen, überträgt ihr damit seinen Status als Häuptling und betraut sie mit dem Schutz des Stammes. Danach stirbt er, was in einer Halbtotalen von der Seite gezeigt wird. Nun kommt auch Jake angerannt, dem die Kamera, wie schon zuvor bei Neytiri, dabei folgt. Als er sie findet, ist dies kurz als Over-Shoulder-Shot dargestellt. Er kniet, nun von halbnah gezeigt, neben ihr nieder. Hilflos versucht er sich bei ihr zu entschuldigen, doch Neytiri antwortet darauf nur schluchzend mit „Get away.“ Als er darauf nicht reagiert, springt sie auf, schreit ihm dies nun wütend entgegen und stößt ihn mit den Worten „Never come back!“ von sich weg. Dies ist im Schuss-Gegenschuss-Verfahren dargestellt. Jake, der begriffen hat, dass er nun ein Ausgestoßener ist, starrt sie schockiert an, während Neytiri sich wieder ihrem Vater zuwendet. Auf der Tonspur ist dabei ein stumpfer Schlag zu hören, um die Schwere seiner Erkenntnis zu verdeutlichen. Von halbnah gezeigt, beweint Neytiri ihren Vater und wiegt ihn dabei in den Armen, während Jake sie weiter betroffen anschaut. Die Kamera wendet sich dabei ihm zu, als er resignierend zu Boden blickt. Selfridge wendet derweil in der Station, in einem Close-Up gezeigt, seinen Blick von den Monitoren ab und gibt einer anwesenden Soldatin den Befehl „Pull the plug.“, was mit weiteren Trommelschlägen begleitet wird. Gemeint ist damit, dass sie die Verbindung zu den Avataren abbrechen solle.
Als sie sich, in der Totalen zu sehen, zu den Pods, in denen Jake und Grace liegen, aufmacht, um den Befehl auszuführen, bricht ein Tumult aus. Norm und andere Wissenschaftler, die anwesend sind, wollen dies verhindern und versuchen die Soldaten zunächst mit Worten daran zu hindern. Norm stellt sich zweien schließlich in den Weg und verpasst einem von ihnen einen Fausthieb ins Gesicht. Nachdem der Schlag zu hören war, brechen die Geräusche auf der Tonspur ab, es ist nur noch Musik zu hören und die Szene läuft in Zeitlupe weiter. Der zweite Soldat packt Norm, während der Getroffene an Grace‘ Pod den Knopf drückt, der die Verbindung beendet. Parallel dazu ist montiert, wie ihr Avatar, der Neytiri, Mo’at und dem nun wegziehenden Stamm folgt, das Bewusstsein verliert und zu Boden fällt. Mehrere junge Mädchen scharen sich darauf besorgt um ihren Körper. Jake geht derweil mit leerem Blick allein durch den Staub, während auf der Tonspur sein Voice-Over zu hören ist und nüchtern feststellt: „I was a warrior, who dreamt he could bring peace. Sooner or later, though, you always have to wake up.“ Nun bricht die Soldatin, korrespondierend dazu, auch seine Verbindung ab und sein Avatar fällt ebenfalls zu Boden.
Die nächste Einstellung ist aus seiner subjektiven Perspektive gezeigt. Die Deckklappe des Pods öffnet sich, blendendes Licht von den Lampen im Raum scheint ihm ins Gesicht und mehrere Soldaten treten vor ihn und heben ihn auf. Der nächste Close-Up zeigt sein teilnahmsloses Gesicht, während er sich aufheben und abführen lässt. Auf der Tonspur hat derweil ein langgezogener Klagegesang eingesetzt. Die Verbindung von Zeitlupe und langsamem, melancholischem Gesang ist ebenfalls eine häufiger eingesetzte Inszenierungstechnik, um Schicksalsschläge und für die Hauptfiguren eines Films scheinbar aussichtslose Situationen zu verdeutlichen. Verwendet wurde sie beispielsweise beim Tod des Charakters Haldir in Der Herr der Ringe: Die zwei Türme (OT: „The Lord of the Rings: The Two Towers“; USA/NZ 2002) oder, in jüngerer Vergangenheit, während des Showdowns in Underworld 5: Blood Wars (USA 2016), als die Hauptcharaktere von einem Werwolfheer zu überwältigt werden drohen.
In halbnahen Einstellungen sieht man nun Norm, der mit Handschellen an ein Geländer gekettet wurde, und die tobende, erwachte Grace, welche von zwei Soldaten zurückgehalten wird. Sie schreit Selfridge „You murderer!“ entgegen, während das Bild zunächst zu Schwarz abblendet. Auf der Tonspur ist die Musik jedoch weiter zu hören und nach wenigen Sekunden wird zu einer, wieder in Normalgeschwindigkeit laufenden, Halbtotalen des wegziehenden Na’vi-Stammes vor dem brennenden, umgestürzten Heimatbaum wieder aufgeblendet. Auf der Tonspur ist neben der Musik auch das Weinen der Stammesmitglieder zu hören. Das Hornthema erklingt dazu erneut. Neytiri kommt dabei ins Bild. Sie wendet sich noch einmal zu ihrem zerstörten Zuhause um. In der letzten Einstellung ist aus der entgegengesetzten Perspektive zunächst Grace‘ Avatar zu sehen, der von einigen Stammesmitgliedern, in Blättern eingewickelt, gezogen wird. Die Kamera folgt ihr kurz und fährt dann zu Neytiri hoch, die betroffen in die der Kamera abgewandte Richtung schaut. Mo’at, die vor ihr geht, dreht sich ebenfalls um und legt ihr tröstend die Hand auf die Schulter. Beide wenden sich wieder ab und folgen dem Stamm, während erneut zu einem Schwarzbild abgeblendet wird. Mit mehreren fatalistischen Trommelschlägen auf der Tonspur endet die Szene.
4. Fazit
Wie deutlich herausgestellt wurde, werden in der Szene mehrere, bereits häufiger in Filmen erprobte Inszenierungstechniken angewandt, um beim Zuschauer Sorge, Bestürzung, Zorn, Trauer und Mitgefühl hervorzurufen. Durch gezielten Einsatz von Close-Ups, Zeitlupe und vor allem energischer, emotionaler Musik ist James Cameron hiermit ein anschauliches Beispiel für einen Höhepunkt in der Handlung eines Films gelungen, der Niederlagen und Schicksalsschläge für die Hauptcharaktere und ihr Umfeld behandelt, um so den Zuschauer stärker an sie zu binden. Interessant ist dabei, dass „Avatar“, würde man die Handlung realistischer und weniger hollywoodtypisch erzählen, im Grunde auch mit dieser Szene enden könnte. Da die Story dazu dient, eine metaphorische Kritik am Kolonialismus und der damit verbundenen Ausbeutung, Vertreibung und fast völligen Auslöschung indigener Kulturen und Umweltzerstörung zu transportieren, wäre dies ein Ende, dass der historischen Realität sehr nahe kommt. Denn nur die wenigsten Naturvölker waren in der Lage, den technologisch überlegenen zumeist westlichen Besatzern ernsthafte Gegenwehr zu liefern. Zudem ist hiermit nun auch, wie erwähnt, ein Klimax im Storyverlauf und, ganz sachlich festgestellt, mit rund 108 Minuten nun auch die durchschnittliche Laufzeit eines Films erreicht.
Doch durch das enorme Leid, das dem Publikum nahe gebracht wurde, und der Dämonisierung des Charakters Quaritch, der gewissenlos unschuldige Zivilisten umbringen und vertreiben ließ, wurde so auch ein Wunsch nach Vergeltung oder zumindest Gerechtigkeit geweckt, der natürlicherweise durch jede erlittene Kränkung und jedes Unrecht entsteht. Verbunden mit Hoffnung auf ein doch noch eintretendes „Happy End“ für die Hauptfiguren. Und so widmet sich das letzte Drittel des Films dementsprechend dem letzten Akt der Heldenreise, in dem der Hauptcharakter aus der Gefangenschaft entkommt, Wiedergutmachung leistet, den Respekt seiner Geliebten und ihres Stammes zurückgewinnt und sie in die Schlacht gegen den Antagonisten führt, über den er letztlich triumphiert. Eine typische Hollywooderzählung also, die so schon seit den frühesten Kinofilmen existiert. Der grundlegende Plot um einen Kämpfer, der an einen fernen Ort geschickt wird, sich dort den Ureinwohnern annähert und gegen seine Vorgesetzten, die diese bekämpfen, stellt, wurde so auch schon mehrmals umgesetzt, wobei die prominentesten Beispiele Kevin Costners Western Der mit dem Wolf tanzt (OT: „Dances With Wolves“; USA 1990), der Actionfilm Men of War (USA/E/T 1994) mit Dolph Lundgren, die Disney-Zeichentrickfilme Pocahontas (USA 1995) und Atlantis - Das Geheimnis der verlorenen Stadt (OT: „Atlantis: The Lost Empire“; USA 2001) sowie Terrence Malicks The New World (USA 2005), zu dem ebenfalls James Horner die Musik komponierte, sein dürften. Problematisch ist dabei, dass „Avatar“, wie auch jeder der genannten Filme, den Stereotyp des „White Savior“ verwendet, welcher suggeriert, dass indigene Kulturen nur durch einen Zugereisten aus einer „zivilisierteren“ Gesellschaft zum organisierten Widerstand zu bewegen sind und eigenständig nicht überlebensfähig wären. Allerdings ist im Falle von „Avatar“ anzumerken, dass der Held nur dank des Eingreifens von Pandoras Natur selbst als Deus ex Machina den Sieg davonträgt und es letztlich Neytiri ist, die Quaritch tötet und Jake dabei das Leben rettet. Eine gewisse Emanzipation findet hier also durchaus statt.
Die Handlung von „Avatar“ ist jedenfalls, wie erwähnt, nicht neu. Alleinstellungsmerkmale erhält er vor allem durch sein Setting und die technische Umsetzung: er ist in der fernen Zukunft auf einem fremden Himmelskörper angesiedelt und wurde zu großen Teilen mit Computeranimationen visualisiert. Was die Inszenierung betrifft, so werden, wie an der herausgestellten Szene deutlich wurde, ebenfalls keine neuartigen Techniken angewandt, allerdings bereits etablierte auf wirkungsvolle Weise variiert und kombiniert, um so einen möglichst großen emotionalen Einfluss auf den Zuschauer auszuüben. Das Zusammenspiel von unmittelbaren Kameraperspektiven, dynamischem Schnitt, der Fokussierung auf Details, geschicktem Einsatz von Zeitlupe, expressiver Mimik und Gestik der Schauspieler und pathetischer Musik sorgt so für eine starke affektive Reaktion, die lange nachwirkt.
5. Quellen
- Hickethier, Knut: Zur Analyse des Visuellen, des Auditiven und des Narrativen. In: Film- und Fernsehanalyse. 2. Auflage. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler Verlag 1996. S. 42 – 155
Avatar (USA 2009; James Cameron; Blu-Ray)
[1] Hickethier, Knut: Zur Analyse des Visuellen, des Auditiven und des Narrativen. In: Film- und Fernsehanalyse. 2. Auflage. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler Verlag 1996. S. 100
[2] Ebd. S. 97
[3] Ebd. S. 69