Endeten die letztjährigen KAZÉ Anime Nights mit unserer Suche nach verlorener Menschlichkeit, beginnt die 2020-Auskopplung direkt mit einem Doppel-Feature. Neben der deutschen Fassung von One Piece: Stampede, zu dessen Start ich ein Interview mit Sanji-Sprecher Hubertus von Lerchenfeld führen durfte, fand auch Violet Evergarden den Weg in unsere Kinos. Was ich mit ihr erlebt habe, erfahrt ihr in den nachfolgenden Zeilen.
Violet Evergarden als Tutorin im Mädcheninternat
Nach ihren ersten Erlebnissen als Akora ist Violet Evergarden inzwischen bei Kunden sehr gefragt. Noch immer geht sie dorthin, wohin auch immer sie bestellt wird und so führt sie ihr Weg diesmal in ein vornehmes Mädcheninternat. In dieser geschichtsträchtigen Einrichtung sollen die dort lebenden Mädchen zu feinen und vor allem heiratsfähigen Damen erzogen werden. Die junge Amy erweist sich mit ihrer ungestümen Art dabei für Violet als besonders herausfordernd.
Die Geschichte von Violet Evergarden und das Band der Freundschaft basiert dabei auf dem zweiten Kapitel der Violet Evergarden Gaiden-Light Novel, welche mehrere Nebengeschichten erzählt. Aus diesem Grund passt der englische Titelzusatz "Side-Story", welcher in der deutschen Fassung entfällt, auch sehr gut zu diesem Film, welcher ursprünglich einmal als OVA (Original Video Animation) geplant war.
Ein Umstand, welcher dem Band der Freundschaft durchaus anzumerken ist, denn irgendwie wirkt die Geschichte des Films, welche sich aus zwei Teilen zusammensetzt, nicht wie die eines Spielfilms, sondern eher wie zwei zusammengeklebte Episoden der Serie. Dies ist schade, da die zweite Hälfte etwas abfällt, doch es tut der emotionalen Wucht der Story keinerlei Abbruch.
Violet Evergarden punktet erneut mit einfühlsamen Momenten
Das Band der Freundschaft folgt dem bewährten Muster der Violet Evergarden-Serie und lässt unsere junge Protagonistin auf andere Menschen treffen; Begegnungen, von denen nicht nur ihre Kunden, sondern auch Violet selbst profitieren. Da die Ereignisse des Films zeitlich nach jenen der Serie angesiedelt sind, obwohl nicht gesagt wird, wie viel Zeit seit dessen Finale vergangen sind, profitiert Violet von ihren Erfahrungen. Sie ist als Mensch gereift und kann nun anderen noch besser helfen, sich ihren Emotionen zu stellen.
Besonders auffällig wird dies im Verbund mit der jungen Amy, für die Violet gewissermaßen zu einer Art Tutorin entwickelt (sogar mit dezentem Yuri-Einschlag). Es sind intime Szenen, etwa jene, wenn Violet und Amy gemeinsam ein Bad nehmen, in denen der erste Violet Evergarden-Film besonders zu punkten vermag, denn die kostbaren, da flüchtigen Momente zwischen den Figuren sind gleichermaßen Herz erwärmend wie herzzerreißend.
Violet Evergarden und das Band der Freundschaft ist ein audiovisueller Traum
Kyoto Animation steht seit jeher für einen extrem hohen audiovisuellen Standard, doch selten sah eines ihrer Werke derart atemberaubend aus wie Violet Evergarden und diesen selbst gesetzten Maßstab können sie mit das Band der Freundschaft einmal mehr gerecht werden: Der Film sieht schlichtweg exzellent aus und ich konnte mich einmal mehr von der ersten Sekunde an in dieser bildschönen Welt verlieren. Ein Highlight ist dabei eine wundervoll aussehende, toll gefilmte Tanzszene während eines Balls, in der Violet und Amy geradezu über das Parkett zu schweben scheinen.
Egal ob es das saftige Grün der Blätter oder des Grases ist, das Blau des Wassers oder das grelle und doch wärmende Licht der Sonne - alles in diesem Film wirkt wie aus einem Guss und deklassiert die meisten Anime-Werke der jüngeren Vergangenheit auf beeindruckende Art und Weise. Abgerundet wird all diesem von einem gewohnt hochklassigen Soundtrack, der euch so schnell sicherlich nicht aus dem Ohr gehen wird, sowie den gewohnt sehr guten aus der Serie bekannten Sprechern.
Violet Evergarden und das Band der Freundschaft ist ein besonderer Film. Ein Film, der, wie auch die ihm vorausgegangene Serie, zu Herzen geht und seinen Zuschauer emotional zu packen sowie in seinen stärksten Momenten zu Tränen zu rühren weiß. Doch dieser Film ist auch aus einem anderen, weitaus wichtigeren Grund, wirklich besonders. Es ist das letzte Werk, welches Kyoto Animation vor dem verheerenden Brandanschlag im Sommer 2019 vollendete.
Nun, mehr als ein halbes Jahr später, scheint diese Violet Evergarden-Geschichte das ideale Werk erste Werk nach den tragischen Ereignissen zu sein, denn wie die Mitarbeiter bei Kyoto Animation geht es auch für die Charaktere in Violet Evergarden darum, Tragödien und Verluste zu verarbeiten. Ein besonderer Film, der genau zur richtigen Zeit zu kommen scheint, nicht nur für die Mitarbeiter von Kyoto Animation, sondern ebenso für ihre Fans und womöglich gar die gesamte Anime-Industrie.
Violet Evergarden und das Band der Freundschaft ist nicht nur deshalb ein besonderer Film, da er die Herzen seiner Zuschauer zu packen versteht, sondern weil er in erster Linie und in besonderem Maße ein ewiges Denkmal für all jene Menschen ist, die während der erschütternden Ereignisse in jenem Sommer ihr Leben verloren.
Was haltet ihr von Violet Evergarden und das Band der Freunschaft?