Auf der DocPoint 2014 in Helsinki

11.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
DocPoint / moviepilot
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Diese Woche nimmt uns moviepilot-Mitglied Svente mit auf die DocPoint 2014, das Dokumentarfilmfestival in Helsinki und Tallinn.

Seit 2001 findet im kalten Helsinki jährlich Ende Januar bei Außentemperaturen von bis zu -20 Grad ein kleines Dokumentarfilmfestival, das DocPoint. Seit 2010 läuft es parallel auch in der 80 Kilometer südlich gelegenen estnischen Hauptstadt Tallinn, und ist damit das einzige Festival der Welt, das gleichzeitig in zwei Staaten veranstaltet wird. Allerdings wusste nicht ein Einheimischer, bei dem ich mich nach dem DocPoint erkundigte, über das Festival Bescheid… Es ist auch nicht sonderlich präsent im Stadtbild. Helsinki ist zwar voll mit Plakten für Kinofilme – so kann man in fast jeder Straßenbahn das Orgasmus-Gesicht von Jamie Bell, Stellan Skarsgård und Co. bewundern – aber für das DocPoint gab es überhaupt keine Reklame.

Trotzdem kam das diesjährige Festival auf 28.000 Besucher. Zu den bekanntesten vorgeführten Werken zählten Das andere Rom, Die Armstrong Lüge, Journey to Jah und Charlie Victor Romeo. Leider konnte ich nur an zwei der sieben Festivaltage teilnehmen. Angesehen habe ich mir vier Dokumentationen: Sacro GRA, An den Ufern der heiligen Flüsse, The Road to Silverstone und The Last Black Sea Pirates und eine Werkschau von Ernie Gehr. In den nächsten Abschnitten findet ihr kleine Reviews zu drei dieser Filme.

Das andere Rom

Sacro GRA war vielleicht der größte Film beim diesjährigen DocPoint. Als erster Dokumentarfilm überhaupt gewann er 2013 den Golden Löwen bei den Fimfestspielen von Venedig. Regisseur Gianfranco Rosi reihte sich damit in eine Liste namenhafter Gewinner wie Ang Lee, Sofia Coppola oder Luis Buñuel ein. Sacro GRA zeigt Ausschnitte aus dem Leben vieler verschiedener Menschen mit ganz unterschiedlichem Status und unterschiedlichen Problemen. Von einem Palmenzüchter, der Schädlingen den Kampf angesagt hat (“This is the Prelude of revenge!”), bis zur Kokotte am Straßenrand ist alles dabei. Verbunden sind diese Menschen einzig durch eine Straße, die Grande Raccordo Anulare, eine Ringautobahn, die die italienische Hauptstadt Rom umkreist. 

Der Dokumentarfilmer hält sich während des gesamten Films sehr bedeckt. Es gibt keine Interviews mit den Personen, keine Kommentare aus dem Off, es werden lediglich Ausschnitte aus dem Zusammenleben der Menschen gezeigt. So bleibt der Zuschauer sehr alleine mit dem Bildmaterial, und Sacro GRA wirkt teilweise eher wie ein fiktionaler Episodenfilm als eine Dokumentation.

Rosi wechselt sehr schnell zwischen den Akteuren, die, wenn überhaupt, fünf Minuten Screentime erhalten, wodurch es schwer fällt eine Bindung zu ihnen aufzubauen. So entsteht eine Collage mit vielen kleinen, interessanten Schnipseln, ohne dass einer von ihnen besonders hervorsticht. Bei diesem Wechsel werden immer wieder düstere Bilder der Autobahn und ihrer Umgebung eingefangen. Passend dazu ist der Film sehr ruhig, da Rosi auf den Einsatz von Musik verzichtet. Wenn die Akteure nicht miteinander kommunizieren, herrscht Stille. Dadurch entsteht eine sehr triste Atmosphäre, die immer mehr das Geschehen einhüllt und das Leben an der GRA nicht sonderlich lebenswert erscheinen lässt.

Mir haben diese triste Atmosphäre und der neutrale Erzählstil gut gefallen. Einzig die Personenauswahl hat mich etwas gestört, da der Durchschnittsbürger, der sicherlich auch an der Autobahn lebt, außen vor gelassen wird. Sacro GRA war aber ein mehr als gelungener Start ins Festival.

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